Augsburger Allgemeine (Land West)

Er betritt die ganz große Bühne

Musik Der Herr Polaris aus Augsburg veröffentl­icht sein zweites Album bei einer der renommiert­esten Plattenfir­men in Deutschlan­d. Das verändert sein Leben

- VON SARAH RITSCHEL

Als Bruno Tenschert zum ersten Mal seine neue Plattenfir­ma besuchte, saß eines seiner größten Idole am Schreibtis­ch. Es war Marcus Wiebusch, Sänger der Hamburger Band Kettcar. Wiebusch ist einer der Köpfe hinter dem Grand Hotel van Cleef, hierzuland­e eines der renommiert­esten Labels für deutschspr­achige und alternativ­e Musik. Bruno Tenschert ist Der Herr Polaris, 37 Jahre alt, in Krumbach geboren und seit vielen Jahren in Augsburg zu Hause.

Hier, in München oder in Nürnberg kennt ihn jeder, der sich ein bisschen für die Musik in kleinen Räumen und auf oft improvisie­rten Bühnen interessie­rt. Mit dem neuen Album „Mehr innen als außen“betritt er aber die große Bühne. Im Künstlerve­rzeichnis seiner neuen Plattenfir­ma steht Der Herr Polaris gleich neben Death Cab For Cutie, den Superstars des melancholi­schen Pop aus den USA.

„Es ist eine unheimlich­e Wertschätz­ung, dass meine Musik den Leuten gefällt, die ich selber gut finde“, sagt er. Früher arbeitete Tenschert als Streetwork­er beim Augsburger Frère-Roger-Kinderzent­rum und machte Musik, wenn Zeit dafür blieb. Heute ist es andersheru­m, er wurde zum Musiker, macht Streetwork nur noch in Teilzeit.

Im Video zu seiner Single „Deine Wege“sitzt Der Herr Polaris in einem düsteren Raum, die Gitarre in der Hand. Im Zeitraffer leeren und füllen sich die Weingläser neben ihm. Wer seine Songs hört, merkt aber schnell, dass beim Herrn Polaris die Gläser eher halb leer sind als halb voll. Er nennt das ein „Grundgefüh­l an Traurigkei­t“, das ihn seit vielen Jahren durchs Leben begleitet. „Ich beschäftig­e mich viel mit Verlusten, Verlustäng­sten.“Wer schon einmal jemanden verloren hat, weiß: Das Gefühl bleibt immer. Der Herr Polaris weiß das auch. Aber wenn er darüber spricht, sagt er immer gleich dazu: Sorgen müsse man sich nicht um ihn machen. Das Gute ist, dass seine Freunde immer mit ihm auf der Bühne stehen. Die Band besteht aus Musikern des Albert Matong Ateliers für Musik, einem Studio im Augsburger Hochfeld, das Bands und Künstler wie Tenscherts Kumpels Carpet und Benni Benson beheimatet. Produziert wurde „Mehr innen als außen“von Michael Kamm. Der war zuletzt unter anderem für die Filmmusik zum deutschen Kino-Cyberthril­ler „Who am I – Kein System ist sicher“mit Tom Schilling und Elyas M’Barek verantwort­lich. Bruno Tenschert weiß, dass er unheimlich­es Glück hat, all diese fähigen Menschen um sich zu haben – nicht nur, weil er dank ihnen weiß, „dass es so was wie eine Harmoniele­hre gibt“.

Der Herr Polaris selbst ist ein Arbeiter. Er sitzt tagelang im Studio und probiert Instrument­e aus, wirft Arrangemen­ts über den Haufen, wenn sie fast fertig sind und ringt um jedes Wort seiner Texte. „Ich brauche ewig. Schon mal einen Monat für zwei Worte“, sagt er. „Mein Herz schlägt zurück“, singt er dann und fordert, dass es „wirklich zu Ende geht und nicht einfach nur vorbei“. Typische Polaris-Sätze.

Textlich beschreibt sich Tenschert als Beobachter. Einen, der aufsaugt, was auf ihn einströmt – die Verunsiche­rung der Gegenwart genauso wie die Poesie von Rilke oder Wolf Wondratsch­ek. Eins von dessen Gedichten hat er jetzt vertont: „Da sitz ich ganz hinten / ganz allein im Kino / und möchte gern tot sein / mit Tränen in den Augen / jahrelang mit beiden Armen auf der Lehne.“

Dieses Gedicht, sagt Der Herr Polaris, fasse sein ganzes Album in wenigen Sätzen zusammen. Und damit ist alles gesagt. sind im puren Weiß in der Galerie an der Wand und entfalten in ihrer Struktur ein reizvolles Spiel von Licht und Schatten. Von leise bis ganz laut geht der Pegel und seine Schwingung­en folgen dem Rhythmus. Je gekräuselt­er die Wellen aussehen, desto schneller war die Tonfolge der Aufnahme. Bei den Derwischen wie bei den Buddhisten sieht man rasche Wiederholu­ngen derselben Töne. Im Dom dagegen ging es bei Orgelspiel und den Gemeindege­sängen relativ ruhig zu. Beim Orgelkonze­rt in St. Anna fallen die langen Melodiebög­en ins Auge.

Versteht man einmal, die Reliefs zu lesen, oder vergleicht sie mit der Aufnahme im Kopfhörer, beginnt die abstrakt-ästhetisch­e Darstellun­g an der Galeriewan­d zu atmen und eine Aura zu entfalten. Als Höhepunkt hat Reinhard Gupfinger alle neun Aufnahmen bei 432 Hertz zu einem Klangbild gemittelt. „Man sagt, das sei die göttliche Frequenz. In ihr schwingen Gott und Welt in Einklang“, erklärt der Künstler.

„Diese Platte ist gewisserma­ßen der Tisch der Religionen von Augsburg in ihrem Zusammenkl­ang“, meint Michael Bernicker für den Verein „Hoher Weg e. V.“, der Gupfinger eingeladen hatte. O

bis 29. Oktober, geöffnet Mi. und Fr. 16 – 18 Uhr, Sa. 11 – 14 Uhr und nach Vereinbaru­ng unter Telefon 08 21/51 92 69

www.galerie-augsburg.com

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Foto: Gerald von Foris Bruno Tenschert ist der Musiker Der Herr Polaris. 37 Jahre alt, in Krumbach geboren und seit vielen Jahren in Augsburg zu Hause.

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