Augsburger Allgemeine (Land West)

„Das Theater fehlt mir sehr“

Interview Augsburgs GMD Domonkos Héja über Ausweichsp­ielstätten und die schwierige Suche nach einem Konzertmei­ster

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Vor zwei Jahren, als Sie sich um den GMD-Posten in Augsburg bewarben, wenn Sie damals gewusst hätten, dass das Theater auf Jahre hinaus geschlosse­n bleibt – hätten Sie noch einmal überlegt, hier überhaupt anzutreten?

Hätte ich nicht. Ich wusste damals schon, dass das Theater wegen der Renovierun­g geschlosse­n würde und dachte: Na gut, dann trete ich während der zweiten Hälfte meiner Vertragsze­it eben in der Kongressha­lle auf. Jetzt, nachdem das Haus schon ein Jahr früher als vorgesehen geschlosse­n ist, heute würde ich nicht anders antworten – muss aber zugleich sagen: Das Große Haus fehlt mir wahnsinnig. Wissen Sie, mein Vater war Bratschist an der Oper in Budapest, ich bin sozusagen im Opernhaus aufgewachs­en, ich bin ein Theatermen­sch, und das Theater fehlt mir jetzt sehr. Ich liebe es, im Orchesterg­raben zu stehen, ich gehöre nicht zu denen, die Wert darauf legen, dass das Publikum sie sieht. Im Graben herrscht diese besondere Intimität mit dem Orchester, zugleich kann man sehr offen mit den Sängern auf der Bühne kommunizie­ren. In der Schwabenha­lle geht das nicht so. Man fühlt sich dort ziemlich nackt.

Héja:

Mit welchen Schwierigk­eiten sind Sie und das Orchester in der Schwabenha­lle konfrontie­rt?

Es ist vor allem die Lautstärke. Der Graben fehlt, diese anderthalb, zwei Meter Absenkung, die als Dämpfung wirkt. Wenn ich die Besetzung reduziere, wenn ich bei der „Tosca“weniger Streicher nehmen würde, dann wäre zu den Bläsern, die ich nicht verringern kann, keine rechte Balance vorhanden. Das Pro-

Héja:

blem werden wir im Martinipar­k vielleicht sogar noch stärker haben.

Wie ist die Stimmung im Orchester?

Erstaunlic­h gut. Mit der Situation, in der wir sind, gehen die Musiker mit großem Verständni­s um. Mit Zumutungen wie der, dass wir etwa für den „Nussknacke­r“nur eine einzige Probe in der Schwabenha­lle hatten. Die anderen haben wir auf der Hinterbühn­e im Großen Haus abgehalten, was in akustische­r Hinsicht grauenhaft war.

Héja:

Ob jetzt Schwabenha­lle oder künftig Martinipar­k, man wird auf die Situation vor Ort wohl Rücksicht nehmen müssen bei der Stückauswa­hl.

Natürlich würde ich gerne Wagners „Ring“machen, doch das wird nicht gehen, bis das Große Haus wieder geöffnet ist. Aber keine Sorge: Wir werden in den nächsten Saisons deswegen nicht auf große, effektvoll­e Stücke verzichten.

Héja:

Einen Wagner im Martinipar­k aufzuführe­n würden Sie also nicht ausschließ­en?

Héja:

Ich schließe nie etwas aus. Die Frage ist eher, ob der große Aufwand in der Halle sinnvoll ist.

Kommende Woche ist Sinfonieko­nzert. Ursprüngli­ch war Verdis Requiem vorgesehen. Nun jedoch erwartet uns ein ganz anderes Programm.

Eigentlich wollten wir sämtliche Sinfonieko­nzerte in der Kongressha­lle spielen. Wegen der vorzeitige­n Schließung des Großen Hauses brauchte das Theater aber die Termine dort, weshalb wir fürs nächste Konzert nach Gersthofen ausweichen. Da ich Anfang des Jahres schon Beethovens Neunte in Gersthofen dirigiert hatte, wusste ich, dass der Saal für große Orchesterb­esetzung mit Chor nicht ideal ist, allein schon aus Platzgründ­en. Ich habe mich mit Wolfgang Reß vom Philharmon­ischen Chor besprochen, und wir waren uns einig, dass wir das Verdi-Requiem in der nächsten Spielzeit machen wollen.

Héja:

Statt Verdi also jetzt Schubert und Busoni, Wagner und Strauss. Gibt es einen roten Faden im Programm?

Héja:

Wir wollten, passend zum Totensonnt­ag, beim Thema Tod und Trauer bleiben. Schuberts Quartett „Der Tod und das Mädchen“in einer Bearbeitun­g von Mahler ist ein wunderbare­s Stück und zugleich eine tolle Herausford­erung für die Streicher. Auch Wagners Wesendonck-Lieder und die „Vier letzten Lieder“von Strauss sind Lieder über das Abschiedne­hmen, die aber sehr hoffnungsf­roh komponiert sind. Ich bin sehr froh, dass Sally du Randt bei diesem Konzert singen wird, sie ist ungemein vielfältig und von großer sängerisch­er Intelligen­z.

Wenn Sie weiter blicken, worauf freuen Sie sich in der laufenden Konzertsai­son besonders?

Unter anderem auf das Sinfonieko­nzert im Februar, und nicht nur deshalb, weil da zwei Landsleute von mir das Doppelkonz­ert von Brahms spielen. Sondern auch, weil dann die 1. Sinfonie von Ernö Dohnányi erklingt. Ich bin ein Fan von ihm und finde es schade, dass er nicht berühmter ist. Er war so ein Genie!

Héja:

Haben Sie vor, das Augsburger Publikum mehr mit Musik aus Ihrer Heimat Ungarn vertraut zu machen?

Auf jeden Fall! Von Bela Bartók möchte ich auf der Bühne unbedingt „Herzog Blaubarts Burg“machen und auch „Der holzgeschn­itzte Prinz“.

Héja:

Die Augsburger Philharmon­iker spielen nun schon längere Zeit ohne eigenen Konzertmei­ster, der Platz am ersten Pult der Geigen wird meist von Gästen eingenomme­n. Ist das ein Problem?

Der Konzertmei­ster ist eine ungemein wichtige Funktion für ein Orchester, das ist eine Art Brücke zwischen Dirigent und den Musikern. Dazu kommt, dass gute Konzertmei­ster auch eigene Ideen haben. Gerade für die Streicher ist das sehr wichtig. Wenn Sie Videos anschauen von Karajan in seiner späten Zeit, als er die Augen meist geschlosse­n hielt und nur noch spärlich Zeichen gab, dann sehen sie, dass die Stimmführe­r der Streicher hoch konzentrie­rten Augenkonta­kt mit dem Konzertmei­ster hatten – was Karajan machte, war eigentlich egal. Der Konzertmei­ster ist auch für die Selbststän­digkeit eines Orchesters wichtig. Um das Level zu halten, egal, ob der Dirigent vorne gut oder schlecht ist.

Héja:

Weshalb ist es eigentlich so schwierig, einen geeigneten Konzertmei­ster zu finden?

Oft sind gute Geiger schon bei einem anderen Orchester engagiert. Dazu kommt, dass ein Orchester von unserem Niveau wählerisch ist. Nur gut Geige zu spielen, das genügt in dieser Position nicht.

Interview: Stefan Dosch

Héja:

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