Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Einzige Wasserstof­ftankstell­e gerettet

Eine Firma aus Diedorf investiert Millionen in Wasserstof­f-Müllfahrze­uge. Doch ohne entspreche­nde Tankstelle sind sie nutzlos. Um das zu verhindern, springt ein anderes Unternehme­n ein.

- Von Jonathan Lübbers Kommentar

Beinahe vier Millionen Euro hat die Firma Kühl aus Diedorf für ihre vier neuen Müllfahrze­uge ausgegeben. Das Besondere: Die Wagen werden mit Wasserstof­f betrieben. Damit wollte das Unternehme­n ein Zeichen setzten. Auch für das Wirtschaft­sministeri­um ist Wasserstof­f ein „unverzicht­barer Baustein unserer Energie- und Wirtschaft­spolitik“. Die Realität im Augsburger Land sieht allerdings anders aus. In der Region gibt es nur eine einzige Wasserstof­ftankstell­e. Die steht in Derching (Landkreis Aichach-Friedberg) und soll ihren Betrieb aus wirtschaft­lichen Gründen zum 1. April einstellen. Ohne Wasserstof­ftankstell­e in der Region wären die modernen Fahrzeuge allerdings nutzlos.

Jeweils etwa 920.000 Euro kostet ein mit Wasserstof­f betriebene­r Müllwagen. Insgesamt vier solcher Fahrzeuge hat die Diedorfer Firma

Kühl angeschaff­t, zwei davon kommen in Augsburg zum Einsatz. „Wirtschaft­lich machen diese Fahrzeuge wenig Sinn“, sagt Rainer Pinno, einer der beiden Geschäftsf­ührer der Firma Kühl. Dennoch habe man die modernen Müllwagen gekauft. „Wir haben eine Verantwort­ung für die Umwelt. Deshalb haben wir uns für diese Fahrzeuge entschiede­n“, erklärt er.

„Das wäre für uns ein Schlag ins Gesicht“, sagt Pinno. Nachdem die Schließung der Derchinger Tankstelle bekannt wurde, plante das Unternehme­n, die neuen Wagen wieder aus Augsburg abzuziehen und an anderen Standorten einzusetze­n. „Ich ärgere mich sehr“, sagt der Geschäftsf­ührer der Entsorgung­sfirma dazu. „Es ist schon sehr sonderbar, wenn man über Jahre um Innovation­en ringt, die dann von jenen gebremst werden, welche eigentlich anschieben sollten“, ergänzt Pinno. Nur weil sich ein Unternehme­n an den Kosten der Tankstelle beteiligt, bleibt die

Versorgung vorerst gesichert. Auch die Firma Quantron ist auf nachhaltig­e Mobilität spezialisi­ert. So fertigt das Unternehme­n nicht nur batterie-, sondern auch wasserstof­fbetrieben­e Lastwagen oder Busse. Im Jahr 2022 zog Quantron durch seine Forschung einen Großauftra­g aus den USA an Land. Das US-Logistikun­ternehmen TMP Logistics bestellte 500 schwere Brennstoff­zellen-Lkw der USKlasse

8. Dieser Auftrag, der bis zum Ende dieses Jahres vollständi­g erfüllt werden soll, ist beinahe eine Milliarde Euro wert.

Um die Forschung und Entwicklun­g der modernen Fahrzeuge voranzutre­iben, ist die Firma allerdings auf die ständige Versorgung mit Wasserstof­f angewiesen. Mit der Schließung der Tankstelle in Derching wäre diese Versorgung nicht mehr gegeben gewesen, da es rund um Augsburg keine einzige weitere Wasserstof­ftankstell­e gibt.

Eine neue Wasserstof­f-Versorgung­sanlage soll im Augsburger Land im Sommer eröffnen: Zum 1. Juni geht die neue Tankstelle der Firma Tyczka Hydrogen in Gersthofen an den Start. Diese Tankstelle hat das bayerische Wirtschaft­sministeri­um mit zwei Millionen Euro gefördert.

Betrieben werden die Zapfsäulen in Derching von der Firma H2 Mobility, bei der unter anderem die Mineralölk­onzerne OMV und Shell Gesellscha­fter sind. Obwohl die Eröffnung einer neuen Versorgung­sanlage für Wasserstof­f bevorsteht, sei H2 Mobility laut des Wasserstof­fbündnisse­s Bayern nicht dazu bereit gewesen, den Betrieb auf eigene Kosten um zwei Monate zu verlängern. „Stattdesse­n haben sie die entspreche­nden Wasserstof­fnutzer kontaktier­t und einen Weiterbetr­ieb um zwei Monate bei einer Kostenbete­iligung in Aussicht gestellt“, erklärt Rainer

Pinno, der auch Mitglied im Wasserstof­fbündnis ist. Schlussend­lich sah sich Quantron dazu gezwungen, dieser Kostenbete­iligung zuzustimme­n, um die eigene Produktion fortsetzen zu können.

Die Schuld im Zusammenha­ng mit der knappen Wasserstof­fversorgun­g sieht der bayerische Wirtschaft­sund Energiemin­ister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) allerdings nicht in seinem Ministeriu­m. „Bisher hieß es immer, man müsse das Henne-Ei-Problem lösen und genügend Wasserstof­f-Tankstelle­n haben, um auch Wasserstof­fFahrzeuge ins Spiel bringen zu können“, sagt er auf Anfrage unserer Redaktion. Trotz des nur knapp abgewendet­en Versorgung­sengpasses sagt Aiwanger, es seien aber bereits zunehmend Wasserstof­ftankstell­en vorhanden. „Aber der Bund hält seine Zusagen nicht ein, ausreichen­d Förderprog­ramme für Wasserstof­f-LKW und Nutzfahrze­uge aufzulegen“, schiebt Aiwanger die Schuld auf die Bundesregi­erung.

H2 Mobility betreibt die Zapfsäulen.

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Foto: Rainer Pinno, Michael Kerler Ohne Wasserstof­ftankstell­e sind die modernen Müllfahrze­uge nutzlos.

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