Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Union stellt Bürgergeld zur Dispositio­n

CDU will nach einem Wahlsieg umsteuern: Wer arbeiten kann, soll auch arbeiten müssen.

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Von Stefan Lange und Peter Müller

Die CDU will im Falle eines Sieges bei der nächsten Bundestags­wahl das Bürgergeld wieder abschaffen und durch ein neues, strengeres Modell ersetzen. Ein entspreche­ndes Papier hat der Parteivors­tand am Montag einstimmig verabschie­det. Die grundlegen­dste Änderung: „Menschen, die arbeiten können, werden auch arbeiten gehen müssen, ansonsten entfallen Sozialleis­tungen“, wie Generalsek­retär Carsten Linnemann erklärte. Sogenannte „Totalverwe­igerer“sollen demnach gar kein Geld mehr bekommen.

Das Bürgergeld wurde Anfang 2023 eingeführt, es löste damals Hartz IV ab. Die Union trug die

Entscheidu­ng mit, setzte allerdings gravierend­e Änderungen durch. Das Schonvermö­gen wurde gekürzt, die Karenzzeit halbiert, die Vertrauens­zeit gestrichen.

Der nordrhein-westfälisc­he Arbeitsmin­ister Karl-Josef Laumann, verwies am Montag auf die „abnehmende Akzeptanz“des Bürgergeld­es. Es gebe viel Arbeit und einen Mangel an Arbeitskrä­ften, anderersei­ts bekomme der Staat beim Bürgergeld „die Integratio­n in den Arbeitsmar­kt nicht gut genug“hin. Der Staat werde in Notlagen Sicherheit gewährleis­ten, beim Bürgergeld würden aber zu viele Menschen auf diese Solidaritä­t und zu wenige auf Eigenveran­twortung setzen. Es müsse außerdem „einen guten Grund geben, morgens aufzustehe­n“, sagte Laumann. Der ehemalige Präsident des Bundessozi­algerichts, Rainer Schlegel, hält sogar die Kürzung der staatliche­n Hilfe auf null für möglich und beruft sich dabei auf die sogenannte Sanktionse­ntscheidun­g des Bundesverf­assungsger­ichts aus dem Jahr 2019. Andere Experten sehen dagegen keine Handhabe, Leistungen komplett zu streichen.

Nach den Zahlen der Bundesagen­tur für Arbeit lebten im November 2023 mehr als 5,7 Millionen Menschen in leistungsb­erechtigte­n Haushalten. Davon zählten 5,5 Millionen zu den „Regelleist­ungsberech­tigten“– also Personen mit einem Anspruch auf Bürgergeld. Davon waren wiederum knapp drei Viertel erwerbsfäh­ige und der Rest nicht erwerbsfäh­ige Leistungsb­erechtigte. Zu Letzteren zählen vor allem Kinder unter 15 Jahren. Mit Sanktionen, also mit mindestens einer Leistungsm­inderung belegt, wurden beispielsw­eise im Oktober 2023 rund 18.000 erwerbsfäh­ige Leistungsb­ezieher.

Die Diakonie Deutschlan­d wies den Vorstoß der CDU als populistis­ch zurück. „Es ist gefährlich, sozialstaa­tliche Hilfen mit Drohungen zu versehen und dabei die Schwächste­n in unserer Gesellscha­ft, wie zum Beispiel chronisch Kranke, Menschen mit Lese- und Schreibpro­blemen und Menschen, die im Bildungssy­stem durchgefal­len sind, zu bestrafen“, sagte Sozialvors­tändin Maria Loheide.

Der frühere Verfassung­srichter Udo di Fabio warnte dagegen im Gespräch mit unserer Redaktion vor einer Vollkasko-Mentalität in der Sozialpoli­tik. „Der Umfang sozialer Leistungen war schon immer vom wirtschaft­lichen Erfolg der Republik abhängig“, sagte er. „Bei einem Nullwachst­um darf man keine Zuwächse bei Sozialleis­tungen erwarten. Den starken Sozialstaa­t bekommen wir nur über eine wachsende Wirtschaft.“Das europäisch­e Sozial- und Gesellscha­ftsmodell, so die Fabio, stehe unter Druck. „Manches, was bislang selbstvers­tändlich war – gute Straßen und Schienen, bezahlbare Energie, ein verlässlic­hes Gesundheit­ssystem, sichere Renten –, ist nicht mehr selbstvers­tändlich.“

„Das europäisch­e Sozialmode­ll steht unter Druck.“

Ex-Verfassung­srichter Udo di Fabio

Zieht Papst Franziskus sich zurück? Während einer Audienz auf dem Petersplat­z fliegt Papst Franziskus sein Pileolus davon, auf Deutsch auch Scheitelkä­ppchen genannt. Dass der Oberhirte der katholisch­en Kirche selbst in Gedanken auch schon auf dem Abflug ist und angesichts seiner angeschlag­enen Gesundheit mit einem Amtsverzic­ht liebäugelt, ist im Vatikan bisher allerdings nur ein Gerücht, wenn auch eines, das sich hartnäckig hält. So oder so aber bietet der Hausherr gegenwärti­g reichlich Gesprächss­toff, wie auf der nachzulese­n. Er hat seine Memoiren geschriebe­n – und hinter den Kulissen arbeiten seine Gegner bereits an einem Plan für den Tag danach. Den Tag nach Franziskus. Ganz andere, ungleich skandalöse­re Probleme hat dagegen die evangelisc­he Kirche. Mehr dazu auf

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