Augsburger Allgemeine (Land West)
Rote Karte für die Eliten
Populismus Durch das Wahlergebnis in den USA fühlen sich auch Parteien in Europa bestätigt. Die AfD hofft auf ihren „Trump-Effekt“. Aber auch Horst Seehofer fordert Konsequenzen
Berlin
Dieser Sieg wird bei der AfD genau analysiert – auch mit Blick auf den Bundestagswahlkampf. Donald Trump ist zwar in Deutschland nicht sonderlich beliebt. Doch einige Erfahrungen aus seinem Wahlkampf will sich die Partei trotzdem zunutze machen. Das zeigen die ersten Stellungnahmen von AfD-Spitzenpolitikern nach dem TrumpTriumph. Der Grundtenor: Die USWähler haben dem Establishment die Rote Karte gezeigt. Die Eliten haben in Person von Hillary Clinton die Quittung dafür erhalten, dass sie sich nicht darum gekümmert haben, „was das Volk will“. Und: So ähnlich könnte es auch in Deutschland laufen, wenn die AfD die etablierten Parteien eines Tages ablöst.
Tatsächlich hat Trump im Wahlkampf nicht nur gegen illegale Einwanderer gehetzt und Angehörige verschiedener Minderheiten beleidigt. Er hat auch den Hass auf jene geschürt, die Teil der sogenannten Meinungselite sind – Journalisten, Politiker und Intellektuelle. Sie standen mehrheitlich hinter Clinton, auch weil ihnen der plumpe Ton ihres Widersachers Trump zuwider war. In geringerem Umfang ist diese Wut auf die Eliten auch in Deutschland spürbar. Am Stammtisch, in sozialen Netzwerken, bei Pegida-Demonstrationen – und auf den Parteitagen der AfD. Doch die deutsche Alternative zu Trump hat ihre „Hillary“noch nicht gefunden.
Zwar ruft auch Bundeskanzlerin Angela Merkel bei vielen AfD-Anhängern, die ihre Flüchtlingspolitik ablehnen, Aggression hervor. Doch als Feindbild ist die Kanzlerin nicht erste Wahl: keine privaten Skandale, keine Protzerei und immer dieses abwägende Einerseits/Andererseits.
Auch Sigmar Gabriel ist deshalb auf der Hut. Im März, als viele Politiker, Medien und Meinungsforscher noch fest an einen ClintonSieg glaubten, warnte der SPDChef: Im Sog der Flüchtlingskrise fresse sich in Deutschland immer stärker eine Wut auf Politiker und auf das ganze politische System in die Mitte der Gesellschaft. „Der Trump, obwohl er selber zum Establishment gehört, dem gelingt es ja, sozusagen einen Teil der Bevölkerung gegen das Establishment zu mobilisieren“, sagte Gabriel. Das kann auch AfD-Vize Alexander Gauland. Er war CDU-Staatssekretär und Herausgeber der Märkischen Allgemeinen Zeitung. Mehr Establishment geht kaum. Heute sagt der 75-Jährige: „Wir geben Menschen eine Stimme, die nicht mehr das Gefühl haben, dass sie von den politischen Eliten gehört werden.“Gabriel will das nicht auf sich sitzen lassen. Er diskutierte in Dresden mit Pegida-Leuten und in Heidenau mit rechten Schaulustigen. Er versucht, nah dran zu sein an den Bürgern und ihren Ängsten. So wie Gabriel kann das wohl nur CSU-Chef Horst Seehofer. Beide verbindet, dass sie dabei mitunter überziehen. Mit einem Unterschied: Gabriel wird für seine bürgernahen Sprüche in der eigenen Partei immer wieder abgewatscht. In der CSU ist „Populismus“dagegen kein Schimpfwort.
Seehofer richtet viele Entscheidungen am Willen der Mehrheit aus. Er nennt das „Koalition mit den Bürgern“und fordert die Bundespolitiker nun auf, Lehren aus der US-Wahl zu ziehen. „Die Arroganz in Eliten muss aufhören. Viele Bürger haben zunehmend den Eindruck, von Politik und Eliten bevormundet zu werden, und dagegen wehren sie sich.“
AfD-Chef Jörg Meuthen sieht das ähnlich. Zur US-Wahl sagte er: „Es ist eine letzte Warnung für all die arroganten, abgehobenen Politiker, deren einziges Ziel lediglich der Machterhalt ist.“