Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Diese Forelle wird nicht alt
Ganz nah am Wasser gebaut: Musiker und Musikerinnen der Bayerischen Kammerphilharmonie gestalten mit der Sopranistin Alexandra Steiner eine Schubertiade im Kleinen Goldenen Saal.
So eine Forelle wird nicht schlecht. So eine Forelle verdirbt nicht, auch nicht in 200 Jahren. Zumindest, wenn es sich um diese eine „Forelle“handelt, mit ihrem schuppenschimmernden, flossenschwänzelnden Eigenleben, das ihr Franz Schubert auf den Leib komponiert hat. 1816 schrieb der Wiener sein Lied vom Fisch und dem Angler, der ihn ködert. Dass die Haltbarkeit dieser Forelle einen ganzen Konzertabend überdauert, hat jetzt die Bayerische Kammerphilharmonie bewiesen: KammermusikKonzert im Kleinen Goldenen Saal. „In einem Bächlein helle, da schoss in froher Eil die launische Forelle ...“, singt die Sopranistin Alexandra Steiner im wasserblauen Abendkleid. Dann folgen weitere Schubertlieder, mit Klavier- und Streicherbegleitung, Balladen von Wassernixen und tückischen Wellen. Zum Finale aber: wieder der Fisch. Schillernd und wendig schwimmt er im Klang durch Schuberts „Forellenquintett“von 1819. Ein schlüssiges, flüssiges
Programm – mit Streichern in großer Spiellaune.
„Herzlich willkommen an diesem Frühlingsabend“, begrüßt Valentin Holub die Gäste. Damit führt der künstlerische Leiter der Kammerphilharmonie direkt in die lyrische Kulisse der Lieder des Abends. Hinein in die Natur, die in der Romantik des 19. Jahrhunderts aufblühen durfte. Damals komponierte Schubert seine Lieder für Hauskonzerte, seine „Schubertiaden“in geselligen Wiener Wohnzimmern. Und nun, in Augsburg, zwei Jahrhunderte später? Stuck und Zierrat im gar nicht so kleinen Goldenen Saal. Die Besetzung aber bleibt diesmal überschaubar, im Kammermusikformat, die Orchestermusiker spielen diesmal als Solisten unter Solisten.
Die Bühne betritt Alexandra Steiner, die schon als Schülerin in Augsburg am St.-Stephan-Gymnasium zur Musik fand. Heute singt sie als Sopranistin auf bedeutenden Bühnen – zum Beispiel bei den Bayreuther Festspielen, in Wagners „Ring“. In der Rolle als Waldvogel zwitschert sie an Siegfrieds Seite. Dieser Abend in Augsburg
kommt aber ohne musikdramatisches Schauspiel aus. Keine Spur von Pantomime oder übertriebener Textausdeutung, kein Spiel mit der Mimik zu den Worten – Alexandra Steiner verlässt sich nur auf den musikalischen Kern. Silbrig und klar, hell und souverän, so führt ihr Sopran in Schuberts Gewässer. Auf die Forelle folgt im geerdeten Balladenton „Der Fischer“, mit Träumerei und Wellengang am Klavier „Des Fischers Liebesglück“, mit dramatischen Höhen „Heiß mich nicht reden“.
Den Weg für Steiners Stimme ebnen die Instrumentalisten: Der Pianist Tobias Krampen zeigt als Begleiter sein Gefühl für den natürlichen Fluss der Noten, für die Romantik. Der Geiger Gabriel Adorján, diesmal Solist statt Konzertmeister der Kammerphilharmonie, überzeugt auffällig unauffällig, fein und dienlich an Steiners Seite. Die Viola darf im Duett mit dem Sopran schnurren: Im Lied „Auf dem Strom“erzeugt Valentin Holub eine Wärme, die bis dahin in manchen Momenten fehlte.
Der erste Konzertteil bot eine Schubertiade nach Maß, sehr kultiviert, ohne dabei in Betulichkeit hinwegzudümpeln. Der zweite Teil allerdings: eine Schau! Quirliges Leben in fünf Sätzen, mit Spaß gespielt von vier Kammerphilharmonikern plus Flügel. Bei einem Urlaub fern von Wien, in launiger Gesellschaft, ließ ihn die Inspiration nicht lange warten: Bei einem Aufenthalt in Steyr begann Schubert 1819 ein Quintett zu schreiben, das sein Lied von der Forelle weiterspinnt. Am Kontrabass zupft, streicht und glänzt hier Magherita Naldini, mit Sanftheit genauso wie mit Wumms im rechten Moment. Das schafft Raum für den Cellisten Jakob Stepp und seine Soli mit Stil und Schmelz. Und die Schaumkrone? Ist die Melodie, die immer wieder aus den Klaviersaiten sprudelt, über der Harmonie der Streicher.
Das Ende vom Lied: Die Forelle zappelt an der Rute – aber lebendig wie eh und je. Als Zugabe singt Alexandra Steiner das Lied noch einmal und dazu spielen nun auch die Streicher. Ein besonderes Arrangement zwischen Lied und Quintett für diese Schubertiade.