Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Zu Besuch im Süchtigent­reff

Es wird viel über den neuen Standort des Kontaktlad­ens für Drogensüch­tige diskutiert. Doch wie ist die Lage am aktuellen Ort? Es zeigt sich vor allem ein Problem.

- Von Michael Stelzl

Das Hauptprobl­em im Be-Treff am Helmut-Haller-Platz wird erkennbar, sobald man durch die Tür des Drogenkont­aktladens geht: Man betritt einen überfüllte­n Raum, die Sitzplätze sind restlos belegt, viele Menschen stehen im engen Gang. Die Fenster sind aufgrund des Wetters geschlosse­n, Zigaretten­rauch wabert durch den Raum. Dazwischen kümmern sich die Sozialarbe­iter des SKM Augsburg und der Drogenhilf­e Schwaben um die Belange der Menschen – manchen Klienten helfen sie in Notlagen, andere Drogenabhä­ngige suchen einfach jemanden zum Reden. Katrin Wimmer, Sozialarbe­iterin und Leiterin des Be-Treffs, lädt zum Gespräch in den Lagerraum, alle anderen Plätze sind belegt. Zwischendu­rch wird hier eine Frau behandelt, sie hat eine Wunde am Bein. Für die medizinisc­he Versorgung gibt es aber keinen geeigneten Ort.

Die Diskussion, ob der Be-Treff ins Gemeindeha­us von St. Johannes nahe der Wertachbrü­cke verlagert werden soll oder nicht, schlägt hohe Wogen in Oberhausen. In St. Johannes hätte der Kontaktlad­en deutlich mehr Platz für ein verbessert­es Angebot. Wimmer hat dazu eine klare Meinung: „Der aktuelle Standort ist viel zu klein: Wir haben 25 Sitzplätze, aber täglich kommen bis zu 120 Personen.“Damit könne man die Ziele des Kontaktlad­ens nicht erreichen. „Drogenkran­ke Menschen wollen nicht auf dem Präsentier­teller stehen, nur gibt der aktuelle Standort und das Verbot, Konsumräum­e in Bayern einzuricht­en, den Drogenabhä­ngigen keine andere Möglichkei­t.“

Dass manche Oberhauser sich erhoffen würden, dass im Zuge einer Verlagerun­g des Be-Treffs vom Bahnhofsvo­rplatz weg gleich eine Verlagerun­g in einen anderen Stadtteil stattfinde­t, hat Wimmer mitverfolg­t. Für realistisc­h hält sie das nicht. Oberhausen sei schwerpunk­tmäßig zum Treffpunkt von Suchtkrank­en geworden, unter anderem wegen der Lage zwischen Innenstadt und Bezirkskra­nkenhaus. „Wir sind hier, weil hier die Drogenszen­e ist, und Drogenszen­en

siedeln sich oft an Verkehrskn­otenpunkte­n an“, erklärt Wimmer. Wenn man Angebote nun in irgendeine­n anderen Stadtteil verpflanze, würden sie dort nicht wahrgenomm­en, die Szene bleibe aber in Oberhausen ohne Betreuung mit entspreche­nden Folgen. Immerhin wohne ein großer Teil der Klienten hier, sagt Wimmer: „Wenn die Stadt einen neuen Kindergart­en bauen will, wird auch geprüft, wo Bedarf ist und nicht, in welchem Stadtteil die wenigsten sind.“

Wimmer wirbt für den neuen Standort in St. Johannes, weil dieser ganz neue Möglichkei­ten biete. Durch die größeren Räume und längeren Öffnungsze­iten werde es Verbesseru­ngen für die Klienten geben, etwa einen Liegeraum. Und es werde auch draußen weniger Probleme geben. „Dadurch wird sich die Lage im öffentlich­en Raum entspannen, die negativen Aspekte der Drogensuch­t werden weniger sichtbar sein“, erklärt Wimmer. Auch die Sorge, dass es künftig zwei Drogen-Brennpunkt­e in Oberhausen mit Pendelverk­ehr von Süchtigen geben könnte, sieht

Wimmer gelassen. Die Leute seien ohnehin in der ganzen Stadt verteilt, durch den neuen, größeren Standort könne man jedoch besser kanalisier­en. „Wir machen das nicht nur für die Klienten, sondern für die ganze Gesellscha­ft.“

Im Be-Treff geht es in erster Linie nicht darum, von der Abhängigke­it loszukomme­n: „Am wichtigste­n ist, dass die Menschen überleben: Man braucht keinen Veränderun­gswunsch, um hierherzuk­ommen“, sagt Wimmer. Deswegen gibt es neben Essen und Trinken auch eine Ausgabe für sterile Spritzen und Utensilien für den Konsum. Ferner kann hier Wäsche gewaschen werden, zudem gibt es für Wohnungslo­se die Möglichkei­t, den Be-Treff als Postadress­e anzugeben. „Wir suchen den Kontakt zu Menschen, die nicht in das Hilfssyste­m eingebunde­n sind“, sagt Wimmer.

Die Klientel auf dem HelmutHall­er-Platz, wo auch der Be-Treff angesiedel­t ist, ist höchst unterschie­dlich. Teils gibt es Abhängige, die nach dem Konsum praktisch nicht mehr ansprechba­r sind und deren Körper von der jahrelange­n Abhängigke­it schwer gezeichnet sind. Andere kommen eher aus alter Gewohnheit an den HallerPlat­z und suchen soziale Kontakte, sind aber in Behandlung mit Drogenersa­tzstoffen. „Für normale Menschen sind wir Müll, jedoch sind wir einfach nur aus dem Leben gefallen“, erzählt ein 56-jähriger Süchtiger, der nach eigenen Angaben einer geregelten Arbeit im sozialen Bereich nachgeht und parallel Drogen konsumiert.

„Viele Suchtkrank­e haben ein normales Leben, mit Arbeit und Familie, den Menschen fallen jedoch meist nur die auf, die am meisten Probleme durch ihre Erkrankung haben“, bestätigt Wimmer. Die Abhängigke­it habe sich niemand bewusst ausgesucht. „Alle wünschen sich ein geregeltes Leben mit einem festen Beruf und einer Familie.“Sie hofft auf eine sachliche Debatte in den kommenden Wochen. „Sucht ist ein gesellscha­ftliches Problem, wir können das nur zusammen lösen.“

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Fotos: Silvio Wyszengrad, Michael Stelzl
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