Augsburger Allgemeine (Land West)

Wieder fährt ein Taxi nach Leipzig

Titel Thema Wer zum „Tatort“-Jubiläum eine nette Erinnerung an die Premiere von 1970 erwartet, wird enttäuscht sein. Die Folgen haben nichts miteinande­r zu tun. Einschalte­n lohnt sich trotzdem

- VON RUPERT HUBER

Sonntag, ARD, 20.15 Uhr

Da hat sich die ARD in vielen Konferenze­n etwas ausgedacht. Wenn schon am Sonntag die 1000. „Tatort“-Folge läuft, spielen wir halt mit dem Thema. Also: Das „Taxi nach Leipzig“rollte zur Premiere am 29. November 1970 von Fernseh-Westdeutsc­hland nach Osten. Gemächlich wie die Handlung auch.

Nun fährt am Sonntag unter demselben Titel ein Taxifahrer nach Sachsen. Es ist ein zum Glück für die Jubilare und Zuschauer überdurchs­chnittlich­er „Tatort“geworden. Ein Krimi? Irgendwie schon. Ein Psycho-Thriller? Auf jeden Fall.

Dieses „Taxi nach Leipzig“wird aber nicht jedem gefallen. Es gibt wenig Action und zu lange Szenen, die dialoglast­ig die Autofahrte­n ver- längern. Aber was für eine Konstellat­ion! Cooler Anfang: Da sitzen der Kieler Hauptkommi­ssar Klaus Borowski (Axel Milberg) und LKAFrau Charlotte Lindholm (Maria Furtwängle­r) aus Hannover in einem stinklangw­eiligen Seminar, bei dem es nur mickrige Brötchen gibt, wobei die Lindholm dem hungrigen Borowski das letzte Häppchen wegschnapp­t.

Doch bevor der Kieler Cop Zeit findet, zu schmollen, landen beide in einem Taxi. Das fährt der liebeskran­ke, psychisch gestörte Rainald Klapproth (Florian Bartholomä­i) – eine unberechen­bare Zeitbombe, die den Plot vorantreib­t. Zwei festgebund­ene Polizisten auf dem Rücksitz in einer verzweifel­ten Reise in die Nacht, weil am Steuer ein ehemaliger Elitesolda­t mit Afghanista­n-Trauma sitzt. Ein Profi, der die Eskalation­stheorie-Versatzstü­cke, die Charlotte Lindholm im verbalen Clinch anbringt, kennt.

Mag sein, dass für manchen Zuschauer zuviel gesprochen wird in dem Krimi, der eigentlich eine Mischung aus Psycho-Thriller und Kammerspie­l ist. Und der die Gedanken der drei Hauptfigur­en, die viel verraten, auch noch hörbar macht. Das Taxi als Symbol der Klaustroph­obie, aus der Borowski und Lindholm nur einmal kurz flüchten können. Am Ende läuft die ganze Geschichte aus dem Ruder.

Da können die Kurz-Auftritte von „Tatort“-Veteranen wie Karin Anselm, Günter Lamprecht und Hans Peter Hallwachs nur für ein charmantes Wiedersehe­n sorgen.

Für die schauspiel­erische Chemie ist neben dem von Bartholomä­i als durchgekna­llte Type fasziniere­nd gespielten Taxifahrer das Duo Borowski (Milberg)/Lindholm (Furtwängle­r) zuständig.

Job mit Schmerzen erledigt, aber man fragt sich, warum die zwei selbst in Todesangst sich noch siezen. „Klaus, gehen Sie jetzt nicht raus!“Der Klaus ging trotzdem raus. Man sollte die beiden noch einmal zusammensp­annen. Dann klappt’s auch mit dem Du. O

Im Anschluss zeigt das Erste um 21.45 Uhr die Doku „Sonntags mörder – Ermittlung über 1000 Tatorte“.

TV Tipp

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany