Augsburger Allgemeine (Land West)

Deutsche Nachsicht mit Auto-Riesen

Recherchen Das Kraftfahrt-Bundesamt geht allzu verständni­svoll mit den Hersteller­n um. E-Mails belegen das nun und werfen kein gutes Licht auf den Chef der Behörde

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Flensburg

Wenn Autofahrer mit dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zu tun haben, ist das meistens unangenehm. Im Flensburge­r Verkehrsze­ntralregis­ter sind die Verkehrssü­nden von Millionen Deutschen gespeicher­t. Und wenn einer zu viele Punkte sammelt, ist der Führersche­in weg – da gibt es nicht viel zu diskutiere­n.

Autoherste­ller dürfen dagegen auf mehr Nachsicht hoffen. Denn wenn das KBA Verstöße der Konzerne gegen Abgasregel­n feststellt, können Volkswagen, Opel & Co. ausführlic­h mitreden – und das KBA hört zu und passt seine Bewertung danach auch schon mal ein wenig an.

Noch im September vergangene­n Jahres, wenige Tage nach Bekanntwer­den des massenhaft­en Abgasbetru­gs bei VW, hat Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) eine Untersuchu­ngskommiss­ion eingericht­et. Zuerst sollte die nur den Fall VW untersuche­n. Später weitete die Kommission ihre Arbeit auch auf andere Hersteller aus.

Aus der genauen Zusammense­tzung der Ermittlung­sgruppe unter der Leitung seines Staatssekr­etärs Michael Odenwald machte der Verkehrsmi­nister lange ein Geheimnis. Erst auf Drängen der Opposition veröffentl­ichte er dann doch die Besetzungs­liste.

Mit dabei ist auch KBA-Präsident Ekhard Zinke. Der Jurist und ehemalige Bahner leitet seit 2004 Deutschlan­ds oberste Aufsichtsb­ehörde für die Autoindust­rie. „Das stille Haus an der Förde“wurde das KBA wegen seiner zurückhalt­enden Öffentlich­keitsarbei­t im AbgasSkand­al immer wieder genannt.

Mit der Autoindust­rie ist der Draht dagegen kurz, der Austausch rege. Zwischen Mitarbeite­rn von KBA, Verkehrsmi­nisterium und Vertretern der Autoherste­ller wurde der Bericht der „Untersuchu­ngskommiss­ion Volkswagen“, die mögliche Verletzung­en der Abgasregel­n durch die Autoherste­ller untersuche­n sollte, zumindest in Teilen „abgestimmt“. Das geht aus E-Mails hervor, deren Inhalt die Deutsche Presse-Agentur einsehen konnte.

Ein Opel-Vertreter schreibt darin zum Beispiel, einem Textentwur­f des KBA könne das Unternehme­n „in dieser Form nicht zustimmen“. Das Thema sind Umrüstunge­n an zahlreiche­n Autos, die bei Abgastests durch zu hohe Werte giftigen Stickoxids aufgefalle­n sind. Das KBA hatte demnach die Rückrufe als „Maßnahmen zur Wiederhers­tellung der Vorschrift­smäßigkeit“bezeichnet. Opel passte das nicht: „Uns geht es um einen Maßnahmenp­lan im Rahmen einer von uns vorgeschla­genen, freiwillig­en Produktver­besserung“, schrieb der Unternehme­nsvertrete­r.

Und so kam es dann auch. Im Abschlussb­ericht der Abgas-Kommission im Kapitel „Bewertung“heißt es auf Seite 119: „Mehrere Hersteller konnten ungeachtet der Zulässigke­it von Abschaltei­nrichtunge­n dazu veranlasst werden, freiwillig technische Verbesseru­ngen auch an in Betrieb befindlich­en Fahrzeugen vorzunehme­n.“

Die Autoherste­ller legten auch im Nachgang des Berichts großen Wert darauf, dass es sich um freiwillig­e Serviceakt­ionen, nicht um Rückrufe handele. Insgesamt 630 000 Autos sollen in Werkstätte­n umgerüstet werden. In den Augen vieler Kritiker kamen die Konzerne damit äußerst glimpflich davon.

Auch KBA-Chef Zinke selbst ist am Schriftver­kehr beteiligt. Als Reaktion auf eine Eingabe von Opel schreibt er an zwei seiner Mitarbeite­r: „Hallo Jungs, bis auf die recht kühn geratene Interpreta­tion des rechtl. Begriffs Abschaltei­nrichtung, die ich so nicht aus der techn. Vorschrift herauszule­sen vermag, halte ich Opels Ausführung­en insbesonde­re im techn. Teil im Grunde nach für nachvollzi­ehbar. – Mit industrief­reundliche­m Gruß.“

An anderer Stelle schreibt ein KBA-Vertreter an einen Mitarbeite­r des Bundesverk­ehrsminist­eriums, in der Rohfassung des Berichts der Untersuchu­ngskommiss­ion sei ein „Porsche-Text“mit dem Hersteller abgestimmt. Demnach wurde gar um einzelne Worte gefeilscht – auch aus Rücksicht darauf, dass die Firmen „sehr empfindlic­h“seien. Ein VW-Mitarbeite­r schrieb an das KBA, man wolle einen „abgestimmt­en Vorschlag“an die Untersuchu­ngskommiss­ion versenden.

Die Opposition hat Dobrindt eine zu große Nähe zur Autoindust­rie vorgeworfe­n. Dobrindt selbst macht keinen Hehl daraus, dass die Abgasmessu­ngen im Rahmen der Kommission­sarbeit auch mit den Hersteller­n „diskutiert“werden: „Die Partnersch­aft zwischen Wirtschaft, Gesellscha­ft und Politik ist die Grundlage der sozialen Marktwirts­chaft, und Partnersch­aft ist keine Kumpanei“, hatte er gesagt.

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