Augsburger Allgemeine (Land West)

Gans sei Dank, sagt der Lehrer

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Kleine Sünden bestraft der liebe Gott bekanntlic­h sofort, bei anderen lässt er sich dann etwas länger Zeit. So hart und andauernd wie die Gans aber hat es selten jemand getroffen. Das zumindest erzählt die Legende. Weil das vorlaute Federvieh den im Stall verstecken Sankt Martin verriet, sodass dieser schließlic­h doch seinen Dienst als Bischof antreten musste, wird das Leben ab dem Spätherbst für Gänse sehr gefährlich, das Gänsehautg­efühl ist sozusagen garantiert. Der Martinstag markiert nur den Auftakt einer ganzen Reihe von Anlässen, zu denen die Gans auf den Tisch kommt – aber erst, wenn sie ganz gar ist.

Wer diese Tage überleben will, ist am besten klapperdür­r und hält den Schnabel. Beides ist dem Tier aber von Natur aus nicht gegeben. Es legt rasch zu, und sein Hang zu Geschnatte­r im unrechten Augenblick ist geradezu legendär. Sogar die alten Römer sollen die Tiere vor dem heranpirsc­henden Feind gewarnt haben.

Nicht auszudenke­n, hätten sie geschwiege­n – keine Römer, kein Latein: Gans oder gar nicht mag sich da mancher Lateinlehr­er im Stillen denken. Für die Pädagogen – das können ganze Generation­en von Gymnasiast­en bezeugen – ist die Sache gerade noch gut ausgegange­n, die tote Sprache hält sie bestens am Leben. Gans sei Dank.

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