Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Zu Besuch im Süchtigentreff
Es wird viel über den neuen Standort des Kontaktladens für Drogensüchtige diskutiert. Doch wie ist die Lage am aktuellen Ort? Es zeigt sich vor allem ein Problem.
Das Hauptproblem im Be-Treff am Helmut-Haller-Platz wird erkennbar, sobald man durch die Tür des Drogenkontaktladens geht: Man betritt einen überfüllten Raum, die Sitzplätze sind restlos belegt, viele Menschen stehen im engen Gang. Die Fenster sind aufgrund des Wetters geschlossen, Zigarettenrauch wabert durch den Raum. Dazwischen kümmern sich die Sozialarbeiter des SKM Augsburg und der Drogenhilfe Schwaben um die Belange der Menschen – manchen Klienten helfen sie in Notlagen, andere Drogenabhängige suchen einfach jemanden zum Reden. Katrin Wimmer, Sozialarbeiterin und Leiterin des Be-Treffs, lädt zum Gespräch in den Lagerraum, alle anderen Plätze sind belegt. Zwischendurch wird hier eine Frau behandelt, sie hat eine Wunde am Bein. Für die medizinische Versorgung gibt es aber keinen geeigneten Ort.
Die Diskussion, ob der Be-Treff ins Gemeindehaus von St. Johannes nahe der Wertachbrücke verlagert werden soll oder nicht, schlägt hohe Wogen in Oberhausen. In St. Johannes hätte der Kontaktladen deutlich mehr Platz für ein verbessertes Angebot. Wimmer hat dazu eine klare Meinung: „Der aktuelle Standort ist viel zu klein: Wir haben 25 Sitzplätze, aber täglich kommen bis zu 120 Personen.“Damit könne man die Ziele des Kontaktladens nicht erreichen. „Drogenkranke Menschen wollen nicht auf dem Präsentierteller stehen, nur gibt der aktuelle Standort und das Verbot, Konsumräume in Bayern einzurichten, den Drogenabhängigen keine andere Möglichkeit.“
Dass manche Oberhauser sich erhoffen würden, dass im Zuge einer Verlagerung des Be-Treffs vom Bahnhofsvorplatz weg gleich eine Verlagerung in einen anderen Stadtteil stattfindet, hat Wimmer mitverfolgt. Für realistisch hält sie das nicht. Oberhausen sei schwerpunktmäßig zum Treffpunkt von Suchtkranken geworden, unter anderem wegen der Lage zwischen Innenstadt und Bezirkskrankenhaus. „Wir sind hier, weil hier die Drogenszene ist, und Drogenszenen
siedeln sich oft an Verkehrsknotenpunkten an“, erklärt Wimmer. Wenn man Angebote nun in irgendeinen anderen Stadtteil verpflanze, würden sie dort nicht wahrgenommen, die Szene bleibe aber in Oberhausen ohne Betreuung mit entsprechenden Folgen. Immerhin wohne ein großer Teil der Klienten hier, sagt Wimmer: „Wenn die Stadt einen neuen Kindergarten bauen will, wird auch geprüft, wo Bedarf ist und nicht, in welchem Stadtteil die wenigsten sind.“
Wimmer wirbt für den neuen Standort in St. Johannes, weil dieser ganz neue Möglichkeiten biete. Durch die größeren Räume und längeren Öffnungszeiten werde es Verbesserungen für die Klienten geben, etwa einen Liegeraum. Und es werde auch draußen weniger Probleme geben. „Dadurch wird sich die Lage im öffentlichen Raum entspannen, die negativen Aspekte der Drogensucht werden weniger sichtbar sein“, erklärt Wimmer. Auch die Sorge, dass es künftig zwei Drogen-Brennpunkte in Oberhausen mit Pendelverkehr von Süchtigen geben könnte, sieht
Wimmer gelassen. Die Leute seien ohnehin in der ganzen Stadt verteilt, durch den neuen, größeren Standort könne man jedoch besser kanalisieren. „Wir machen das nicht nur für die Klienten, sondern für die ganze Gesellschaft.“
Im Be-Treff geht es in erster Linie nicht darum, von der Abhängigkeit loszukommen: „Am wichtigsten ist, dass die Menschen überleben: Man braucht keinen Veränderungswunsch, um hierherzukommen“, sagt Wimmer. Deswegen gibt es neben Essen und Trinken auch eine Ausgabe für sterile Spritzen und Utensilien für den Konsum. Ferner kann hier Wäsche gewaschen werden, zudem gibt es für Wohnungslose die Möglichkeit, den Be-Treff als Postadresse anzugeben. „Wir suchen den Kontakt zu Menschen, die nicht in das Hilfssystem eingebunden sind“, sagt Wimmer.
Die Klientel auf dem HelmutHaller-Platz, wo auch der Be-Treff angesiedelt ist, ist höchst unterschiedlich. Teils gibt es Abhängige, die nach dem Konsum praktisch nicht mehr ansprechbar sind und deren Körper von der jahrelangen Abhängigkeit schwer gezeichnet sind. Andere kommen eher aus alter Gewohnheit an den HallerPlatz und suchen soziale Kontakte, sind aber in Behandlung mit Drogenersatzstoffen. „Für normale Menschen sind wir Müll, jedoch sind wir einfach nur aus dem Leben gefallen“, erzählt ein 56-jähriger Süchtiger, der nach eigenen Angaben einer geregelten Arbeit im sozialen Bereich nachgeht und parallel Drogen konsumiert.
„Viele Suchtkranke haben ein normales Leben, mit Arbeit und Familie, den Menschen fallen jedoch meist nur die auf, die am meisten Probleme durch ihre Erkrankung haben“, bestätigt Wimmer. Die Abhängigkeit habe sich niemand bewusst ausgesucht. „Alle wünschen sich ein geregeltes Leben mit einem festen Beruf und einer Familie.“Sie hofft auf eine sachliche Debatte in den kommenden Wochen. „Sucht ist ein gesellschaftliches Problem, wir können das nur zusammen lösen.“