Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Film über jüdische Familie wühlt das Publikum auf
Josef Pröll und Miriam Friedmann zeigen bei der Kolpingsfamilie Gersthofen ihr Werk „Die Stille schreit“. Eine Diskussion über die aktuelle Politik schließt sich an.
„Absolut nichts mehr erinnerte noch an meine Familie.“Miriam Friedmann, gebürtige Amerikanerin und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, hat wie so viele jüdische Nachkriegskinder eine dunkle Familiengeschichte. Als sie Jahre später zurück in die Heimat ihrer Eltern zieht, ist es das, was sie nicht mehr loslässt. In ihrem Wunsch, die Namen ihrer Vorfahren zurück nach Augsburg zu bringen, wendet sie sich an Josef Pröll aus Gersthofen. Was den Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Pfarrzentrum Gersthofen präsentiert wurde, ist das Ergebnis ihrer gemeinsamen Arbeit. „Die Stille schreit“ist ein Film über das Schicksal Augsburger Juden, stellvertretend an Friedmanns Familie aufgezeigt. Es ist ein Film über die Vergangenheit, und dennoch könnte er kaum aktueller sein, was auch die rege Diskussion der Teilnehmenden zeigte.
Wer den Abend im Pfarrzentrum Gersthofen verbracht hat, kann von einem sehr emotionalen Filmabend erzählen, den die Kolpingsfamilie veranstaltet hat. Viele Nachkriegskinder sind unter den Zuschauern, doch auch jüngere Interessierte, ebenso wie die Filmemacher Pröll und Friedmann.
„In meinen Augen und Ohren war alles still, und doch hat es danach geschrien, diese Geschichte zu erzählen“, sagt Miriam Friedmann. Als sich Pröll und Friedmann in Augsburg kennenlernten, entstand die Idee zu einem Film. Besagter Film beginnt im 19. Jahrhundert,
ganz in der Nähe von Augsburg. Er erzählt von Friedmanns Vorfahren, wie diese anerkannte Positionen in der Gesellschaft erreichten und als Ärzte und Geschäftsführer einer der größten Schirmfabriken arbeiteten. Und schließlich von deren Ausgrenzung und Ermordung während des Nationalsozialismus. Es sind grausame Geschichten, die nicht wenige im Publikum zu Tränen rühren. Von der ganzen Familie Friedmann blieben nur Miriam Friedmanns Eltern am Leben.
„Man hört heute wieder dieselben Vokabeln wie damals“, bemerkt eine Zuschauerin. „Es ist wichtig, genau hinzuhören, bevor es zu spät ist“, findet sie. Sorge über die aktuelle Situation und eine wachsende Tendenz, rechts orientierte Politik zu unterstützen, schwingt in vielen Worten der Zuhörenden mit. Gerade für Nachkriegskinder ist das unbegreiflich. Die Geschichte darf sich nicht wiederholen, ist der Tenor.
„Es ist so eingängig, weil man die SS-Männer auf den Straßen in Augsburg marschieren sieht, die wir alle kennen. Das macht es irgendwie noch näher, noch mächtiger“, beschreibt eine Zuschauerin. Der regionale Bezug und die Vertrautheit der Kulissen ließen alles noch einmal näher wirken. Pröll und Friedmann ist es wichtig, das Gedenken wach zu halten. Niemand ging an dem Abend in Gersthofen ohne eine neue Sensibilität für diese Thematik nach Hause, und es wurde wohl allen Zuschauenden in den 74 Minuten des Films bewusst, wie wichtig es ist, genau hinzuhören, bevor es zu spät ist.