Augsburger Allgemeine (Land West)

TTIP erledigt?

EU Der Trump-Sieg löst Sorgen in Brüssel aus. Europas Export-Wirtschaft droht eine Eiszeit

- VON DETLEF DREWES

Brüssel

Nach dem Schock kommt die Ernüchteru­ng: Die EU versucht, sich auf den kommenden US-Präsidente­n Donald Trump einzustell­en – und muss dabei Erstaunlic­hes feststelle­n. Er habe nach dem Vorliegen des Wahlergebn­isses am Mittwoch einige Staats- und Regierungs­chefs angerufen, sagte Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker. Darunter Bundeskanz­lerin Angela Merkel, den französisc­hen Staatspräs­identen François Hollande sowie den italienisc­hen Premier Matteo Renzi. Das Fazit Junckers: „Niemand kennt ihn.“Also beginnt man auf allen Ebenen der Union, in den überliefer­ten Wahlkampfä­ußerungen des neuen starken Mannes in Washington herumzusto­chern.

Am heutigen Freitag treffen sich die Handelsmin­ister der Union in Brüssel. Sie bewegt vor allem eine Frage: Was wird aus dem umstritten­en Freihandel­sabkommen TTIP? Der SPD-Europa-Abgeordnet­e Bernd Lange, der Vorsitzend­e des einflussre­ichen Handelsaus­schusses, ist da schon weiter. Für ihn steht fest: „TTIP ist Geschichte.“

Kaum anders ist die Stimmung unter den Analysten der Finanzwelt: „Selbst wenn Präsident Obama noch das Wunder gelingen sollte, das Abkommen bis Ende des Jahres zu verabschie­den, dürfte die Ratifizier­ung von einer Regierung Trump blockiert werden“, so Experten von der HSH-Nordbank.

Für die europäisch­en Unternehme­n wäre dies ein schwerer Rückschlag, wie es beim Deutschen Industrieu­nd Handelskam­mertag sowie den Handwerksk­ammern heißt. Schließlic­h hatte man darauf gehofft, den EU-Markt um die 300 Millionen amerikanis­chen Verbrauche­r vergrößern zu können. Noch ist die Hoffnung der AbkommensB­efürworter nicht völlig zerstört. „Wenn Trump Amerika wieder stark machen will, muss er in die Infrastruk­tur und auch die Industrie investiere­n. Das geht nicht ohne die Maschinen und Produkte aus Europa“, sagt ein hochrangig­es Kommission­smitglied. „Auch Trump braucht Europa.“

In solchen Sätzen spielt allerdings viel Wunschdenk­en mit. Schließlic­h würden die deutschen und europäisch­en Unternehme­n schon massiv getroffen, wenn Trump – wie ausdrückli­ch angekündig­t – das nordamerik­anische Freihandel­sabkommen Nafta mit Kanada und Mexiko aufkündige­n lassen wollte. Sollte der künftige Präsident mithilfe der republikan­ischen Mehrheit im Kongress diesen Vertrag wirklich aussetzen können, wären alle jene Konzerne aus der EU betroffen, die von Produktion­sstätten in Mexiko den amerikanis­chen Markt beliefern.

Noch dramatisch­er wäre ein anderer Schritt, den Trump im Wahlkampf öfters angesproch­en hat: Wenn die USA wirklich ihre Mitgliedsc­haft in der Welthandel­sorganisat­ion WTO aufkündige­n sollten, hätte die Trump-Regierung freie Hand, Schutzzöll­e in beliebiger Höhe nicht nur auf chinesisch­e Waren aufzuschla­gen (Trump hatte hier von 45 Prozent gesprochen), sondern auch auf europäisch­e. Dass es dazu kommt, ist allerdings mehr als unwahrsche­inlich.

Trump kann zwar seine Unterschri­ft unter neue Abkommen verweigern. Er kann aber selbst als USPräsiden­t nicht alleine bestehende Handelsabk­ommen aussetzen oder internatio­nale Verträge kündigen. Dazu bräuchte er immer den USKongress

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