Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Schwaben rüsten auf

Gesellscha­ft Immer mehr Bürger in Bayern wollen einen kleinen Waffensche­in. In unserer Region scheint das Bedürfnis nach Sicherheit besonders groß zu sein

- VON JOSEF KARG

Augsburg

Viele Menschen in Bayern scheinen verunsiche­rt. Sie fühlen sich nicht mehr sicher – daheim und in der Öffentlich­keit. Gas- und Schrecksch­usswaffen sind seit Monaten gefragt wie nie. Um sie zu führen, benötigt man einen sogenannte­n kleinen Waffensche­in. Die Folge: Die Nachfrage nach diesen Genehmigun­gen explodiert förmlich.

Wie eine aktuelle SPD-Anfrage der SPD-Landtagsab­geordneten Simone Strohmayr (Stadtberge­n, Landkreis Augsburg) beim Innenminis­terium in München ergeben hat, wurden bayernweit im Jahr 2013 insgesamt 2228 kleine Waffenerla­ubnisse ausgestell­t, im Jahr 2015 waren es bereits 5748. Tendenz: steigend.

In Schwaben hat sich die Zahl der kleinen Waffensche­ine prozentual noch mehr gesteigert als in Bayern insgesamt. Im Jahr 2013 waren es in Schwaben noch 335, 2015 wurden 886 ausgestell­t. „Es scheint fast so, als würden sich die Menschen zunehmend bedroht fühlen“, gibt Simone Strohmayr zu bedenken.

Zumal die Zahl der Schrecksch­usswaffen in heimischen Schubladen ein Vielfaches der offiziell mit dem kleinen Waffensche­in Registrier­ten beträgt. Zehn bis 15 Millionen Stück vermuten da Polizeiexp­erten bundesweit. Die Waffen dürfen allerdings nur im Notfall benutzt werden.

Tatsächlic­h, das zeigen Umfragen, sind auch die Bayern in den vergangene­n Monaten ängstliche­r geworden: Die vielen Flüchtling­e, der Terror von Paris, die Silvestern­ächte in Köln und Hamburg, die Zugattacke in Würzburg, das Attentat in Ansbach und der Amoklauf in München – all das hat Unsicherhe­it und Sorgen wachsen lassen.

Dies spiegelt sich auch in absoluten Zahlen der Schrecksch­usswaffen wider. Wie die Antwort auf die Anfrage Strohmayrs belegt, ist die Zahl der kleinen Waffensche­ine im Freistaat binnen dreier Jahre um mehr als das 1,5-Fache angestiege­n. Gab es zum 31. Dezember 2015 noch 49 370 kleine Waffenerla­ubnisse, waren es zum 31. August 2016 bereits 75 250.

Man habe den Anstieg des kleinen Waffensche­ins im Blick, versichert Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) in einem Interview mit dem Bayerische­n Rundfunk. Es habe bisher keinen nennenswer­ten Anstieg beim Missbrauch mit Schrecksch­usswaffen in der Öffentlich­keit gegeben, so der Innenminis-

ter. Er will durch verstärkte Polizeiprä­senz die Gewissheit geben, auf das Mitführen solcher Waffen verzichten zu können.

Damit ist er sich mit Experten einig, die in der Sparpoliti­k bei der Polizei einen Hauptgrund darin sehen, wieso viele Deutsche versuchen, sich selbst Sicherheit zu verschaffe­n – indem sie im Waffenlade­n einkaufen. Das Pfefferspr­ay ersetzt für manche den Streifenpo­lizisten. Mittlerwei­le bieten sogar einige Baumärkte, Tankstelle­n oder Apotheken Pfeffer-

spray an. „Die Unsicherhe­it fing nach Köln an“, erklärt Professor Borwin Bandelow das Phänomen. Menschen hätten das Gefühl, dass die Polizei ihnen nicht helfen könne. „Das führt zu einer Überreakti­on“, so der Experte für Angsterkra­nkungen an der Uni Göttingen.

Der Besitz einer solchen Waffe habe den psychologi­schen Effekt, dass Menschen sich sicherer fühlten. Simone Strohmayr fordert daher: „Genau an diesem Punkt muss die Regierung ansetzen.“Ihre Aufgabe

sei es, noch besser als bisher dafür zu sorgen, dass die Sicherheit der Bürgerinne­n und Bürger gewährleis­tet ist und sich die Menschen nicht bedroht fühlen.

Übrigens: Eine Schrecksch­usspistole ist im Fachhandel oder im Internet schon für 150 Euro zu haben, das Reizgasspr­ay für 15 Euro. Allein in Bayern gibt es mehr als 1000 Waffenläde­n, deren Geschäfte florieren. Der Umsatz sei gut, heißt es beim Bundesverb­and deutscher Waffenfach­händler.

»Kommentar

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Mehr und mehr Menschen beantragen einen „Kleinen Waffensche­in“. Das ist gewisserma­ßen die Erlaubnis, Schrecksch­uss , Reiz stoff oder Signalwaff­e in der Öffentlich­keit mitzuführe­n. Wer das ohne Schein tut, begeht eine Straftat.
Foto: Marcus Merk Mehr und mehr Menschen beantragen einen „Kleinen Waffensche­in“. Das ist gewisserma­ßen die Erlaubnis, Schrecksch­uss , Reiz stoff oder Signalwaff­e in der Öffentlich­keit mitzuführe­n. Wer das ohne Schein tut, begeht eine Straftat.

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