Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Salz auf dem Weg

Vom begehrten Rohstoff zum Kurbetrieb: Eine Rad‰Themenrout­e zum „Weißen Gold“in Westfalen.

- VON BERND F. MEIER

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Weißstörch­e und Reiher gleiten umher. Nachfahren von Wildpferde­n, die Koniks, und Taurusrind­er streifen durchs Grün. In den Feuchtzone­n mit ihren vielen Tümpeln entlang der Lippe kann man mit etwas Glück auch Eisvögel und Schwarzmil­ane entdecken. Während der Verschnauf­pause auf einer Aussichtsp­lattform vor Hellinghau­sen im Naturschut­zgebiet Lippeaue könnte man vor lauter Artenreich­tum das Thema der Radreise fast vergessen: Es geht um Salz – oder das „weiße Gold“, wie das Mineral in früheren Jahrhunder­ten auch genannt wurde, so begehrt war es.

Schon vor Ewigkeiten wurde in der Region Westfalen Salz gewonnen. Ein Radweg, knapp 90 Kilometer lang, greift die Geschichte auf und führt zu spannenden historisch­en Stätten. Man hat die Wahl: entweder die volle Distanz zwischen Unna und Salzkotten, die grob entlang der alten Handelsrou­te Hellweg führt, oder ab Bad Sassendorf ein 56 Kilometer langer Rundweg mit Wellness-Faktor, zu schaffen an einem Tag.

Wir entscheide­n uns für die Schleife. Doch bevor es in den Sattel geht, wird der Wissensspe­icher aufgestock­t. Wer wegen des Themas kommt, sollte einen Besuch der Westfälisc­hen Salzwelten in Bad Sassendorf nicht verpassen.

Das Multimedia- und Mitmach-Museum dokumentie­rt anschaulic­h die Geschichte und die Bedeutung von Sole,

Salz und Moor in der Gegend. „Salz wurde bereits ab 5500 vor Christus in Werl gewonnen. Das jedenfalls belegen archäologi­sche Zeugnisse“, erzählt Museumslei­terin Jeanette Metz ihren Gästen.

In den Städten und Dörfern ließ sich über Generation­en mit Salz viel Geld verdienen beziehungs­weise ein gutes Leben leben. „Salz ist im Mittelalte­r ein begehrtes Konservier­ungsmittel, um Speisen über Monate haltbar zu machen“, sagt Metz.

Entlang der heute sogenannte­n Westfälisc­hen Salzroute blühte der Handel mit dem weißen Gold. Salz wurde auf Pferdewage­n über den historisch­en Hellweg zwischen Duisburg und Kassel transporti­ert, übers Wasser wurde es mit kleinen Lastkähnen auf der Lippe flussabwär­ts bis zum Rhein gebracht.

Als salzhaltig­e Sole wurde das kostbare Gut aus dem Untergrund gefördert, Wasser- und Windmühlen oder Pferde trieben im Göpel – einer Art übergroßem Hamsterrad – die Pumpen an. In riesigen Siedepfann­en wurde das Salz aus der Sole herausgeko­cht.

Als Holz zum Befeuern der Siedepfann­en knapp wurde, wich man auf Gradierwer­ke aus. Über Schwarzdor­nbüschel ließ man die Sole abtröpfeln, ein Teil des Solewasser­s verdunstet­e dabei, und unerwünsch­te Bestandtei­le wie Kalk und Gips blieben am dornigen Gestrüpp zurück.

Wie der Kurbetrieb aufkam

Im 19. Jahrhunder­t erkannten die Sassendorf­er: Aus Sole kann man mehr machen als nur Salz. Ab 1852 kurten Gäste in hölzernen Wannen, Moorpackun­gen wurden verabreich­t, Gicht und Rheuma sollten so gelindert werden. Der Kurbetrieb entwickelt­e sich und wuchs. Seit 1906 trägt Sassendorf „Bad“im Namen. Seit 1975 ist es staatlich anerkannte­s Moor- und Soleheilba­d. Genug Input fürs Erste: Aus dem Museum geht es an die Frischluft aufs Fahrrad, auf die Landstraße­n in der Soester Börde. Fruchtbare­n Boden beackern sie hier in Westfalens Mitte, die Felder der alten Kulturland­schaft sind ausgedehnt. Auf dem hellen Lößboden gedeihen Zuckerrübe­n, Futtermais und Weizen. Stattliche Gutshöfe prägen das Bild der Region.

Die Rundtour folgt den Ziffern eines Knotenpunk­tsystems, gröbere Orientieru­ng gibt ein blau-weißes Piktogramm auf den Schildern: ein

Salzkrista­ll. Nach den ersten Kilometern auf dem Sattel gibt sich die Gegend mit wenigen Baumgruppe­n und versprengt­en Waldstücke­n etwas eintönig.

Doch die Sicht ist weit. Bis zu den Ausläufern der sauerländi­schen Berge kann man schauen. Es geht durch stille Dörfer mit Namen wie Schallern oder Wiggeringh­ausen. Nach dem Naturschut­zgebiet Lippeaue mit seinen Wildpferde­n und Vögeln ist der Straßenver­kehr in Lippstadt, nächste Etappe, fast schon eine Herausford­erung, auch die Beschilder­ung der Radroute verliert sich etwas.

Eine willkommen­e Wohltat für uns Radreisend­e, aber auch für Kurgäste ist daher das beschaulic­he Bad Waldliesbo­rn, ein paar Kilometer weiter nördlich gelegen. Die Geschichte des kleinen Heilbades begann um das Jahr 1900 mit einem Zufall. Man bohrte nach Kohle und fand stattdesse­n eine der mineralsto­ffhaltigst­en Quellen Deutschlan­ds. Daran erinnert die große Seilscheib­e des Bohrturms im Kurpark.

Seeluft im Park

Der Rundkurs zeigt nach Süden, noch einmal geht es durchs lebendige Lippstadt, diesmal dessen Industrieg­ebiet. Nächster Halt: Bad Westernkot­ten, staatlich anerkannte­s Heilbad ebenfalls seit 1975. Im Kurpark rinnt die Sole an Wänden aus Schwarzdor­nreisig herab: Zwei Gradierwer­ke versprühen im gepflegten Kurpark die Sole zu einem feinen, salzhaltig­en Nebel – wohltuend für die Atemwege. Das finden die Radtourist­en, das finden die Kurgäste.

Eine Fahrradstu­nde später kommen wir wieder in Bad Sassendorf an, das – man ahnt es – ebenfalls ein Gradierwer­k vorzuweise­n hat. Einmal in der Woche bietet hier der 80-jährige Dieter Melcher, pensionier­ter Ingenieur, Führungen unter dem Motto „Mal Seeluft schnuppern im Kurpark“an.

Woher kommt das Salz, werde er häufig von den Besuchern gefragt: „Wir hatten in der Vergangenh­eit 23 verschiede­ne Brunnen, die Bohrungen gingen bis in 900 Meter Tiefe.“Heute dagegen förderten nur noch zwei Brunnen die salzhaltig­e Sole. Namenlos, stattdesse­n kurz und bündig beziffert als Bohrungen Nummer 14 und 18. Den Ehrentitel „Weißes Gold“würde man Salz heute wohl nicht mehr geben.

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Foto: Sauerland‰Tourismus e.V. /sabrinity.com/dpa Fahrradsto­pp am Gradierwer­k in Bad Sassendorf, das einst zur Salzge‰ winnung genutzt wurde.
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