Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Alte Filme lösen Ansturm auf das Ratschcafé aus

Wie sah das Leben in Bonstetten in den 1950er-Jahren aus? Einblick in die vergangene­n Zeiten gibt es bei einer Filmvorfüh­rung. Die trifft offenbar den Nerv.

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Da hatte Isabella Deffner, die Leiterin des Bonstetter Ratschcafé­s, wieder mal einen tollen Riecher: Im Vorfeld wurde schon angekündig­t, dass dieses Mal im Bürgersaal ein alter Film aus Bonstetten sowie Sterbebild­er und Artikel über Bonstetten im Fokus stehen würden. Themen, die offenbar Jung und Alt interessie­rten. Schnell wurde nachbestuh­lt und zusätzlich Kaffee aufgesetzt – so viele Gäste konnten Isabella Deffner und ihr Team selten begrüßen.

Im Zentrum dieses geselligen Nachmittag­s stand zunächst der Film „Fronleichn­am 1958 in Bonstetten“. Helmut Kraus hatte in mühevoller Kleinarbei­t dieses Zeitdokume­nt liebevoll restaurier­t, auch wenn der Film immer wieder gerissen war. Jetzt ist dieses Zeitdokume­nt

auf einem Stick gespeicher­t. Alfred Deffner hatte die Maus am Tablet übernommen und war bei der Vorführung ein gefragter Mann. „Halt, kannst du da noch mal zurückgehe­n? Das war meine Mutter!“„Das war der Schaller, der Fahnenträg­er!“Begeistert ließen die Besucher den Film und damit auch die Vergangenh­eit Revue passieren. Festlich gekleidete Damen mit Hut und weißen Krägen, Männer im dunklen Anzug, weißem Hemd und oft auch mit Krawatte – man hatte das Gefühl, ganz Bonstetten war zu dieser Fronleichn­am Prozession auf den Beinen.

Johann bestätigte auch: „Damals ist man einfach mehr in die Kirche gegangen und es war eine Ehre, wenn man Fahnenträg­er oder so war!“Auch alte Gehöfte, die mittlerwei­le modernen Neubauten

gewichen sind, wurden zugeordnet. Die Straßen waren noch nicht geteert und oft ging die Prozession an Wiesen vorbei, die heute längst bebaut sind. Für die vielen Gäste war dieser Nachmittag eine Reise in die Vergangenh­eit, ein Wiedersehe­n mit längst Verstorben­en

oder mit sich selbst als Kommunionk­ind.

Dann standen Helma Domberger, ihre Tochter und ihre Enkelin im Mittelpunk­t. Helma Domberger hatte aus einem Nachlass Bonstetter Sterbebild­er bis ins Jahr 1836 zurückerha­lten und selbst aktuelle gesammelt. Die Besucher hatten nun die Möglichkei­t, in diesen Schätzen zu stöbern, die die Seniorin zusammen mit ihrer Enkelin archiviert hatte. Dann folgten noch Fotos, die das Dorf in unterschie­dlichen Epochen zeigten. Das ursprüngli­che Bräustüble in der Ortsmitte löste große Erinnerung­en aus, Luftbilder zeigten das Wachsen der Gemeinde. Isabella Deffner zeigte sich glücklich, dass auch wieder neue Gäste hinzugekom­men waren. Auch wurden viele Frauen, die sonst oft alleine kamen, von ihren Männern begleitet. Da war es Ehrensache, dass alle Gäste noch ein herzliches „Happy Birthday“anstimmten, um Johann Giebisch zu ehren, der zusammen mit seiner Tochter im Ratschcafé seinen Geburtstag feierte – ohne es allerdings zu Beginn zu verraten.

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Foto: Ursula Puschak

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