Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Film über jüdische Familie wühlt das Publikum auf

Josef Pröll und Miriam Friedmann zeigen bei der Kolpingsfa­milie Gersthofen ihr Werk „Die Stille schreit“. Eine Diskussion über die aktuelle Politik schließt sich an.

- Von Nicola Jäckel

„Absolut nichts mehr erinnerte noch an meine Familie.“Miriam Friedmann, gebürtige Amerikaner­in und Trägerin des Bundesverd­ienstkreuz­es, hat wie so viele jüdische Nachkriegs­kinder eine dunkle Familienge­schichte. Als sie Jahre später zurück in die Heimat ihrer Eltern zieht, ist es das, was sie nicht mehr loslässt. In ihrem Wunsch, die Namen ihrer Vorfahren zurück nach Augsburg zu bringen, wendet sie sich an Josef Pröll aus Gersthofen. Was den Teilnehmer­innen und Teilnehmer­n im Pfarrzentr­um Gersthofen präsentier­t wurde, ist das Ergebnis ihrer gemeinsame­n Arbeit. „Die Stille schreit“ist ein Film über das Schicksal Augsburger Juden, stellvertr­etend an Friedmanns Familie aufgezeigt. Es ist ein Film über die Vergangenh­eit, und dennoch könnte er kaum aktueller sein, was auch die rege Diskussion der Teilnehmen­den zeigte.

Wer den Abend im Pfarrzentr­um Gersthofen verbracht hat, kann von einem sehr emotionale­n Filmabend erzählen, den die Kolpingsfa­milie veranstalt­et hat. Viele Nachkriegs­kinder sind unter den Zuschauern, doch auch jüngere Interessie­rte, ebenso wie die Filmemache­r Pröll und Friedmann.

„In meinen Augen und Ohren war alles still, und doch hat es danach geschrien, diese Geschichte zu erzählen“, sagt Miriam Friedmann. Als sich Pröll und Friedmann in Augsburg kennenlern­ten, entstand die Idee zu einem Film. Besagter Film beginnt im 19. Jahrhunder­t,

ganz in der Nähe von Augsburg. Er erzählt von Friedmanns Vorfahren, wie diese anerkannte Positionen in der Gesellscha­ft erreichten und als Ärzte und Geschäftsf­ührer einer der größten Schirmfabr­iken arbeiteten. Und schließlic­h von deren Ausgrenzun­g und Ermordung während des Nationalso­zialismus. Es sind grausame Geschichte­n, die nicht wenige im Publikum zu Tränen rühren. Von der ganzen Familie Friedmann blieben nur Miriam Friedmanns Eltern am Leben.

„Man hört heute wieder dieselben Vokabeln wie damals“, bemerkt eine Zuschaueri­n. „Es ist wichtig, genau hinzuhören, bevor es zu spät ist“, findet sie. Sorge über die aktuelle Situation und eine wachsende Tendenz, rechts orientiert­e Politik zu unterstütz­en, schwingt in vielen Worten der Zuhörenden mit. Gerade für Nachkriegs­kinder ist das unbegreifl­ich. Die Geschichte darf sich nicht wiederhole­n, ist der Tenor.

„Es ist so eingängig, weil man die SS-Männer auf den Straßen in Augsburg marschiere­n sieht, die wir alle kennen. Das macht es irgendwie noch näher, noch mächtiger“, beschreibt eine Zuschaueri­n. Der regionale Bezug und die Vertrauthe­it der Kulissen ließen alles noch einmal näher wirken. Pröll und Friedmann ist es wichtig, das Gedenken wach zu halten. Niemand ging an dem Abend in Gersthofen ohne eine neue Sensibilit­ät für diese Thematik nach Hause, und es wurde wohl allen Zuschauend­en in den 74 Minuten des Films bewusst, wie wichtig es ist, genau hinzuhören, bevor es zu spät ist.

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Foto: Nicola Jäckel Mit ihrem Filmabend bei der Kolpingsfa­milie stimmten Josef Pröll und Miriam Friedman in Gersthofen viele im Publikum nachdenkli­ch.

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