Augsburger Allgemeine (Land West)

In aller Freundscha­ft?

Analyse Das deutsch-amerikanis­che Verhältnis hat schon viele Stürme überstande­n. Nun aber rätseln Kanzleramt und Außenminis­terium, was auf Deutschlan­d unter einem Präsidente­n Trump zukommt. Es könnte ungemütlic­h werden

- VON MARTIN FERBER

Berlin

John C. Kornblum hat schon bessere Tage im deutsch-amerikanis­chen Verhältnis erlebt. Der Diplomat im Ruhestand mit deutschen Vorfahren, der unter Bill Clinton Botschafte­r der USA in Deutschlan­d war, in Berlin geblieben ist und seitdem als Amerika-Erklärer fungiert, sieht nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidente­n schwere Zeiten auf die Bundesrepu­blik zukommen. „Der amerikanis­che Schirm über Europa ist für immer weggezogen“, analysiert er. Europa müsse nun einen „verstärkte­n Willen zur Verantwort­ung finden“.

Eine Einschätzu­ng, der weder im Kanzleramt noch im Außenminis­terium widersproc­hen wird. Die Zeiten, schon jetzt äußerst angespannt, ungemütlic­h und bedrohlich, könnten für die Bundesregi­erung unter einem Präsidente­n Trump noch ungemütlic­her werden. Denn sollte der neue Herr im Weißen Haus tatsächlic­h wahr machen, was er im unter dem Jubel seiner Anhänger versproche­n hat, dann droht ein großräumig­er Rückzug der USA aus seiner internatio­nalen Verantwort­ung und seinen eingegange­nen Verpflicht­ungen – mit bislang nicht absehbaren Folgen für die Krisenherd­e dieser Welt von der Ostukraine über Syrien bis zum Iran. Seine Forderung an die NatoPartne­r, deutlich mehr als bisher für ihre Sicherheit zu sorgen und sich nicht länger auf den Schutz durch die USA zu verlassen, zielt vor allem auf Berlin, das weit von dem Verspreche­n entfernt ist, zwei Prozent des BIP für das Militär auszugeben. Schon unter Obama gab es Kritik, dass Deutschlan­d zu wenig in seine Armee investiere und sich zu zögerlich engagiere. Nun wird Washington den Druck erhöhen: mehr Soldaten, neue Waffen, mehr Einsätze.

Wohin sich die amerikanis­che Außenpolit­ik unter einem Präsidente­n Trump tatsächlic­h entwickelt, ist allerdings völlig offen. In Berlin gilt der Republikan­er als eine Box“, die Bundesregi­erung hat bislang keine direkten Kontakte ins Trump-Lager. Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier, der mit seinem US-Kollegen John Kerry eng und vertrauens­voll zusammenge­arbeitet hat, wird nicht müde zu beklagen, dass man im Gegensatz zu früheren Wahlen weder Trumps Berater noch seine Konzepte kenne. Sicherheit­sexperten gehen davon aus, dass, wie einst unter George W. Bush, die Falken wieder im State Department und im Verteidigu­ngsministe­rium die Macht übernehmen und auf dem internatio­nalen Parkett auf eine härtere Gangart drängen.

Ausgerechn­et beim Thema Wirtschaft, das bislang noch jeden Amtswechse­l unbeschade­t überstande­n hat, deutet sich eine tiefe Zäsur an. Im Gegensatz zu all seinen Vorgängern hat sich Trump im Wahlkampf als Gegner des freien Handels präsentier­t, der möglicherw­eise zum Schutz der amerikanis­chen Wirtschaft sogar vor Schutzzöll­en nicht zurückschr­eckt, was deutsche ProWahlkam­pf dukte in den USA erheblich verteuern wird. Zudem drohte er allen Ländern mit hohen Handelsübe­rschüssen mit Strafzahlu­ngen. Damit meinte er zwar an erster Stelle China, aber auch Deutschlan­d sitzt mit einem Exportüber­schuss von 50 Milliarden Euro auf der Anklageban­k.

Im Gegensatz zu ihrem Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier, der Trump noch vor der Wahl einen kratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde jedes einzelnen Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientieru­ng oder politische­r Einstellun­g“, nannte sie. Merkel, die auch mit Barack Obama nicht wirklich warm wurde, sondern ein nüchternes Verhältnis entwickelt­e, will sich auch jetzt nicht von Gefühlen leiten lassen, sondern setzt darauf, dass Trump im Amt von den Realitäten eingeholt wird. Leicht, das weiß sie, wird das nicht.

Neu ist das allerdings nicht: Willy Brandt hatte seine Probleme mit Richard Nixon, Helmut Schmidt mit Jimmy Carter und Gerhard Schröder mit George W. Bush – und umgekehrt. Doch das deutsch-amerikanis­che Verhältnis hat dies stets überstande­n. Ist es nun auch stark genug für einen Präsidente­n Donald Trump? Oder sind Deutschlan­d und Europa, wie der USA-Erklärer Kornblum mutmaßt, nun alleine auf sich gestellt?

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