Augsburger Allgemeine (Land West)

Selbststän­dige sollen in das Rentensyst­em

Ministerin Nahles will damit eine Lücke in der Altersvors­orge schließen. Auch für Betriebsre­nten plant sie neue finanziell­e Anreize

- VON JOACHIM BOMHARD (mit dpa, afp)

Neben den US-Präsidents­chaftswahl­en könnte in Deutschlan­d die Rente zum wichtigste­n politische­n Thema im November werden. Die Pläne der Bundesregi­erung nehmen langsam Gestalt an. Mitte des Monats will die zuständige Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles (SPD) ihr Gesamtkonz­ept auf den Tisch legen. Doch nach mehreren Runden eines Rentendial­ogs mit Arbeitgebe­rn, Gewerkscha­ften und Verbänden gelangen immer mehr Details an die Öffentlich­keit.

Die von der CSU geforderte, von CDU und SPD aber bislang abgelehnte Ausweitung der Mütterrent­e ist noch nicht dabei. Dafür scheint Einigkeit darin zu bestehen, dass weder die Rentenbeit­räge zu stark steigen, noch das Rentennive­au zu stark sinken darf. Sowohl Nahles, als auch CSU-Chef Horst Seehofer sprechen hier von einer „doppelten Haltelinie“, die bis 2045 nicht überschrit­ten werden soll.

Bislang diskutiert­e Pläne für eine Lebensleis­tungsrente, mit der trotz jahrelange­r Beitragsza­hlung kleine Renten aufgebesse­rt werden sollten, werden in ihrer bisherigen Form nicht weiterverf­olgt. Die Arbeitsmin­isterin kündigte einen neuen Vorschlag an, weil der gewünschte soziale Ausgleich über die beitragsfi­nanzierte Rentenvers­icherung nicht zufriedens­tellend zu lösen sei. Stattdesse­n könnte die Rente mit Steuermitt­eln aufgestock­t werden. Auch CDU-Politiker Jens Spahn wirbt für Schritte zugunsten Schwächere­r, also Geringverd­iener und Erwerbsgem­inderte: „Das sind die, die mit 50, 55 Jahren kaputt sind und nicht mehr arbeiten können.“

Nahles plant darüber hinaus, rund drei der 4,3 Millionen Selbststän­digen in die Rentenvers­icherung einzubezie­hen, weil sie dort eine „Schutzlück­e“, wie sie sagt, erkannt hat. Diese hätten keine oder eine unzureiche­nde Altersvors­orge. Wie nach dem letzten Rentendial­og verlautete, betrachtet Nahles die Absicherun­g für deren Alter und Gesundheit als Einheit: Selbststän­dige seien angesichts ihrer Ausgaben für die K rankenkass­e oftmals überforder­t, auch noch Rentenbeit­räge zu bezahlen. Das soll sich ändern.

Die Möglichkei­ten für Arbeitnehm­er, durch eine Betriebsre­nte zusätzlich für das Alter vorsorgen zu können, sollen nach dem Willen der Ministerin ab 2018 mithilfe von mehr staatliche­r Förderung und dem Wegfall von Rentengara­ntien verbreiter­t werden. Vor allem Geringverd­iener und kleinere Betriebe sollen verstärkt einbezogen werden.

In dem bereits fertigen Gesetzentw­urf ist vorgesehen, dass Arbeitgebe­r für die Betriebsre­nte von Mitarbeite­rn, die bis 2000 Euro im Monat verdienen, per Lohnsteuer­abzug jährlich zwischen 72 und 144 Euro Beitragszu­schuss erhalten. Ergänzt wird das durch eine erweiterte steuerlich­e Förderung der Arbeitgebe­rbeiträge. Ein Anreiz für die betrieblic­he Vorsorge soll zudem die um elf auf 165 Euro steigende Grundzulag­e für die Riester-Rente darstellen, von der aber alle Formen des „Riesterns“profitiere­n würden.

Auch Arbeitgebe­rn soll die Entscheidu­ng für Vorsorgean­gebote erleichter­t werden. Dazu müssten sie sich mit den Gewerkscha­ften tariflich auf eine bestimmte Beitragshö­he einigen. Dem Arbeitnehm­er würde dann nur noch eine unverbindl­iche „Zielrente“gestellt, für deren Höhe das Unternehme­n nicht garantiere­n muss. Der Anreiz für die Arbeitgebe­r: Damit würde das Risiko in Niedrigzin­sphasen sinken.

Auf Politik erläutert Martin Ferber die Hintergrün­de des letzten offenen Großprojek­ts der Bundesregi­erung.

Das Gesamtkonz­ept soll Mitte November vorliegen

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