Augsburger Allgemeine (Land West)
Interview
„Frau Merkel ist eine tragische Figur“
Eine Frau regiert Deutschland. Wegen ihrer Flüchtlingspolitik steht Angela Merkel (CDU) teils unter Beschuss, speziell beim Koalitionspartner CSU. Frau Gabler, wie beurteilen Sie als Bezirksvorsitzende der Frauen-Union das Agieren der Kanzlerin?
Astrid Gabler: Die politische Entscheidung von Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik hat unsere Gesellschaft innerhalb des vergangenen Jahres ein Stück weit gespalten. Sie hat damit etwas ausgelöst, was sie sicherlich nie bezwecken wollte. Insofern ist sie für mich eine tragische Figur. Ich bin mir jedoch sicher, dass ihr Handeln aus einer tiefen christlichen Haltung heraus entspringt.
Ist Merkel ein Vorbild für Frauen, die sich in der Politik engagieren?
Astrid Gabler: Letztlich muss das natürlich jede Frau für sich entscheiden. Als Merkel anfing, hatte sie kaum Vorbilder, von denen sie sich etwas hätte abschauen können. Insofern ist sie ein Meilenstein für weibliche Politik. Besonders, wenn man betrachtet, welches Pensum sie seit Jahren effizient absolviert und wie sie ohne Allüren die mächtigste Frau der Welt ist.
Warum sind Sie in der CSU aktiv?
Astrid Gabler: Politisiert wurde ich durch ganz konkrete Erfahrungen: Beispielsweise durch die Einführung des Elterngelds und den Ausbau der Kinderbetreuung, den die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen angestoßen hat, nachdem zuvor die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein reines Privatvergnügen war. Damals war ich Vorsitzende einer Elterninitiative. Wir haben von der Stadtregierung unter Oberbürgermeister Kurt Gribl gute Unterstützung erhalten. Somit ist es für mich immer eine Mischung aus Themen und Personen, warum ich mich engagiere.
Bei Ihrer Stadtratskandidatur 2014 sind Sie knapp gescheitert. Sie sind nach wie vor erste Nachrückerin in der CSU. Würde Sie die Stadtratstätigkeit reizen?
Astrid Gabler: Zunächst ist die Tatsache, dass ich immer noch erste Nachrückerin bin, positiv zu bewerten. Denn das bedeutet, Augsburg hat einen starken OB und eine stabile Stadtregierung. Und außerdem war mir in den letzten zwei Jahren nicht langweilig. (lacht) Aber ja, natürlich würde es mich nach wie vor reizen, als Stadträtin die Politik in Augsburg mitzugestalten. Was ist der Reiz, an der Spitze der CSU-Frauen in Augsburg zu stehen?
Astrid Gabler: Mich treibt zum Beispiel um, dass Armut oft weiblich ist – ob als Alleinerziehende oder im Alter mit einer kleinen Rente. Gemeinsam mit ein paar sehr engagierten CSU-Frauen auf Landesebene kämpfen wir erfolgreich für eine gerechtere Mütterrente oder wir haben die Nachbesserung des Unterhaltsrechts erreicht, da Frauen plötzlich zu Bittstellern wurden, obwohl sie zuvor beruflich zurückgetreten sind, um sich um die Familie zu kümmern. Besondere Herausforderung für mich aktuell ist, die heterogenen Interessen der Frauen in einer Großstadt wie Augsburg in konkrete Projekte umzusetzen.
Wo sehen Sie die Schwerpunkte dieser Tätigkeit?
Astrid Gabler: Die Frauen-Union (FU) in Augsburg befindet sich derzeit in einer Phase des Generationswechsels. Es kommen neue Mitglieder und andere langjährige Mitglieder wollen Platz machen für jüngere Frauen und ihre Interessen. Es gab eine Zeit, da wurden neben der politischen Arbeit und den Debatten viele Feste in der FU gefeiert und die Frauen unternahmen Bildungs- reisen. Das war sicher toll – ich stelle heutzutage jedoch fest, dass die Frauen, die sich engagieren wollen, ihre wenig verfügbare Zeit sehr gezielt und effektiv einsetzen wollen. Das heißt, sie wollen ihre konkreten Anliegen umgesetzt wissen und gemeinsam Ergebnisse zu ihren Interessen erreichen.
Warum muss es eine Frauen-Union geben?
Astrid Gabler: Das ist eine beliebte Frage. Die FU entstand, da Politik lange männerdominiert war und so die Interessen von Frauen hinten anstanden. Das hat sich mittlerweile sicher verändert und es ist weniger ein Gegeneinander, sondern ein Miteinander. Die FU ist auf kommunaler Ebene und auf Landesebene ein starkes Netzwerk für Frauen und erfüllt ihre Aufgabe, auf Missstände hinzuweisen. Und gemeinsam ist man eben doch stärker.
Feiert die CSU in 40 Jahren dann das 100-Jährige der Frauen-Union?
Astrid Gabler: Natürlich kann man mit einem gewissen Schmunzeln sagen, dass wir uns mit unseren Forderungen letztlich langfristig überflüssig machen. Aber wenn man bedenkt, dass bis 1962 Frauen ohne die Zustimmung des Mannes kein Bankkonto eröffnen konnten und erst 1977 das Gesetz abgeschafft worden ist, dass eine Frau nur arbeiten durfte, wenn ihr Mann zustimmt, dann bin ich fast neugierig, über was die Generation meiner Töchter lächelt, wenn sie unsere heutigen Forderungen betrachtet.
Astrid Gabler, 45, führt seit Frühjahr 2015 die Augsburger CSU-Frauen. Die Mutter dreier Töchter arbeitet in der Fuggerei.