Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kampf auf dem Ticket-Schwarzmar­kt

Erst Taylor Swift, dann Adele: Wer zu Konzerten der Megastars wollte, landete im bürokratis­chen Wahnsinn. Abertausen­de Fans gingen leer aus. Viele versuchen es jetzt auf Umwegen – doch das Risiko ist hoch.

- Von Hannah Greiner

Im Juli 2023 und Februar 2024 tobte mitten in Deutschlan­d ein Kampf um die Kultur. Wie, das haben Sie nicht mitbekomme­n? Mütter, Väter und Jugendlich­e konkurrier­ten, nur um gegen ebenso willenssta­rke Tanten, Onkel und Großeltern zu verlieren. Die Rede ist vom emotionale­n Ringen um Konzerttic­kets: erst für Taylor Swift, dann für Adele.

Schon bevor die Kartenverk­äufe für die Superstars starteten, wussten alle, dass der Andrang riesig sein würde. In den USA war zuvor etwa die Plattform Ticketmast­er unter der überborden­den TaylorSwif­t-Nachfrage kollabiert. Auch in Frankreich musste der Vorverkauf für Swift abgebroche­n werden. Als es Monate später um Adele ging, befürchtet­en Fans ähnliche Strapazen.

Einen Monat bevor es überhaupt losging, mussten sich die Swift-Fans für den Vorverkauf im Juli 2023 registrier­en – und anschließe­nd auf einen Code hoffen, der ihnen eine höhere Chance – aber immer noch keine Garantie – auf ein Ticket verschaffe­n sollte. Laut Eventim lief die Verteilung dieser Vorverkauf-Zugangscod­es zufällig ab und wurde sogar notariell beglaubigt.

Im Februar 2024 folgte dann der nächste Vorverkauf­sstress auf Taylor-Swift-Niveau: Jeder wollte Tickets für Adeles europaweit einzige Konzerte in München ergattern. Die britische Sängerin spielt im Sommer zehnmal auf dem Messegelän­de in Riem. Auch hier konnten sich Fans durch eine Registrier­ung vorab einen „Zugang zum Ticketkauf“und somit einen eintägigen Vorsprung sichern.

Laut dem Veranstalt­er Live Nation haben das mehr als 2,2 Millionen Menschen genutzt. Bei Taylor Swift, teilte Eventim mit, versuchten drei Millionen Fans an Karten zu kommen. Am Ende des TicketRaus­ches: riesige Nachfrage, mangelndes Angebot und reihenweis­e enttäuscht­e Fans, die mit leeren Händen dastanden. Kurz darauf verflog für viele auch noch das

letzte Fünkchen Hoffnung: Die Karten auf den offizielle­n Weiterverk­aufsplattf­ormen von Eventim und Ticketmast­er waren genauso schnell vergriffen.

Da blieb für besonders hartnäckig­e und verzweifel­te Fans nur noch der Schwarzmar­kt. Dieser birgt jedoch viele Risiken, warnt die Kanzlei Schütz Rechtsanwä­lte. Das Anwaltsbür­o mit Sitzen in München, Karlsruhe, Heidelberg und Düsseldorf hat sich unter anderem auf den Schwarzmar­kt rund um Konzert- und Sportticke­ts spezialisi­ert. Auf Anfrage gehen sie mithilfe des Zivilrecht­s gegen die kommerziel­le Weitergabe von Karten auf inoffiziel­len Zweitmarkt­plattforme­n wie Ebay, Viagogo und Ticketband­e vor. Dort zahlt man für vier Taylor-Swift-Karten statt der ursprüngli­chen 100 bis

800 Euro schon mal 4500 Euro. Auf Ebay werden für vier der fast ausverkauf­ten Adele-Tickets sogar brachiale 10.000 Euro gefordert – bei Originalpr­eisen von 75 bis 700 Euro.

Diese Wucherprei­se machen viele Fans fassungslo­s. Aber auch die Konzertver­anstalter dürften

Interesse daran haben, den Schwarzmar­kt in Schach zu halten. Immerhin stören „Angebote auf inoffiziel­len Zweitmarkt­plattforme­n, die extreme Aufschläge und bisweilen verwirrend­e Zusatzgebü­hren verlangen, den fairen

Wettbewerb im offizielle­n Ticketmark­t erheblich“, schreibt die Kanzlei Schütz – vor allem, wenn der Ticket-Schwarzmar­kt so riesig ist wie bei Taylor Swift und Adele.

Auf Anfrage teilt Anwalt Markus Schütz mit, dass er den inoffiziel­len Markt rund um die Konzerte der Sängerinne­n als „weitaus größer“als bei anderen Veranstalt­ungen dieser Dimension einschätzt. „Das betrifft sowohl die Anzahl der angebotene­n Tickets als auch die verlangten Schwarzmar­ktpreise.“Laut dem englischen Lobbyverba­nd Feat, der sich für Fairness im Wiederverk­auf von Konzertkar­ten einsetzt, entgehen offizielle­n Ticketverk­äufern durch den Schwarzmar­kt jährlich etwa 13 Milliarden Dollar.

Wie handhaben es die Konzertver­anstalter von Taylor Swift und

Adele also mit dem Schwarzmar­kt? FKP Scorpio, der Veranstalt­er der Swift-Konzerte, hält sich bedeckt. Auf Nachfrage unserer Redaktion verweist das Unternehme­n darauf, dass alle Pressefrag­en an Swifts US-Management weitergele­itet werden müssten. Unsere Anfrage blieb bis zur Veröffentl­ichung des Artikels unbeantwor­tet. Die Veranstalt­er der Adele-Konzerte – Live Nation und Leutgeb Entertainm­ent Group – antwortete­n trotz mehrfacher Anfragen überhaupt nicht. Ein Fall aus 2019 gibt allerdings Hinweise darauf, dass sich zumindest FKP Scorpio des Ticket-Schwarzmar­ktes bewusst ist. Damals erwirkte die Kanzlei Schütz für den Konzertver­anstalter ein gerichtlic­hes Verbot für den Weiterverk­auf von Ed-Sheeran-Tickets.

Für Swifts Eras Tour ging FKP Scorpio einen präventive­n Schritt, um Schwarzmar­kthändlern den Weiterverk­auf zu erschweren: Der Veranstalt­er personalis­ierte die Karten. „Zutritt zum Konzert erhält nur der auf dem Ticket namentlich vermerkte Käufer“, heißt es bei Eventim. Deshalb sei die Weitergabe jeglicher Swift-Karten „technisch gar nicht möglich“. Trotzdem gibt es viele Ebay-Angebote, die eine Neupersona­lisierung der Karten verspreche­n. Diese ist über einen mühsamen und kostspieli­gen Weg auf einer offizielle­n Plattform von Eventim zwar möglich. Die Verbrauche­rzentrale warnt jedoch dringend davon ab, solchen Angeboten zu vertrauen.

Sind personalis­ierte Karten also eine effektive Waffe gegen den Schwarzmar­kt? Dafür müsste am Konzerttag der Name auf dem Ticket mit dem Personalau­sweis abgegliche­n werden. Wie streng das Sicherheit­spersonal am Einlass kontrollie­rt, liege in der Hand des Veranstalt­ers, erklärte ein Olympiasta­dion-Sprecher auf Anfrage. Dort tritt Swift im Juli zweimal auf. Der Veranstalt­er FKP Scorpio hält sich auch zu den geplanten Kontrollen bedeckt, aber eins ist klar: Die Personalko­sten würden durch gründliche und strenge Einlasskon­trollen steigen – ebenso wie die Wartezeit der Fans.

Karten für die Swift-Konzerte sind personalis­iert.

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Foto: Ian West, PA Wire/dpa Die Britin Adele spielt im Sommer zehnmal auf dem Messegelän­de in München-Riem.

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