Augsburger Allgemeine (Land West)
Auf dem Weg zu ganz normalen Jugendlichen
Migranten In Stadtbergen ist ein einzigartiges Flüchtlingsprojekt gestartet. Es geht um die Integration von jungen Erwachsenen. Der Stadtberger Pfarrer Konrad Huber zeigt Herz mit einer symbolträchtigen Geste
Stadtbergen Das Zimmer des Jungen bietet einen vertrauten Anblick: Über dem vermeintlich gemachten Bett ist eine Flagge des FC Barcelona aufgespannt, auf dem Tisch liegt eine amerikanische Batman-Schildmütze, daneben ein Schulbuch mit einem Kunstmotiv von Marc Chagall. Doch bis vor Kurzem waren dem jungen Mann diese Dinge noch völlig unbekannt: Fahd ist vor einigen Monaten aus dem Irak geflohen und hat mittlerweile mit 28 anderen Asylbewerbern im ehemaligen Stadtberger Parkhotel ein neues Zuhause gefunden.
Nach einer hindernisreichen Vorbereitungsphase wurde dort nun von der Kolping-Akademie ein einzigartiges Integrationsprojekt vorgestellt, welches Anfang August starten konnte. Einzigartig deshalb, weil hier erstmalig Minderjährige wie auch junge Erwachsene in zwei unterschiedlichen Betreuungsgruppen pädagogisch begleitet werden. Einzigartig aber auch deshalb, weil der Landkreis und die Stadt Augsburg in ganz neuer Weise zusammenarbeiten und die Jugendämter beider Gebietskörperschaften als wertvolle Projektpartner gewonnen werden konnten.
Das Ziel des Konzepts: Die jungen Menschen einer sorgfältigen Potenzialanalyse zu unterziehen und sie dann individuell zu betreuen, um am Ende eine berufliche wie auch sozial geprägte Selbstständigkeit zu erreichen. Als die Jugendlichen hier eingetroffen waren, hätten sie noch keinerlei Orientierung gehabt, wie Michael Krause, der Leiter dieses betreuten Wohnkonzeptes, erläuterte: „Insbesondere die SchlepperFlüchtlinge haben ausnahmslos den Berufswunsch Kfz-Mechaniker angegeben.“Vermutlich war ihnen dies als Standardantwort vorgegeben worden, doch in der Tat habe keiner der unbegleiteten Neuankömmlinge von der Vielfältigkeit der deutschen Berufslandschaft gewusst. Durch die unermüdliche Arbeit des Kolpingwerkes sprechen viele der Flüchtlinge inzwischen relativ gut deutsch und haben individuelle Zukunftsvorstellungen entwickelt. So möchte einer gerne Bäcker werden, ein anderer sogar in der Kindererziehung Fuß fassen. Ein dritter fängt gerade eine Ausbildung als Lackierer an.
Alle müssen sich an feste Regeln halten
Als schließlich die ersten Besucher des Infotages eintrafen, war Fahd mit seinen Mitbewohnern noch in der Küche beschäftigt: Es sollte ein internationales Büfett geben – kulturelle Verständigung durch kulinarische Vielfältigkeit. Der Flüchtlingsbeauftragte des Kolpingwerks, Frank Jelitto, verschließt jedoch auch nicht die Augen vor den Herausforderungen, mit denen alle Beteiligten nun konfrontiert sein werden: „Es ist mühselig, zu den Sternen zu gelangen“, sagte er und sprach damit alle Beteiligten gleichermaßen an, „aber wir wünschen euch viel Hartnäckigkeit!“Die Leiterin des Jugendamts im Landkreis Augsburg, Christine Hagen, zeigte sich ebenfalls begeistert von diesem Projekt, betonte aber auch deutlich, dass Engagement immer von beiden Richtungen kommen müsse: „Fördern ist das eine, Fordern ist das andere. Wir verlangen Mitarbeit, Motivation und die Befolgung von Regeln.“Regeln befolgen die Stadtberger Flüchtlinge durchaus pflichtbewusst. So hängt in Fahds Wohnetage ein ganzer Stichwortkatalog an Richtlinien aus – alphabetisch geordnet von „Alkohol“bis „Waschen“.
Doch an diesem Infotag stand erst einmal die Willkommenskultur im Vordergrund, hatten die Bewohner doch leckere Spezialitäten aus Afghanistan, Irak und Eritrea vorbereitet. Besonders gut kam Lahma Batschi an, ein knuspriger Lammfleischfladen aus Syrien. Neben mehreren Landtagsabgeordneten gratulierte schließlich auch der bayerische Staatssekretär Johannes Hintersberger zu diesem innovativen Projekt und war besonders von der engen Verzahnung von Stadt und Land angetan.
Doch am Ende wollte dann niemand der Erste sein, der öffentlich auf das neue Konzept anstoßen sollte. Bis sich schließlich ein mutiger Mann aus der Menge löste und sich souverän ein Gläschen Sekt vom Büfetttisch holte – es war Stadtbergens Pfarrer Konrad Huber. Vielleicht nur eine spontane Geste, die für Heiterkeit sorgte, vielleicht aber auch ein schönes Symbol dafür, dass die neuen Mitbewohner auch im Herzen der katholischen Kirche angekommen waren.