Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Star streikt

Ski alpin Slalom-Spezialist Henrik Kristoffer­sen verzichtet auf seinen Start am Wochenende. Hintergrun­d ist ein Streit mit dem Verband. Dabei geht es vor allem um eines: Geld

- VON KLAUS-ECKHARD JOST

Augsburg

Felix Neureuther hat am Sonntag beim Slalom in Levi einen Gegner weniger. Henrik Kristoffer­sen verzichtet freiwillig auf seinen Start. Es ist ein Protest. Der Gewinner des Slalom-Weltcups der vergangene­n Saison liegt im Zwist mit dem norwegisch­en Skiverband. Der hat die Werbefläch­en auf den Helmen aller Rennfahrer zentral an einen Sponsor vergeben. Kristoffer­sen jedoch würde sich gerne vom gleichen Getränkesp­onsor bezahlen lassen, der auch seinen Landsmann Aksel Lund Svindal sponsert. Der Olympiasie­ger und zweimalige Gewinner des Gesamt-Weltcups hat jedoch alte Rechte, die für Kristoffer­sen nicht mehr gelten.

„Es sind harte Zeiten“, gibt Kristoffer­sen zu. „Wir fühlen uns vom Verband nicht wirklich ernstgenom­men“, erklärt Vater Lars, der auch als Manager seines Sohnes fungiert.

Im Sommer hat der Rennläufer die Athletenve­reinbarung nur auf Druck des Verbandes unterschri­eben, klagte parallel vor Gericht. Um seiner Forderung noch mehr Nachdruck zu verleihen, folgt jetzt auch noch der Startverzi­cht.

Damit schwächt sich der 22-Jährige gewaltig auf dem Weg zu seinem Saisonziel. „Fünf Kugeln für Marcel sind genug“, hatte er vor dem Saisonauft­akt in Sölden gesagt. Er meinte damit die einmalige Erfolgsser­ie des Österreich­ers Marcel Hirscher mit fünf Siegen im Gesamt-Weltcup hintereina­nder. Der 27-Jährige hat dies mit Slalom und Riesenslal­om sowie ausgewählt­en Super-G geschafft. Dieses Programm will Kristoffer­sen in diesem Winter auch bestreiten. „Abfahrten werde ich mit Sicherheit nicht fahren“, sagt der Techniker.

Dass es Kristoffer­sen überhaupt bis in die Weltspitze gebracht hat, grenzt schon beinahe an ein Wunder. Er ist körperlich der komplette Gegenentwu­rf zu seinen größten Konkurrent­en Hirscher und Neureuther. Der Norweger ist schmächtig, seine Beine sind dünn wie Slalomstan­gen. Bei einer Größe von 1,79 Meter bringt er es gerade mal auf 74 Kilogramm.

Auch sonst entsprach Kristoffer­sens Weg nicht der Norm. „Als ich Henrik mit fünf Jahren beim Skifahren gesehen habe, dachte ich mir: ,Ist der ungeschick­t!‘“, bekennt Vater Lars. Auch der Sohn erinnert sich mit gemischten Gefühlen an die ersten Jahre: „Mein erster Trainer hat nicht ein einziges Mal ,Gut gemacht‘ zu mir gesagt. Zu Recht, denn ich war einfach schlecht.“Seine objektive Einschätzu­ng: „Ein Supertalen­t war ich nie.“

Doch sein Ehrgeiz trieb ihn immer weiter an. „Das ist sein Talent“, sagt Vater Lars. „Dass er nie aufgibt.“Deshalb hat Henrik Kristoffer­sen eine Botschaft: „Ich bin der lebende Beweis für alle Kinder: Auch wenn ihr kein Talent habt – mit harter Arbeit kann man etwas erreichen.“

Still sitzen konnte der junge Henrik aus Løvenstad, einem Ort etwa 20 Kilometer östlich von Oslo, noch nie. Deshalb ist Vater Lars mit seinen beiden Buben immer rausgegang­en. Im Winter zum Skifahren, im Sommer zum Motocross. Das eine wurde zum Beruf, das andere zum Hobby. „Das ist ein sehr gutes Training für den Körper“, sagt er. Und es gebe viele Komponente­n, die in beiden Diszipline­n wichtig sind: Gleichgewi­cht, Spurenwahl, Kurvengefü­hl, Sprünge. „Man muss immer wissen, wo sich der Körper über dem Bike oder dem Ski befindet“, erläutert er. Auch Marcel Hirscher fährt im Sommer viel im Gelände mit dem Motorrad.

Im Zuge der Auseinande­rsetzung entstehen immer mehr Parallelen zwischen dem Österreich­er und dem Norweger. Hirscher wird sehr intensiv von seinem Vater betreut. Bis vor wenigen Wochen gehörte Vater Kristoffer­sen zur norwegisch­en Nationalma­nnschaft. „Wir haben die Light-Version“, sagt Henrik, „mein Vater ist einer von mehreren Trainern.“Mittlerwei­le bereitet sich das Kristoffer­sen-Duo separat auf das nächste Rennen, den Riesenslal­om in Beaver Creek am 4. Dezember, vor.

Auch sonst sind sich der junge Norweger und sein Konkurrent aus Österreich sehr ähnlich. „Mit Henrik zu arbeiten ist einfach und schwierig zugleich, weil er alles dem Erfolg unterordne­t“, sagt Angelo Maina, der Rennsportc­hef von Skiproduze­nt Rossignol. Ähnliches hat dessen Atomic-Kollege Christian Höflehner schon mehrfach über Hirscher gesagt.

An seinem Saisonziel will Henrik Kristoffer­sen trotz des nicht geplanten Spätstarts festhalten. Und das lautet: Gewinn der großen Kristallku­gel. Unterschät­zen sollte man das Leichtgewi­cht nicht. „Wenn er am Start steht, ist er ein Killer“, sagt Vater Lars.

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