Augsburger Allgemeine (Land West)
Die spinnen, die Amis
Meinung Der US-Wahlkampf ist wie eine Seifenoper im Fernsehen. Doch leider fehlt die Fernbedienung, um den Irrsinn abzuschalten
Augsburg
Ganz ehrlich, blicken Sie da noch durch? Wissen Sie, wofür Donald Trump denn nun steht – abgesehen von verbalen Entgleisungen und der Wahnsinnsidee, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu errichten? Haben Sie eine Ahnung, ob und welchen Plan Hillary Clinton hat, falls sie tatsächlich US-Präsidentin werden sollte? Der amerikanische Wahlkampf verkommt zu einer derartigen Seifenoper, dass es fast egal erscheint, wer am Ende gewinnt. Hauptsache, es ist endlich vorbei.
Jeden Tag ergießen sich neue Skandale, Schimpftiraden, gegenseitige Anschuldigungen und Intrigen über Amerika. Bei Trump geht es meistens um die Frage, ob er Steuern bezahlt, ob er auch nur einen Funken Achtung vor Frauen hat und wen er heute oder gestern gerade beleidigt hat. Bei Clinton geht es meistens um fragwürdige Geschäfte, Hinterzimmerklüngel – und um E-Mails. Kein Mensch weiß bisher so genau, was in diesen Nachrichten steht, die sie in ihrer Zeit als Außenministerin über eine private E-Mail-Adresse geschrieben und empfangen hat. Egal, was kümmern in diesem schmutzigen Wahlkampf schon Fakten? Hauptsache ist doch, dass das FBI so kurz vor der Wahl gegen die Kandidatin ermittelt. Ein Riesenskandal! Oder etwa nicht?
In den meisten Umfragen liegt Clinton bislang mehr oder weniger knapp vorne. Viele Amerikaner halten sie für das kleinere Übel. Aber Trump ist nicht geschlagen, der Sender ABC sieht ihn aktuell sogar in Führung. Aber er hat ohnehin angekündigt, das Ergebnis nur dann zu akzeptieren, wenn er gewinnt. Und ja, er meint das mit erschreckend hoher Wahrscheinlichkeit ernst. Dass dieser Mann trotz aller Unglaublichkeiten noch immer im Rennen ist, hat er nur der Schwäche seiner Konkurrentin zu verdanken. Die 69-Jährige steht für eine machtversessene, kühl kalkulierende Politikerkaste, die über Leichen geht, um ganz nach oben zu kommen.
Die Karriere des Ehepaars Clinton weist verblüffende Parallelen zur Kult-Serie „House of Cards“auf, die vom zerstörerischen Spiel aus Macht, Skrupellosigkeit und Intrigen im Weißen Haus handelt. Und während man bei Trump oft das Gefühl hat, er habe sich nicht im Griff, verkörpert Clinton exakt das Gegenteil. Nichts an dieser Frau scheint spontan zu sein, selbst ihr Lachen wirkt einstudiert. Nun kann man dem entgegenhalten, dass Ausstrahlung allein keinen guten Politiker ausmacht. Barack Obama ist das beste Beispiel dafür. Er ist mit einem Charisma gesegnet, das für drei Präsidenten gereicht hätte. Gemessen daran sind seine politischen Erfolge überschaubar. Und doch wird es seine Nachfolgerin – oder sein Nachfolger – schwer haben.
Denn dieser Wahlkampf hinterlässt Narben. Die Kandidaten in den USA gehen traditionell wenig zimperlich miteinander um. Aber das Duell Clinton-Trump setzt neue, unterirdische Maßstäbe. Das größte Problem: Am 8. November ist es eben nicht einfach vorbei. Die Menschen, die sich jetzt so aggressiv gegenüberstehen, müssen nach der Wahl zusammen weiterleben. In Familien, in der Nachbarschaft, in Büros, in Freundeskreisen.
Politik ist in Wahrheit eben keine Seifenoper im Fernsehen – auch wenn man manchmal gerne eine Fernbedienung hätte, um dem Irrsinn ein Ende zu setzen.