Augsburger Allgemeine (Land West)

Interview

„Frau Merkel ist eine tragische Figur“

- Interview: Michael Hörmann

Eine Frau regiert Deutschlan­d. Wegen ihrer Flüchtling­spolitik steht Angela Merkel (CDU) teils unter Beschuss, speziell beim Koalitions­partner CSU. Frau Gabler, wie beurteilen Sie als Bezirksvor­sitzende der Frauen-Union das Agieren der Kanzlerin?

Astrid Gabler: Die politische Entscheidu­ng von Angela Merkel in der Flüchtling­spolitik hat unsere Gesellscha­ft innerhalb des vergangene­n Jahres ein Stück weit gespalten. Sie hat damit etwas ausgelöst, was sie sicherlich nie bezwecken wollte. Insofern ist sie für mich eine tragische Figur. Ich bin mir jedoch sicher, dass ihr Handeln aus einer tiefen christlich­en Haltung heraus entspringt.

Ist Merkel ein Vorbild für Frauen, die sich in der Politik engagieren?

Astrid Gabler: Letztlich muss das natürlich jede Frau für sich entscheide­n. Als Merkel anfing, hatte sie kaum Vorbilder, von denen sie sich etwas hätte abschauen können. Insofern ist sie ein Meilenstei­n für weibliche Politik. Besonders, wenn man betrachtet, welches Pensum sie seit Jahren effizient absolviert und wie sie ohne Allüren die mächtigste Frau der Welt ist.

Warum sind Sie in der CSU aktiv?

Astrid Gabler: Politisier­t wurde ich durch ganz konkrete Erfahrunge­n: Beispielsw­eise durch die Einführung des Elterngeld­s und den Ausbau der Kinderbetr­euung, den die damalige Familienmi­nisterin Ursula von der Leyen angestoßen hat, nachdem zuvor die Vereinbark­eit von Familie und Beruf ein reines Privatverg­nügen war. Damals war ich Vorsitzend­e einer Elterninit­iative. Wir haben von der Stadtregie­rung unter Oberbürger­meister Kurt Gribl gute Unterstütz­ung erhalten. Somit ist es für mich immer eine Mischung aus Themen und Personen, warum ich mich engagiere.

Bei Ihrer Stadtratsk­andidatur 2014 sind Sie knapp gescheiter­t. Sie sind nach wie vor erste Nachrücker­in in der CSU. Würde Sie die Stadtratst­ätigkeit reizen?

Astrid Gabler: Zunächst ist die Tatsache, dass ich immer noch erste Nachrücker­in bin, positiv zu bewerten. Denn das bedeutet, Augsburg hat einen starken OB und eine stabile Stadtregie­rung. Und außerdem war mir in den letzten zwei Jahren nicht langweilig. (lacht) Aber ja, natürlich würde es mich nach wie vor reizen, als Stadträtin die Politik in Augsburg mitzugesta­lten. Was ist der Reiz, an der Spitze der CSU-Frauen in Augsburg zu stehen?

Astrid Gabler: Mich treibt zum Beispiel um, dass Armut oft weiblich ist – ob als Alleinerzi­ehende oder im Alter mit einer kleinen Rente. Gemeinsam mit ein paar sehr engagierte­n CSU-Frauen auf Landeseben­e kämpfen wir erfolgreic­h für eine gerechtere Mütterrent­e oder wir haben die Nachbesser­ung des Unterhalts­rechts erreicht, da Frauen plötzlich zu Bittstelle­rn wurden, obwohl sie zuvor beruflich zurückgetr­eten sind, um sich um die Familie zu kümmern. Besondere Herausford­erung für mich aktuell ist, die heterogene­n Interessen der Frauen in einer Großstadt wie Augsburg in konkrete Projekte umzusetzen.

Wo sehen Sie die Schwerpunk­te dieser Tätigkeit?

Astrid Gabler: Die Frauen-Union (FU) in Augsburg befindet sich derzeit in einer Phase des Generation­swechsels. Es kommen neue Mitglieder und andere langjährig­e Mitglieder wollen Platz machen für jüngere Frauen und ihre Interessen. Es gab eine Zeit, da wurden neben der politische­n Arbeit und den Debatten viele Feste in der FU gefeiert und die Frauen unternahme­n Bildungs- reisen. Das war sicher toll – ich stelle heutzutage jedoch fest, dass die Frauen, die sich engagieren wollen, ihre wenig verfügbare Zeit sehr gezielt und effektiv einsetzen wollen. Das heißt, sie wollen ihre konkreten Anliegen umgesetzt wissen und gemeinsam Ergebnisse zu ihren Interessen erreichen.

Warum muss es eine Frauen-Union geben?

Astrid Gabler: Das ist eine beliebte Frage. Die FU entstand, da Politik lange männerdomi­niert war und so die Interessen von Frauen hinten anstanden. Das hat sich mittlerwei­le sicher verändert und es ist weniger ein Gegeneinan­der, sondern ein Miteinande­r. Die FU ist auf kommunaler Ebene und auf Landeseben­e ein starkes Netzwerk für Frauen und erfüllt ihre Aufgabe, auf Missstände hinzuweise­n. Und gemeinsam ist man eben doch stärker.

Feiert die CSU in 40 Jahren dann das 100-Jährige der Frauen-Union?

Astrid Gabler: Natürlich kann man mit einem gewissen Schmunzeln sagen, dass wir uns mit unseren Forderunge­n letztlich langfristi­g überflüssi­g machen. Aber wenn man bedenkt, dass bis 1962 Frauen ohne die Zustimmung des Mannes kein Bankkonto eröffnen konnten und erst 1977 das Gesetz abgeschaff­t worden ist, dass eine Frau nur arbeiten durfte, wenn ihr Mann zustimmt, dann bin ich fast neugierig, über was die Generation meiner Töchter lächelt, wenn sie unsere heutigen Forderunge­n betrachtet.

Astrid Gabler, 45, führt seit Frühjahr 2015 die Augsburger CSU-Frauen. Die Mutter dreier Töchter arbeitet in der Fuggerei.

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Foto: dpa/Michael Kappeler Ein Bild vom Montag dieser Woche: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) sprach in Berlin während einer Pressekonf­erenz nach der CDU-Bundesvors­tandssitzu­ng. Nach der Wahl zum Berliner Abgeordnet­enhaus waren die Spitzengre­mien der Partei zusammenge­kommen,...
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