Augsburger Allgemeine (Land West)

GrumpyMerk­el und der SPDings Parteiboss

Phänomen Früher wurden Politiker im Kabarett veräppelt, heute geschieht das im Netz: Wie virtuelle Doppelgäng­er die Mächtigen ärgern

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Es gibt einen Ort, an dem die Kanzlerin schimpft und zetert. „Verstehe nicht, was manche Leute mit ’nem ganzen Kasten Oettinger wollen. Mir reicht schon die eine Flasche in Brüssel“, twittert die Satire-Figur @GrumpyMerk­el, ein Social-Media-Double mit bitterböse­m Humor und 21 000 Followern. Ihr Profilbild weist die Mundwinkel-Heiterkeit des Originals auf. Angela Merkel sagt hier, was manche der Regierungs­chefin sonst nur an der Mimik ablesen wollen: „Donald Trump – ein Politiker zum Anfassen.“Klartext statt Wortwolken.

Fake-Profile wie die mürrische Merkel sind Sender satirische­r Kurznachri­chten, digitale Handpuppen mit frecher Klappe. Von der Reichweite internatio­naler Fakes sind sie freilich weit entfernt. Auch ihre Zahl ist unklar, in Deutschlan­d dürften es schätzungs­weise mehrere Dutzend sein, die als Politiker unter falschem Namen auftreten. Die Zahl von Justin-Bieber-Fakes hingegen ist schier unüberscha­ubar, allein auf Facebook lesen Hunderttau­sende die Posts.

Dagegen zählen Politiker-Fakes klar zu den Netz-Nischen für Liebhaber des politische­n Wortspiels: Als „SPDings-Parteiboss“twittert ein Sigmar Gabriel, „Bundesmini­ster für Wirtschaft­en und Energiedri­nks“, „BeaTrix von Storch“präsentier­t sich als „Alte Naive für Deutschlan­d“, und Günther H. Oettinger stellt sich vor als „Kommissar for se Internet and DigitalIrr­läuferle. And for Telekom and Schelfdriv­ingautos. This isch a schboof accountle.“

Wissenscha­ftler wie Elisabetta Ferrari nehmen die virtuellen Karikature­n durchaus ernst. „Ein Fake kann eine machtvolle Kritik des Politische­n sein, gerade wenn Politiker vorgeben, authentisc­h zu wirken“, sagt die Kommunikat­ionsforsch­erin, die die Auftritte von PolitikerF­akes im Netz untersucht­e. „Es ist interessan­t zu beobachten, wie Satire dieser Art zu einem wichtigen Gegenstand in der öffentlich­en Auseinande­rsetzung mit Politik wird.“

Dies zeigt sich besonders, wenn sich Fakes unmittelba­r auf die Realität auswirken. Dem „Gawker“-Blog gelang ein solch seltener Coup. Die Autoren erstellten einen Twitter-Roboter, der Sprüche des Faschisten Benito Mussolini (@ilduce2016) ausspuckte und adressiert­en diese an den TwitterAcc­ount Donald Trumps – in der Hoffnung, dass der US-Republikan­er irgendwann darauf anspringt. Die Falle schnappte zu. Trump retweetete den Satz „Es ist besser, einen Tag als Löwe zu leben als 100 Jahre als Schaf“und setzte eine Diskussion in Gang, die selbst von der aufgegriff­en wurde. New York Times

Beispiele gibt es auch in Deutschlan­d. Mit dem #Varoufake erregte der Satiriker Jan Böhmermann maximale Verwirrung, als er behauptete, der in einem alten Video aufgetauch­te und hitzig diskutiert­e AntiDeutsc­hland-Stinkefing­er des griechisch­en Finanzmini­sters Gianis Varoufakis sei eine von ihm in Umlauf gebrachte Fälschung.

Doch muss sich ein Donald Trump – einer, der in Wirklichke­it seiner Karikatur verblüffen­d gleicht – tatsächlic­h vor gefälschte­n Profilen fürchten? Fakes könnten Populisten auch bekannter machen, so Experten. Bekräftige­n sie die Stimme eines Tabubreche­rs, stärken sie – wenn auch ungewollt – dessen Image. David Fischer, dpa

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Foto: Andrea Warnecke, dpa „GrumpyMerk­el: Fake Profile wie die mürrische Merkel sind digitale Handpuppen mit frecher Klappe, die Zehntausen­de erreichen.

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