Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Was man in mehr als 45 Jahren im Bauamt alles erlebt
Mehr als vier Jahrzehnte lang arbeitete Thomas Dahlmann im Meitinger Rathaus. Erst wollte er nicht hin, dann schlug er sogar Erich Honecker ein Schnippchen.
Ab dem 21. März steht für Thomas Dahlmann nur noch der Freizeitgenuss im Kalender. „Nichts zu müssen und doch alles zu können“, sei das Größte am Ruhestand, freut sich der Leiter des Meitinger Bauamtes. Am 20. März wird Dahlmann seinen letzten Tag im Amt haben und damit nach mehr 45 Jahren dem Arbeitgeber den Rücken kehren, bei dem er einst gar keine Ausbildung beginnen wollte.
Der 62-Jährige erinnert sich noch genau daran, als er zu Schulzeiten erfuhr, dass die Gemeinde Auszubildende suche. Doch nach dem Vorstellungsgespräch, das Dahlmann im Rathaus hatte, das sich damals noch in der St.-Wolfgang-Straße befand, war ihm und einem Schulkameraden klar: „In der Bruchbude fangen wir nicht an.“Der Putz sei vom Haus gebröckelt, erinnert sich Dahlmann lachend und berichtet auch davon, dass das katholische Pfarrheim in der Hauptstraße einst Teil der Verwaltung war und scherzhaft als „Auswärtiges Amt“bezeichnet wurde.
Klar, dass der Realschulabsolvent dann doch im Amt landete. Für die Belange der gut 8000 Bürgerinnen und Bürger, die die Gemeinde damals zählte, gab es 17 Mitarbeitende und drei Azubis. Dahlmann war einer davon und damit einer der ersten drei Auszubildenden der Gemeinde.
In den ersten Wochen seiner Ausbildung habe sich Dahlmann viel mit dem Ortsteil Langenreichen beschäftigt, der durch die Gebietsreform als Letzter der Meitinger Ortsteile im Jahr 1978 eingemeindet wurde. Bei Alfred Sartor, dem Altbürgermeister der Gemeinde, der damals noch in der Finanzverwaltung tätig war, lernte Dahlmann die kommunale Zahlenwelt kennen. Auch im Einwohnermeldeamt
war der heute 62-Jährige nach seiner Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten wegen dem Publikumsverkehr gerne tätig. Eben dort habe er Erich Honecker, einem bedeutenden Politiker der DDR, einst quasi „ein Schnippchen geschlagen“, erinnert sich Dahlmann und beginnt zu erzählen.
Ein Meitinger Bürger habe ihm damals – vor der Wiedervereinigung, als Deutschland noch geteilt in BRD und DDR war – darum gebeten, eine Bescheinigung auszustellen, damit die in der DDR lebende Cousine einen Grund nachweisen konnte, um nach Meitingen
zu kommen. Die vorgeschlagene Begründung – die Feier einer Silberhochzeit – belächelte Dahlmann, wohlwissend, dass sein Gegenüber bereits geschieden war. Wortgewandt und clever formulierte der 62-Jährige damals eine Bestätigung, in der „nichts gelogen war, aber auch nicht alles drinstand, was er wusste“, beteuert er. Nur wenige Zeit später konnte er der Cousine dann das sogenannte „Begrüßungsgeld“auszahlen, das es damals für all jene gab, die es von der DDR in die BRD geschafft haben.
Und auch, wenn Dahlmann sich gerne an seine Lieblingsgeschichte
aus dem Einwohnermeldeamt erinnert, so verbrachte er doch die meiste Zeit im Bauamt. Die Vielseitigkeit der Themen im Bauamt, die sowohl gemeindliche Gebäude und Infrastruktureinrichtungen als auch Dahlmanns Lieblingsthema, das Baurecht, umfasst, machen den Themenbereich für den Bauamtsleiter so spannend.
Und wer sich in der Gemeinde umsieht, der stößt vor allem in den Baugebieten auf umgesetzte Pläne, die einst über Dahlmanns Schreibtisch gegangen sind. Doch auch Schimpfereien musste der Bauamtsleiter einige über sich ergehen lassen – weil dem Bauamt Willkür anstatt die Einhaltung der Gesetze unterstellt wurde oder, weil die irrige Annahme vorherrsche, dass das Gemeinwesen sich selbst trage. Auch konzeptionelle Herausforderungen, wie eine „verträgliche“Nachverdichtung aussehen kann, was das mit Blick auf die Infrastruktur im Ort bedeutet sowie in Abwägung der Faktoren Arbeitsplätze, Wirtschaft und Naturschutz zu stemmen, gehörte für den Bauamtsleiter zum Tagesgeschäft.
Und das Baurecht wird auch künftig Dahlmanns Thema bleiben: Der 62-Jährige wird nämlich unterrichten – und zwar an den Verwaltungsschulen in Bayern. Bereits im ersten Halbjahr 2024 wird Dahlmann 120 Unterrichtsstunden zum Thema Baurecht halten. Die Unterrichtssituation ist für Dahlmann dabei nicht neu, denn bereits Mitte der 1990er Jahre habe er unterrichtet, bevor diese Aufgabe zeitlich nicht mehr machbar war. Nun kam er – via E-Mail-Kontakt mit einem Dozenten – erneut zur Verwaltungsschule und hat bereits einige Stunden gehalten. Nun, da er – neben dem Tagesgeschäft im Bauamt – nicht mehr kommunale Fachausschüsse vorund nachbereiten muss, die auch stets seine Freizeit- und Urlaubsplanung mitdiktiert haben, habe er Zeit zu unterrichten. Und nicht nur dafür.
Dahlmann freut sich darauf, häufiger mit seiner Frau Urlaub machen zu können. Da das Ehepaar gerne nach Italien reist, könnte sich Dahlmann vorstellen, nun Italienisch zu lernen und viel Zeit in seine Hobbys zu investieren, wie etwa das Darten, Fahrradfahren und das Gitarrespielen. Auch sein Engagement im Ehrenamt will Dahlmann weiter ausbauen. Aktuell schraubt er beim Meitinger Fahrrad-Reparaturtreff ehrenamtlich an den Drahteseln und will auch beim Umzug des Reparaturtreffs mitanpacken.