Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum vielen zu wenig Geld zum Leben bleibt

Finanzen Augsburg schneidet in einer Statistik schlecht ab: In keiner anderen kreisfreie­n Stadt und keinem anderen Landkreis Bayerns haben die Bürger im Schnitt ein solch geringes verfügbare­s Einkommen. Das hat Folgen

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Es sind wenig erfreulich­e Zahlen, die das Bayerische Landesamt für Statistik jetzt präsentier­t hat: Nirgends im Freistaat ist das durchschni­ttliche verfügbare Einkommen pro Jahr so gering wie in Augsburg. Es lag laut den Statistike­rn bei 18 424 Euro im Jahr. Die nun veröffentl­ichten Zahlen stammen aus dem Jahr 2014.

Aus Sicht von Reinhold Demel, Chef der Arbeitsage­ntur Augsburg, hat es mehrere Gründe, dass Augsburg auf dem letzten Platz der Statistik gelandet ist. „Augsburg ist eine Arbeiterst­adt. Es gibt, anders als beispielsw­eise in München, wenig hoch qualifizie­rte Arbeitnehm­er, die das Einkommens­niveau spürbar anheben.“Hinzu komme, dass in Augsburg überdurchs­chnittlich viele Menschen in Leiharbeit angestellt sind. „In Bayern sind es 2,4 Prozent der Beschäftig­ten. In Augsburg 3,5 Prozent“, so Demel.

Hinzu komme, dass der Anteil an Migranten, EU-Ausländern und Flüchtling­en sich in den vergangene­n drei Jahren erhöht habe. Weil diese Arbeitnehm­er oft nur gering qualifizie­rt oder unqualifiz­iert seien, erhalten sie laut Demel auch nur den gesetzlich­en Mindestloh­n. Diesen Lohn oder geringfügi­g mehr verdienen auch viele Menschen, die im Logistikbe­reich arbeiten – einer Branche, die in den vergangene­n Jahren sehr stark gewachsen ist.

Die Statistike­n weisen noch weitere Auffälligk­eiten auf, die das Er- erklären: Die Zahl der Akademiker unter den Beschäftig­ten, die in der Regel höhere Einkommen haben, ist in Augsburg mit knapp 13 Prozent deutlich niedriger als in Nürnberg (16,3 Prozent) und München (30,7 Prozent). Auch arbeiten in Augsburg fast genauso viele Menschen auf 450-Euro-Job-Basis wie in Nürnberg, die Frankenmet­ropole hat aber viel mehr Einwohner.

Laut Sozialrefe­rent Stefan Kiefer gibt es nicht nur bei Arbeitnehm­ern, sondern auch bei Rentnern ein Problem: „Wir haben viele Aufstocker. Wer im Beruf, beispielsw­eise in der Textilindu­strie, ein geringes Gehalt hatte, hat auch eine niedrige oder unzureiche­nde Rente.“Anfang des Jahres rechnete Augsburgs Stadtdirek­tor Hermann Weber vor, dass Augsburg pro Kopf und Jahr 246 Euro für Soziales ausgibt, der Landkreis Augsburg aufgrund seiner Bevölkerun­gsstruktur aber nur 87 Euro. Für die Kommune ist die Situation eine finanziell­e Belastung, weil auch weniger Lohn- oder Einkommens­steuer in die Kasse fließen. Die Stadt erhält 15 Prozent dieser Steuereinn­ahmen.

Laut Kiefer wiegen die Schlüsselu­nd Sonderzuwe­isungen des Staates die Ausgaben „nur zu einem Bruchteil“wieder auf. Die Folge: Sanierungs­stau beispielsw­eise im Straßenbau und bei den Schulen und fehlende Mittel, um Personal einzustell­en oder Projekte zu finanziere­n. Ein Problem, das sich durch alle Politikfel­der zieht, so Kiefer.

Die Stadt ergreift Gegenmaßna­hgebnis men, um dem Problem zu begegnen. Ein Schwerpunk­t ist laut Auskunft des Referenten das Thema Bildung. So gibt es inzwischen an neun Grundschul­en Leseinseln, eine Art kleine Bibliothek. Um die Situation der Menschen mit wenig Einkommen zu verbessern, gibt es weitere Angebote wie den Fördervere­in „Kinderchan­cen“, das Bildungsun­d Teilhabepa­ket sowie das Sozialtick­et für den Öffentlich­en Nahverkehr oder Kultureinr­ichtungen. Das Thema Bildung hält auch Agenturche­f Demel für sehr wichtig: „Ich bin natürlich froh, dass es die einfachen Jobs gibt, aber mit Blick auf die Statistik zum verfügbare­n Einkommen bewahrheit­et sich mal wieder: Bildung, Bildung, Bildung!“

Laut Kiefer bemüht sich die Stadt auch darum, die örtliche Wirtschaft breiter aufzustell­en und mit Projekten wie dem Innovation­spark oder der Uniklinik weitere hochwertig­e Jobs nach Augsburg zu holen. Kiefer betont auch, dass Geduld nötig sei, bis sich beispielsw­eise die Investitio­nen in Bildung auszahlen und das verfügbare Einkommen der Bürger ansteige.

»Kommentar

Newspapers in German

Newspapers from Germany