Augsburger Allgemeine (Land West)
Vom Dachgiebel ins Museum
Kunst Über Generationen trotzte eine Pietà der Witterung, dann wurde sie als neugotisches Kunstwerk erkannt
Manchmal lohnt es sich einfach, etwas genauer hinzusehen. Das taten Mitarbeiter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege in den 80er Jahren, als sie im Giebel eines alten Bauernhofs in Kleinkitzighofen (Landkreis Ostallgäu) eine spätgotische Pietà entdeckten und diese restaurieren ließen. Das Kunstwerk, das über mehrere Generationen der Witterung ausgesetzt war, wurde restauriert und hat als Dauerleihgabe nun einen Platz im Diözesanmuseum gefunden.
Die Figur könnte aus der nahen Pfarrkirche von Kleinkitzighofen stammen, vermuten die Denkmalpfleger. Bei einer späteren Umgestaltung der Kirche könnte sie dann in private Hände gegeben worden sein – eine früher durchaus verbreitete Praxis bei Kunstwerken, die nicht mehr dem Zeitgeschmack entsprachen. So ging die Pietà in den Besitz einer Familie über, der wohl gar nicht klar war, welchen Schatz ihr Giebel barg.
Bei der Restaurierung der Skulptur in den neunziger Jahren wurde die zweite, barockzeitliche Farbfassung freigelegt, die von drei jüngeren Farbschichten verdeckt war. Von der originalen Fassung sind nur mehr sehr kleine Reste erhalten. Bewusst hat man die Spuren von Witterung und Alter sichtbar belassen, die von der wechselvollen Geschichte der Figur zeugen.
Die Skulptur datiert mit ihren weich fallenden Faltenkaskaden in die Zeit um 1420/30 und ist somit noch dem sogenannten „Weichen Stil“, auch „Internationale Gotik“genannt, zuzuordnen. Da das Museum bisher kaum Exponate aus dieser Zeit besitzt, wird mit der Pietà eine wichtige Lücke geschlossen, sagt Museumsleiterin Melanie Thierbach.
Die bildhauerische Qualität und die Ausdrucksstärke der Skulptur aus Kleinkitzighofen zeugt nach Angaben des Diözesanmuseums von einem begabten, wahrscheinlich regionalen Künstler. Indem er seine Maria einen Zipfel ihres Kopftuches zum Gesicht führen lässt, um sich damit die Tränen von ihrem Gesicht abzuwischen, greift er zudem eine recht seltene Bildidee auf.
Im Diözesanmuseum ist das Kunstwerk nun in der Dauerausstellung zu sehen. O Kornhausgasse, geöffnet Dienstag bis Samstag 10 bis 17 Uhr und Sonntag 12 bis 18 Uhr
Diözesanmuseum St. Afra,