Augsburger Allgemeine (Land West)
Tief verwurzelte Gefühlswelt
Konzert Im Gedenken an Harry Christian zeigt das Streichquintett eine außergewöhnliche musikalische Leistung in mitreißendem Tempo
Wenn der Rathaussaal in Dinkelscherben nicht mehr ausreicht, um die vielen Anfragen nach Karten erfüllen zu können und man in den Pfarrsaal ausweicht, dann muss es sich um ein besonderes Konzert handeln. Dass dem so ist, bewies das Gedenkkonzert an Harry Christian, das ihm seine musikalischen Begleiter Ludwig Hornung (Violine), Hartmut Tröndle (Violoncello), Ludwig Schmalhofer (Viola), Maximilian Hornung (Violoncello) sowie seine Tochter Sarah Christian (Violine), widmeten.
Harry Christian war musikalisch vielseitig engagiert, unter anderem als Mitglied des Augsburger Streichquartetts und als Lehrer an der ehemaligen Musikschule in Dinkelscherben. Sarah Christian gehört, ebenso wie Maximilian Hornung, zu den großen jungen Nachwuchstalenten. Sie hat national wie international viele Preise gewonnen und ist derzeit Konzertmeisterin der Deutschen Kammerphilharmonie in Bremen. Maximilian Hornung, der im Bereich der klassischen Musikszene zu den international bedeutenden Cellisten zählt, hat neben vielen anderen Preisen 2011 den Echo-Klassik-Preis als „Nachwuchskünstler des Jahres“erhalten und ist derzeit weltweit auf Konzerttournee.
Ludwig Hornung berichtete zu Beginn kurz über die gemeinsame Zeit mit Harry Christian, den er seit seiner Studienzeit kannte und ihn nicht nur als Kollegen, sondern auch als Mensch sehr geschätzt habe.
Sarah Christian und Maximilian Hornung eröffneten mit Zoltán Kodály’s „Duo für Violine und Violoncello“das Konzert. Kodály war Professor an der Hochschule für Musik in Budapest, arbeitete eng mit Béla Bartók zusammen und hat sich intensiv mit der ungarischen Volksmusik auseinandergesetzt. Das wird auch in der Komposition seines Duos sehr deutlich. Die Violine intoniert im ersten Satz das Hauptthema und wird dabei von feinen Pizzicato-Rhythmen des Cellos begleitet. In einem Art Rollentausch findet ein lebhafter Dialog zwischen beiden Instrumenten statt, der sowohl von Sarah Christian als auch von Maximilian Hornung technisch brillant vorgetragen wird.
Der zweite Satz ist sowohl von hohem mitreißendem Tempo, bewegtem Cello-Tremolo, als auch von lyrischen Geigenseufzern, in denen sich eine tief verwurzelte Gefühlswelt widerspiegelt, bestimmt. Auch hier zeigt sich erneut die internationale Klasse der beiden Interpreten, die es verstehen, diese Gefühlswelt durch die ausgereifte technische Beherrschung ihrer Instrumente zum Ausdruck zu bringen.
Im dritten Satz fordert eine Solokadenz der Violine , in der unschwer Elemente der Zigeunerfolklore zu erkennen sind, zum Tanz auf und eine wilde Turbulenz führt zum Finale hin. Mit Bravorufen und großem Beifall bedankte sich das Publikum für diese virtuose Leistung der jungen Nachwuchskünstler.
Spannungsbogen überträgt sich auf das Publikum
Ludwig Hornung hat zum Gedenkkonzert ganz bewusst das Quintett für zwei Violinen, Viola und zwei Violoncelli von Franz Schubert ausgesucht, da es das letzte Stück war, das er gemeinsam mit Harry Christian gespielt hatte. Zudem besteht mit diesem Stück auch eine weitere Affinität, denn Schubert hat dieses Quintett wenige Monate vor seinem Tod komponiert.
Tiefe romantische Sehnsucht kommt vor allem im zweiten Thema der Celli zum Ausdruck. Den Musikern gelingt ein wahrhaft beispielloser Quintettklang, bestehend aus Staccatofiguren und rhythmischen Impulsen, was sich unmittelbar auf das Publikum überträgt und einen deutlich spürbaren Spannungsbogen aufbaut. Emotionale Gegensätze haben deutliche Auswirkungen auf Klang und Dynamik zur Folge und reichen vom dreifachen Piano bis hin zum Fortissimo. Es ist unverständlich, dass dieses ungewöhnliche Werk Schuberts von seinen Verlegern nicht akzeptiert wurde. Umso mehr bedankte sich dafür das Publikum für diese ausgezeichnete musikalische Leistung aller beteiligten dieses Konzertes mit nicht enden wollendem Beifall.