Augsburger Allgemeine (Land West)
Warum vielen zu wenig Geld zum Leben bleibt
Finanzen Augsburg schneidet in einer Statistik schlecht ab: In keiner anderen kreisfreien Stadt und keinem anderen Landkreis Bayerns haben die Bürger im Schnitt ein solch geringes verfügbares Einkommen. Das hat Folgen
Es sind wenig erfreuliche Zahlen, die das Bayerische Landesamt für Statistik jetzt präsentiert hat: Nirgends im Freistaat ist das durchschnittliche verfügbare Einkommen pro Jahr so gering wie in Augsburg. Es lag laut den Statistikern bei 18 424 Euro im Jahr. Die nun veröffentlichten Zahlen stammen aus dem Jahr 2014.
Aus Sicht von Reinhold Demel, Chef der Arbeitsagentur Augsburg, hat es mehrere Gründe, dass Augsburg auf dem letzten Platz der Statistik gelandet ist. „Augsburg ist eine Arbeiterstadt. Es gibt, anders als beispielsweise in München, wenig hoch qualifizierte Arbeitnehmer, die das Einkommensniveau spürbar anheben.“Hinzu komme, dass in Augsburg überdurchschnittlich viele Menschen in Leiharbeit angestellt sind. „In Bayern sind es 2,4 Prozent der Beschäftigten. In Augsburg 3,5 Prozent“, so Demel.
Hinzu komme, dass der Anteil an Migranten, EU-Ausländern und Flüchtlingen sich in den vergangenen drei Jahren erhöht habe. Weil diese Arbeitnehmer oft nur gering qualifiziert oder unqualifiziert seien, erhalten sie laut Demel auch nur den gesetzlichen Mindestlohn. Diesen Lohn oder geringfügig mehr verdienen auch viele Menschen, die im Logistikbereich arbeiten – einer Branche, die in den vergangenen Jahren sehr stark gewachsen ist.
Die Statistiken weisen noch weitere Auffälligkeiten auf, die das Er- erklären: Die Zahl der Akademiker unter den Beschäftigten, die in der Regel höhere Einkommen haben, ist in Augsburg mit knapp 13 Prozent deutlich niedriger als in Nürnberg (16,3 Prozent) und München (30,7 Prozent). Auch arbeiten in Augsburg fast genauso viele Menschen auf 450-Euro-Job-Basis wie in Nürnberg, die Frankenmetropole hat aber viel mehr Einwohner.
Laut Sozialreferent Stefan Kiefer gibt es nicht nur bei Arbeitnehmern, sondern auch bei Rentnern ein Problem: „Wir haben viele Aufstocker. Wer im Beruf, beispielsweise in der Textilindustrie, ein geringes Gehalt hatte, hat auch eine niedrige oder unzureichende Rente.“Anfang des Jahres rechnete Augsburgs Stadtdirektor Hermann Weber vor, dass Augsburg pro Kopf und Jahr 246 Euro für Soziales ausgibt, der Landkreis Augsburg aufgrund seiner Bevölkerungsstruktur aber nur 87 Euro. Für die Kommune ist die Situation eine finanzielle Belastung, weil auch weniger Lohn- oder Einkommenssteuer in die Kasse fließen. Die Stadt erhält 15 Prozent dieser Steuereinnahmen.
Laut Kiefer wiegen die Schlüsselund Sonderzuweisungen des Staates die Ausgaben „nur zu einem Bruchteil“wieder auf. Die Folge: Sanierungsstau beispielsweise im Straßenbau und bei den Schulen und fehlende Mittel, um Personal einzustellen oder Projekte zu finanzieren. Ein Problem, das sich durch alle Politikfelder zieht, so Kiefer.
Die Stadt ergreift Gegenmaßnahgebnis men, um dem Problem zu begegnen. Ein Schwerpunkt ist laut Auskunft des Referenten das Thema Bildung. So gibt es inzwischen an neun Grundschulen Leseinseln, eine Art kleine Bibliothek. Um die Situation der Menschen mit wenig Einkommen zu verbessern, gibt es weitere Angebote wie den Förderverein „Kinderchancen“, das Bildungsund Teilhabepaket sowie das Sozialticket für den Öffentlichen Nahverkehr oder Kultureinrichtungen. Das Thema Bildung hält auch Agenturchef Demel für sehr wichtig: „Ich bin natürlich froh, dass es die einfachen Jobs gibt, aber mit Blick auf die Statistik zum verfügbaren Einkommen bewahrheitet sich mal wieder: Bildung, Bildung, Bildung!“
Laut Kiefer bemüht sich die Stadt auch darum, die örtliche Wirtschaft breiter aufzustellen und mit Projekten wie dem Innovationspark oder der Uniklinik weitere hochwertige Jobs nach Augsburg zu holen. Kiefer betont auch, dass Geduld nötig sei, bis sich beispielsweise die Investitionen in Bildung auszahlen und das verfügbare Einkommen der Bürger ansteige.
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