Augsburger Allgemeine (Land West)
Wenn Kinder mitbestimmen
Erziehung Nach dem Gespensterfest in Bobingen geht die Debatte um Grundprinzipien der Pädagogik. Kindergartenleiterin verteidigt sich
Bobingen
Im Waldwichtelkindergarten der Arbeiterwohlfahrt AWO in Bobingen dürfen die Kleinen viel mitreden – zuweilen mehr als andernorts. Zuletzt, als die Kinder Gespenster zum Thema des Herbstfests machten statt den gewohnten Lichterumzug zu St. Martin. Was prompt zum Gesprächsstoff in der ganzen Region wurde.
„Partizipation“heißt der Fachausdruck für solche Mitsprache. Diese ist allen Kitas und Schulen sogar amtlich vorgeschrieben. Gemeint ist die altersgerechte Beteiligung der Buben und Mädchen an möglichst vielen Vorgängen. Für Christine Hagen ist dies das Grundprinzip aller Pädagogik. Als oberste Instanz für die Kinder- und Jugendarbeit im Landkreis Augsburg bestätigt sie: „Partizipation ist die Grundlage für Demokratieerziehung, sie ist enorm wichtig.“Staaten mit wenig ausgeprägter Demokratie seien schon am Mangel von Partizipation in ihrer Erziehungspolitik zu erkennen.
Die Einbindung der Kinder verlange von den Pädagogen besonders viel Vorarbeit und Aufmerksamkeit. Denn die Mitsprache der Kleine in Schule oder Kindergarten sei nicht umkehrbar. Wer Mitsprache zulasse, könne am Ende nicht anders entscheiden. Projekte mit Partizipation müssten daher dem Entwicklungsstand der Kinder und den Erziehungszielen der Eltern entsprechen, fordert die Jugendschützerin.
Der AWO-Kindergarten in Bobingen sieht sich hierbei schon recht erfahren, sagen Erzieherinnen und Elternbeirat. Seit diesem Kita-Jahr geht er sogar einen Schritt weiter. Schon im September durften alle Schützlinge Themen für die beiden großen Feste im Jahreslauf sammeln. Anschließend wurden diese gemeinsam erörtert und in einer Abstimmung wurde ausgewählt. So gab es nun eben ein Gespensterfest und im nächsten Frühjahr oder Frühsommer wird es ein großes Fest zum Thema Fußball geben.
Diese Veranstaltungen werden gemeinsam vorbereitet – und auch jene Kinder helfen dabei, die ein anderes Thema vorgeschlagen hatten, betont Petra Harlander, Leiterin des Waldwichtelkindergartens. Ihr ist wichtig: „Auch das Akzeptieren von Mehrheitsentscheidungen zur Demokratie.“
Entsetzt ist sie hingegen über das Echo auf einen Zeitungsbericht über das Gespensterfest. In Leserbriefen und Kommentaren werde Partizipation verwechselt mit antiautoritärer Erziehung. Das sei falsch. Auch der Eindruck, Kinder hätten St. Martin und Nikolaus aus dem Kita-Programm gestrichen: „Sie haben sie nicht vertrieben, sondern feiern mit den Eltern als großes Fest nur etwas anderes. Das war schlau, denn der Nikolaus kommt sowieso in die Gruppen und diese Woche backen wir auch Martinsgänse.“
Partizipation bedeute nicht, dass alles einfach nach Lust und Laune abliefe. Vielmehr würde durch die soziale Teilhabe der Kinder gerade die Vermittlung von Werten intensiv betrieben.
So lief gerade ein Projekt zum Thema Gefühle ab. Kinder trugen zusammen, welche Arten von Gefühlen es gibt, welche Geschichten oder Erlebnisse sie mit ihnen verbinden, sie machten passende Fotos und bastelten eine Gefühlsuhr, die ihre jeweilige Stimmungslage anzeigt. Und sie sammelten Ratschläge: Was mache ich, wenn ich traurig bin? gehört