Augsburger Allgemeine (Land West)
Regierung vertagt den Kohle-Ausstieg
Umwelt Das Bundeskabinett einigt sich doch noch auf den umstrittenen Klimaschutzplan. Ministerin Hendricks muss Abstriche hinnehmen. SPD-Chef Gabriel hat erfolgreich blockiert
Die Bundesregierung hat sich am Freitag doch noch auf den heftig umstrittenen Klimaschutzplan 2050 verständigt, den sie bei der zurzeit in Marrakesch tagenden Weltklimakonferenz vorlegen möchte. Bei der verspäteten Einigung, die auf telefonischem Weg zustande kam, musste Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) erhebliche Abstriche hinnehmen. Ziel des Plans ist es zu beschreiben, wie Deutschland bis zur Mitte des Jahrhunderts weitgehend treibhausneutral werden kann. Damit wäre die Bundesrepublik ein Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel. Allerdings wurde der Ausstieg aus der Braunkohle erst einmal auf die lange Bank geschoben.
Wirtschaftsminister und SPDChef Sigmar Gabriel konnte durchsetzen, dass für die Stromerzeugung aus Braunkohle, die als besonders klimabelastend gilt, keine Einschränkung verlangt wird. „Zuerst müssen wir für die vom Rückgang der Kohleverstromung betroffenen Regionen realistische und greifbare Perspektiven schaffen, bevor wir konkrete Schritte zur Verringerung der Kohleverstromung einleiten“, erklärte der Minister am Freitag. Braunkohle wird vor allem im Rheinland (Nordrhein-Westfalen) und in der Lausitz (Brandenburg/ Sachsen) gefördert und zu 90 Prozent in Kraftwerken verfeuert. Auf diese Weise wird rund ein Viertel des deutschen Stroms erzeugt.
Erst im Jahr 2018 soll nun eine Kommission damit beginnen, die Voraussetzungen für den Ausstieg aus der Braunkohle zu diskutieren. Die Umweltorganisation WWF kritisiert dies als zu spät und bemängelt außerdem, dass im Klimaschutzplan nicht einmal mehr das Verbot einer Erweiterung der Abbaustätten enthalten ist. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) zeigte sich dagegen erfreut über die Einigung.
Umweltministerin Hendricks, die am Montag mit dem neuen Plan in der Tasche nach Marrakesch reisen wird, reagierte trotz der Abstriche erleichtert: „Das ist ein wichtiges Signal, dass Deutschland beim Klimaschutz handlungsfähig bleibt“, sagte sie am Freitag in Berlin. Ihr bleibt nun eine Blamage bei dem Treffen in Marokko erspart, zu dem Vertreter von knapp 200 Nationen angereist sind.
Bis zum Jahr 2030 sieht der Klimaschutzplan ein verbindliches CO2-Minderungsziel für Deutschland von 55 Prozent vor. Dies wird auf die einzelnen Wirtschaftsbereiche heruntergebrochen. Dabei gelang Wirtschaftsminister Gabriel ein weiterer Coup: „Bei den Sektorzielen für Energie und Industrie haben wir uns auf vertretbare Korridore der CO2-Reduzierung geeinigt“, erläuterte der SPD-Chef. Im Klartext heißt das: Die Bereiche Industrie und Verkehr werden entlastet – dafür soll zum Beispiel mehr CO2 durch bessere Gebäudeeffizienz eingespart werden.
Die Grünen kritisierten den Plan: „Beim Kampf gegen den Klimawandel sind homöopathische Dosen nicht die richtige Lösung“, sagte Parteichef Cem Özdemir in Münster.