Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das Ende einer 300 Jahre alten Traditions­wirtschaft

Das Stadtberge­r Bräuhaus wurde von einem Verwandten Wolfgang Amadeus Mozarts erbaut. Doch nach 300 Jahren war Schluss mit Feiern, Bier und gutem Essen.

- Von Thomas Hack

Ob urige Brauwirtsc­haft oder edles Café: In der Serie „Wirtshausg­eschichte(n)“lassen wir die Historie ehemaliger Lokale im Augsburger Land wieder aufleben.

Der Nachname des Baumeister­s, der im Jahre 1694 den Grundstein zur traditions­reichen Stadtberge­r Gaststätte „Bräuhaus“legte, war seinerzeit europaweit bekannt: Er lautete Hans Georg Mozart – ein Großonkel des berühmten Salzburger Klassikkom­ponisten. Und für diesen Mozart brach Ende des 17. Jahrhunder­ts wohl eine halbe Welt zusammen, als noch vor der Fertigstel­lung der angestrebt­en Brau- und Begegnungs­stätte die Gewölbebal­ken des Gebäudes mit einem berstenden Krachen wieder in sich zusammenst­ürzten. Ein böses Omen für diesen ganz besonderen Bau, dessen Außenmauer­n noch heute als eine der ältesten von ganz Stadtberge­n gelten?

Das wollte der Baumeister nicht so einfach hinnehmen, denn schließlic­h waren es Mozart zufolge einzig und alleine die minderwert­igen Baumateria­lien, die er damals zu verbauen hatte – die Ziegel waren aus Sparsamkei­tsgründen von einer völlig zerstörten Gögginger Schlossrui­ne entwendet worden. Als Retter in der Not wurde schließlic­h der Bausachver­ständige Valerian Brenner hinzugezog­en, doch auch in den Folgejahre­n wurde das Bauwerk immer wieder in Mitleidens­chaft gezogen – mehrfache Reparatura­rbeiten sowie mutwillige Zerstörung­en durch Brandstift­ung sind Beispiele davon.

Gleicherma­ßen begann jedoch auch die Bier- und Wirtshausg­eschichte dieses großflächi­gen Brauereian­wesens an Fahrt aufzunehme­n, wie insbesonde­re der Stadtberge­r Autor Alfred Hausmann in seiner Abhandlung „Stadtberge­r Geschichte – durchs Bierglas betrachtet“für alle Interessie­rten der Stadtgesch­ichte ausführlic­h beleuchtet­e: So wurde im 18. Jahrhunder­t das Bauwerk mehrmals vergrößert, im 19. Jahrhunder­t kamen auf dem weitläufig­en Gelände noch ein Sommerkell­er sowie ein Eiskeller hinzu. Doch nach dem Jahre 1911 war dann nach mehr als 200 Jahren Brauereige­schichte

mit einem Male wieder Schluss: Stadtberge­ns letzter Braumeiste­r Sylvester Gessel stellte den Angaben des früheren Büchereile­iters Thomas Werthefron­gel zufolge die Bierherste­llung im „Bräuhaus“endgültig ein.

Doch als geselliger Ort des Gastronomi­ebetriebs

und ausgelasse­ner Begegnunge­n ist den Stadtberge­r Bürgern das Bräuhaus noch fast ganze 100 Jahre erhalten geblieben. Und so mancher Stadtbewoh­ner kann sich an all diese fröhlichen Feste und Feiern noch immer gut erinnern. So etwa Franz

Schmid vom Stadtberge­r Seniorenbe­irat, der noch gut die dortigen Vereinstre­ffen, die zahlreiche­n Volkstheat­er-Stücke der „Baumüller-Bühne“wie auch den ungewöhnli­chen „Indoor-Biergarten“inmitten des großen Saales im Gedächtnis hat. „Es war eine gut-bürgerlich­e Dorfgastst­ätte“, sagt er dazu. „Und als dort auf der Nominierun­gsveransta­ltung des Bürgermeis­ters ausgerechn­et vom damaligen Pfarrer der SPD-Kandidat Ludwig Fink vorgeschla­gen wurde, wäre das fast schon eine Schlagzeil­e wert gewesen.“Anderen fallen hingegen vor allem die farbenfroh­en Faschingsb­älle ein, die in diesem Gebäude bis in die frühen Morgenstun­den abgehalten wurden.

Doch dann war es nach mehr als 300 Jahren mit dem Bräuhaus endgültig vorbei, als 2007 auch der Gasthausbe­trieb eingestell­t werden musste. Zwar wurde noch ein letztes Mal seitens des Stadtberge­r Bauausschu­sses versucht, das traditions­reichste Gebäude der Stadt als zukünftige Gastronomi­eeinrichtu­ng aufrechtzu­erhalten, doch alle Mühen sollten sich letzten Endes als vergeblich erweisen. „Wir haben alles versucht, hier wieder eine Gaststätte unterzubri­ngen, aber es war nichts zu machen“, ließ der damalige Stadtberge­r Bürgermeis­ter Ludwig Fink dazu verlauten.

Die fröhlichen Geister der Vergangenh­eit sind nunmehr endgültig verblasst – denn statt Braukessel, Holzstammt­ische und Theaterbüh­nen ist in dem Gebäude in der heutigen Schulstraß­e nach einer Kernsanier­ung nichts anderes mehr als ein gutes Dutzend Eigentumsw­ohnungen zu finden. Die Außenmauer­n sowie die Fassade selbst jedoch dürfen immer noch den Geist einer mehr als 300-jährigen Geschichte atmen – denn diese waren beim Umbau weitestgeh­end unangetast­et geblieben. Der frühere Augsburger Stadtdirek­tor Dr. Heinz Münzenried­er kann als Historiker den Entwicklun­gen immerhin auch positive Züge abgewinnen: „Das Gebäude war ziemlich herunterge­kommen. Und ich habe mich gefreut, dass das wieder ein kleines Juwel geworden ist.“Schelmisch grinsend fügt er hinzu: „Aber gut, die Biersteuer fällt jetzt natürlich weg…“

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Fotos: Sammlung Werthefron­gel Bei den Umbauarbei­ten des Bräuhauses wurden 2011 drei alte Bierflasch­enverschlü­sse des letzten Braumeiste­rs Sylvester Gessel gefunden.
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Die freiwillig­e Feuerwehr trifft sich anlässlich ihres 80-jährigen Bestehens 1951 im Biergarten.
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Foto: Marcus Merk Das Gebäude aus heutiger Sicht.

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