Augsburger Allgemeine (Land West)
Polizei überprüft Landeskriminalamt
Affäre Betrug, Strafvereitelung und Urkundenfälschung: Gegen Mitarbeiter der Abteilung „Organisierte Kriminalität“gibt es schwere Vorwürfe. Sie sollen Straftaten der Rockergruppe „Bandidos“gedeckt haben. Ein Spitzel plauderte
München/Würzburg
In der V-MannAffäre des Landeskriminalamts (LKA) hat die Staatsanwaltschaft weitere Beweise in den Diensträumen in München sichergestellt. Das bestätigte am Freitag eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg. Das Brisante an dieser Razzia ist: Sie fand ausgerechnet in der Abteilung für „Organisierte Kriminalität“statt.
Die Anklagebehörde in Nürnberg ermittelt bereits seit mehr als zwei Jahren gegen mehrere LKA-Beamte. Inzwischen werden sechs Ermittler beschuldigt, darunter zwei Führungskräfte. Es geht unter anderem um den Verdacht der Strafvereitelung im Amt, um Urkundenfälschung, Falschaussagen vor Gericht sowie um sogenannten Diebstahl in mittelbarer Täterschaft.
Einer der Beamten wurde bereits im Februar vom Dienst suspendiert. Der Kripokommissar war Kontaktmann eines Verbindungsmanns im Rockermilieu. Er soll Straftaten des V-Manns bei der Gruppierung „Bandidos“nicht nur gedeckt haben, sondern beim Diebstahl von Minibaggern in Dänemark quasi Komplize gewesen sein. V-Leute sind Informanten von Polizei oder Nachrichtendiensten. Der Begriff steht für „Vertrauens- oder Verbindungspersonen“. Sie liefern regelmäßig Informationen aus kriminellen oder extremistischen Milieus, in die Ermittler sonst keinen Einblick hätten.
Bereits 2014 und 2015 hatte es in dem Fall Razzien im LKA sowie in Privatwohnungen der verdächtigen Beamten gegeben. Am Donnerstag vergangener Woche ging es nun um „ein Schriftstück“von einer LKAMitarbeiterin und Zeugin, wie ein Sprecher des LKA sagte. Dieses Schriftstück sei von der Staatsanwaltschaft verlangt und ihr daraufhin ausgehändigt worden. Durchsucht wurden nicht nur Büros, sondern auch Privatwohnungen von LKABeamten in München, Nürnberg und Augsburg.
Der suspendierte Kommissar arbeitete in der Nürnberger Außenstelle des Landeskriminalamts und betreute den Spitzel in der Rockergang. 2011 machten sich die „Bandidos“auf, teure Minibagger in Dänemark zu stehlen, die sie in Südosteuropa verkaufen wollten. Der V-Mann-Führer beim LKA war darüber nicht nur informiert, sondern soll dem V-Mann sogar Ratschläge für die kriminelle Auslandsreise gegeben haben. Danach sollen er und weitere Beamte Akten zu dem V-Mann gefälscht haben. Das fand später die Kripo Nürnberg heraus, die den heiklen Fall aufklären soll.
Die anderen verdächtigen Beamten sind weiterhin im Dienst. Ein Kriminaldirektor leitet derzeit die wieder aufgenommenen Ermittlungen zum Oktoberfestattentat – obwohl er im Verdacht steht, Straftaten vertuscht zu haben. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Landtag, Franz Schindler (SPD), sagte: „Schon im eigenen Interesse der Beamten müsste man diese während laufender Ermittlungen eigentlich von leitenden Funktionen abziehen.“
Ein Sprecher des Innenministeriums betonte, der Fall werde „fortlaufend geprüft“. Im Moment gebe es jedoch keinen neuen Ermittlungsstand. Mögliche disziplinarrechtliche Schritte wie etwa eine Suspendierung könne es erst geben, wenn sich die Verdachtslage erhärte. Ins Rollen gekommen waren die Ermittlungen gegen die LKA-Beamten durch einen Drogenprozess gegen den früheren V-Mann. Als Angeklagter beschuldigte dieser Mario W. in dem Verfahren die Ermittler. Das Landgericht Würzburg verurteilte den ExSpitzel im August wegen Drogenschmuggels zu zwei Jahren und drei Monaten Haft.
W.s Aussagen sowie eine stattliche Anzahl von Indizien nährten den Verdacht gegen die sechs LKA-Beamten. Der Ex-Spitzel hatte vor Gericht behauptet, er habe Straftaten nur begangen, um im Dienst des LKA im kriminellen Rockermilieu erfolgreich operieren zu können – was illegal wäre. Beispielsweise habe ihn sein Betreuer beim LKA Ende 2011 vor Nachforschungen Würzburger Rauschgiftfahnder gewarnt. Ob dies stimmt, ist umstritten. Jedenfalls hatte er beim nächsten Treff keinen „Stoff“dabei, als ihn die Drogenfahnder durchsuchten.
Zudem erzählte Mario W. von einer Fülle von Straftaten während seines getarnten Einsatzes bei den Rockern. Es verfestigte sich der Eindruck, die Ermittlungsbehörde habe dabei ihre Hand schützend über den eigenen Spitzel gehalten und nur eigene Erfolge im Blick gehabt.
Als dies im Würzburger Prozess bekannt wurde, versuchte das LKA den Flurschaden zu begrenzen – auf nicht immer geschickte Art. Ein Prozessbeobachter soll aus dem Prozess gegen Mario W. in Würzburg Einschätzungen in die Münchner Behörde geliefert haben, die den eigenen Kollegen bei der Vorbereitung für deren Zeugenaussage vor Gericht helfen konnte. Es gibt auch Belege dafür, dass Akten verändert wurden.
Manfred Schweidler und Cathérine Simon, dpa