Augsburger Allgemeine (Land West)
Wieder fährt ein Taxi nach Leipzig
Titel Thema Wer zum „Tatort“-Jubiläum eine nette Erinnerung an die Premiere von 1970 erwartet, wird enttäuscht sein. Die Folgen haben nichts miteinander zu tun. Einschalten lohnt sich trotzdem
Sonntag, ARD, 20.15 Uhr
Da hat sich die ARD in vielen Konferenzen etwas ausgedacht. Wenn schon am Sonntag die 1000. „Tatort“-Folge läuft, spielen wir halt mit dem Thema. Also: Das „Taxi nach Leipzig“rollte zur Premiere am 29. November 1970 von Fernseh-Westdeutschland nach Osten. Gemächlich wie die Handlung auch.
Nun fährt am Sonntag unter demselben Titel ein Taxifahrer nach Sachsen. Es ist ein zum Glück für die Jubilare und Zuschauer überdurchschnittlicher „Tatort“geworden. Ein Krimi? Irgendwie schon. Ein Psycho-Thriller? Auf jeden Fall.
Dieses „Taxi nach Leipzig“wird aber nicht jedem gefallen. Es gibt wenig Action und zu lange Szenen, die dialoglastig die Autofahrten ver- längern. Aber was für eine Konstellation! Cooler Anfang: Da sitzen der Kieler Hauptkommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) und LKAFrau Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) aus Hannover in einem stinklangweiligen Seminar, bei dem es nur mickrige Brötchen gibt, wobei die Lindholm dem hungrigen Borowski das letzte Häppchen wegschnappt.
Doch bevor der Kieler Cop Zeit findet, zu schmollen, landen beide in einem Taxi. Das fährt der liebeskranke, psychisch gestörte Rainald Klapproth (Florian Bartholomäi) – eine unberechenbare Zeitbombe, die den Plot vorantreibt. Zwei festgebundene Polizisten auf dem Rücksitz in einer verzweifelten Reise in die Nacht, weil am Steuer ein ehemaliger Elitesoldat mit Afghanistan-Trauma sitzt. Ein Profi, der die Eskalationstheorie-Versatzstücke, die Charlotte Lindholm im verbalen Clinch anbringt, kennt.
Mag sein, dass für manchen Zuschauer zuviel gesprochen wird in dem Krimi, der eigentlich eine Mischung aus Psycho-Thriller und Kammerspiel ist. Und der die Gedanken der drei Hauptfiguren, die viel verraten, auch noch hörbar macht. Das Taxi als Symbol der Klaustrophobie, aus der Borowski und Lindholm nur einmal kurz flüchten können. Am Ende läuft die ganze Geschichte aus dem Ruder.
Da können die Kurz-Auftritte von „Tatort“-Veteranen wie Karin Anselm, Günter Lamprecht und Hans Peter Hallwachs nur für ein charmantes Wiedersehen sorgen.
Für die schauspielerische Chemie ist neben dem von Bartholomäi als durchgeknallte Type faszinierend gespielten Taxifahrer das Duo Borowski (Milberg)/Lindholm (Furtwängler) zuständig.
Job mit Schmerzen erledigt, aber man fragt sich, warum die zwei selbst in Todesangst sich noch siezen. „Klaus, gehen Sie jetzt nicht raus!“Der Klaus ging trotzdem raus. Man sollte die beiden noch einmal zusammenspannen. Dann klappt’s auch mit dem Du. O
Im Anschluss zeigt das Erste um 21.45 Uhr die Doku „Sonntags mörder – Ermittlung über 1000 Tatorte“.
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