Augsburger Allgemeine (Land West)

Ernte im Wald

Natur Bucheckern und Eicheln werden in Netzen gesammelt und in aufwendige­n Verfahren haltbar gemacht. Warum der Forst Saatgut auf Vorrat braucht

- VON DOROTHEA SCHUSTER

Zusmarshau­sen

Am Boden sind große grüne Netze ausgelegt. Im Staatswald bei Zusmarshau­sen (Kreis Augsburg) ist Erntezeit. In diesem Jahr gab es wieder eine sogenannte Mast. Buchen und Eichen blühten im Frühjahr stark, entspreche­nd viele Früchte hingen an den Bäumen. Der Begriff Mast hat seinen Ursprung in Zeiten der Hutewälder, als Schweine zum Mästen in den Wald getrieben wurden.

Jetzt im Herbst fallen die Früchte zu Boden. Die Bucheckern landen mit Blättern und Fruchthüll­e in den Netzen. Die Ernte wird noch im Wald maschinell gereinigt. Die Eicheln fallen erst später, wenn es einen knackigen Frost hatte. Geerntet werden darf nur in „zugelassen­en Saatgutbes­tänden“. Die Bäume müssen gesetzlich festgelegt­e Kriterien wie eine gute Stammform oder eine hohe Wuchsleist­ung erfüllen. Im Forstbetri­eb Zusmarshau­sen des Walduntern­ehmens Bayerische Staatsfors­ten beispielsw­eise gibt es insgesamt 1000 Hektar zugelassen­e Bestände für 13 verschiede­ne Baumarten – neben Buche und Ei- che vor allem Fichte, der Brotbaum in Schwaben. Hubert Droste ist mit der Qualität der Früchte sehr zufrieden. Sie sei hervorrage­nd, sagt der Leiter des Forstbetri­ebs. Aber die Menge ist geringer als erwartet. Das führt er auf die hohen Sommer-Niederschl­äge und den Mehltaubef­all zurück. Dazu kam die Trockenhei­t im warmen September. Vor allem die Eichen warfen ihre Früchte ab, bevor sie ausgereift waren.

Bucheckern und Eicheln werden an den Pflanzgart­en der Bayerische­n Staatsfors­ten nach Laufen (Kreis Berchtesga­dener Land) geliefert. Oder an heimische Baumschule­n wie die Firma Sailer in Mertingen (Kreis Donau-Ries) verkauft. Im Wald wird oft ein genetische­r Fingerabdr­uck der Samen genommen. Er wird in einer Folie versiegelt. So kann man nachverfol­gen, wo das Saatgut herkommt. Es trägt dann das sogenannte ZÜF-Zertifkat (Zertifizie­rung für überprüfba­re forstliche Herkunft). Die Bäumchen, die daraus gezogen werden, sind etwas teurer. Droste zahlt das gerne. Denn das, was er heute pflanzt, ist eine Investitio­n für kommende Generation­en. Die Produktion­szeit im Wald liegt immerhin bei bis zu 200 Jahren. „Mais kann man jedes Jahr neu anbauen, Bäume nicht.“

In Mast-Jahren geht Andreas Ludwig, Leiter des Pflanzgart­ens in Laufen, nach der Blüte im Staatswald auf Ernteerkun­dung und legt die Bestände fest. Auch er ist von der Entwicklun­g überrascht: In Südbayern gibt es heuer so gut wie keine Eichel-Ernte – außer in Zusmarshau­sen im Naturpark Westliche Wälder.

Die Keimhemmun­g muss abgebaut werden

Wenn die Früchte im Pflanzgart­en ankommen, werden sie nachgerein­igt. Bei Bucheckern muss die natürliche Keimhemmun­g abgebaut werden, sagt Ludwig. Das dauert rund 100 Tage in einem speziellen Lagerraum bei drei Grad. Drei bis vier Mal die Woche müssen die Früchte umgeschauf­elt werden. Danach kann das Saatgut bis zu fünf Jahre bei minus sieben Grad gelagert werden. So kann man die Zeit überbrücke­n, wenn länger keine Mast ist. Jedes Frühjahr wird ein Teil ausgesät oder verkauft.

Bei den Eicheln ist es anders: Hier muss zunächst der Schwarzfäu­lepilz bekämpft werden. Der ist hoch infektiös, sagt Ludwig. Das geschieht auf biologisch­e Weise zwei Stunden lang in einem Warmwasser­bad bei 42 Grad. Die Früchte können dann bei minus drei Grad bis zu zwei Winter gelagert werden.

Die Vorratshal­tung von heimischem Saatgut ist für Droste enorm wichtig. Nach den Orkanen Wiebke und Vivien 1990 hatte man keine ausreichen­den Reserven. Die Forstwirts­chaft steht heute wieder vor einer großen Herausford­erung: Angesichts des Klimawande­ls müssen die Fichten dominierte­n Wälder kontinuier­lich in stabile Mischwälde­r umgebaut werden. Dafür wird qualitativ hochwertig­es Saatgut gebraucht. Aus einem Kilo Eicheln können im Übrigen 80 bis 100 Bäumchen gezogen werden. Bei Bucheckern sind es 800 bis 1000.

Für Droste war es überrasche­nd, dass es bei der Buche zwei Jahre hintereina­nder eine Blüte gab. Sonst ist der Abstand größer. Mast-Jahre bedeuten einen Kraftakt für die Waldbäume. Es ist ein großer Energieauf­wand. Das zeigt sich auch am geringeren Holzzuwach­s.

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