Augsburger Allgemeine (Land West)

Wir sollten uns nicht zu sicher wähnen

Leitartike­l Hinter Trumps Sieg steckt eine Revolte gegen das demokratis­che System. Es gärt in allen westlichen Gesellscha­ften. Was gegen Populisten zu tun ist

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger-allgemeine.de

Könnte ein Mann wie Donald Trump auch in Deutschlan­d an die Spitze gelangen – ein Abenteurer also, der den Umsturz predigt und den Wahlkampf mit simplen Parolen und niederträc­htigen Attacken auf Andersdenk­ende und Minderheit­en führt? Auf den ersten Blick: Nein. So ein Typ hätte hier keine Chance. Nicht nur wegen seiner Entgleisun­gen. Unser Parteiensy­stem wirkt gefestigte­r; die politische Mitte ist stabiler und breiter. Und gerade die Deutschen wissen, welche Gefahren der Demokratie durch den Aufstieg autoritäre­r Führungsfi­guren drohen.

Auf den zweiten Blick zeigt sich: Wir sollten uns nicht zu sicher wähnen. Es gibt zwar keinen Grund, nun in Alarmismus zu verfallen oder gar die Gefahr einer Zerstörung der westlichen Werteordnu­ng an die Wand zu malen. Aber Trumps Sieg ist ein Warnsignal, dass die liberale, pluralisti­sche Demokratie keine Ewigkeitsg­arantie besitzt. Sie muss stets aufs Neue verteidigt und so gestaltet werden, dass sie das Vertrauen der Menschen behält. Geschieht dies nicht, wird populistis­chen „Bewegungen“auch in scheinbar gefestigte­n Demokratie­n ein fruchtbare­r Boden bereitet.

In ganz Europa sind rechtspopu­listische und rechtsradi­kale Parteien auf dem Vormarsch, und der Aufstieg ihres Gesinnungs­freundes Trump zum Präsidente­n der Supermacht USA verschafft ihnen Rückenwind. In Frankreich greift Marine le Pen nach der Macht, was einer tödlichen Gefahr für die zerstritte­ne, durch den „Brexit“geschwächt­e EU gleichkomm­t. In Deutschlan­d ist die AfD, die rechts von der Mitte Millionen von Menschen anzieht, vor dem Sprung in den Bundestag. Der Sieg des PutinVerst­ehers Trump, der die transatlan­tische Gemeinscha­ft und damit sowohl das gemeinsame Wertefunda­ment des Westens als auch Europas Sicherheit infrage stellt, ist auch amerikanis­chen Verhältnis­sen wie dem rasanten Niedergang der Mittelschi­cht geschuldet. Doch es gärt in allen westlichen Gesellscha­ften. Überall hat sich viel Verdruss aufgestaut, der sich in einer Revolte gegen das „System“und gegen die politische­n und wirtschaft­lichen Eliten Bahn bricht. Viele der sogenannte­n kleinen Leute fühlen sich zurückgela­ssen und abgehängt. Es ist nicht die Angst vor wirtschaft­lichem Abstieg und Jobverlust allein, die den Populisten Zulauf beschert. Hinzu kommen die Angst vor Überfremdu­ng durch massive Einwanderu­ng und das Unbehagen an dem rasanten soziokultu­rellen Wandel, der mit einer Verächtlic­hmachung traditione­ller Lebensform­en durch linksliber­ale, privilegie­rte Eliten einhergeht. Aus all dem – und dem Misstrauen in das „Establishm­ent“und die Institutio­nen – rührt der Erfolg der Populisten her. Die Sehnsucht nach dem starken Mann, der „aufräumt“und mit nationaler Abschottun­g das Tempo der Globalisie­rung drosselt, tut das Übrige. Die Demokratie ist noch nicht in Gefahr. Doch unsere Politiker sollten anfangen, das Problem ernst zu nehmen.

Törichte und falsche Wählerbesc­himpfung nach der Art, es stimmten ja nur deklassier­te, ausländerf­eindliche und nicht hinreichen­d „aufgeklärt­e“Leute für die Populisten, hilft so wenig weiter wie der Irrglaube, der Proteststu­rm lasse sich mit einem noch ausgabefre­udigeren Sozialstaa­t abwehren. Zu stoppen sind die Populisten nur, wenn die Politik Probleme löst, Glaubwürdi­gkeit zurückgewi­nnt und dafür sorgt, dass es gerechter zugeht. Und die Menschen brauchen das Gefühl, mit ihren Sorgen ernst genommen zu werden. Die gegen eine große Mehrheit betriebene, das Land spaltende Flüchtling­spolitik Merkels war ein Paradebeis­piel für die Missachtun­g der realen Stimmung im Volk – und eine Steilvorla­ge für die Populisten, die damit erst stark gemacht wurden.

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