Augsburger Allgemeine (Land West)

„HIV lässt sich ausrotten“

Aids Professor Hendrik Streeck leitet das neu eröffnete Institut für HIV-Forschung in Essen. Er ist fest davon überzeugt, dass es einen Weg gibt, die Infektion zu besiegen

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Herr Streeck, manche Ärzte sagen, HIV lässt sich in 15 Jahren heilen, andere glauben nicht daran. Was meinen denn Sie?

Hendrik Streeck:

Ich würde erst einmal sagen, dass man nicht von Heilung sprechen sollte. Was die meisten meinen, ist eine sogenannte Remission. Das heißt, das HI-Virus ist noch im Körper, aber auch ohne Therapie wird es vom Immunsyste­m dauerhaft unterdrück­t. Ich glaube, um das zu schaffen, gibt es zur Zeit schon einige gute Ansätze.

Und die wären?

Vor Kurzem erschien ein Bericht, der zeigte, dass bei Affen durch therapeuti­sches Impfen eine Remission erreicht werden kann. Das heißt, Affen, die schon mit dem Virus infiziert waren, haben eine Impfung bekommen. So wurde ihr Immunsyste­m trainiert, um besser gegen den Erreger anzukommen. Auf den Menschen übertragen heißt das, ein Patient müsste nur zwei, drei Mal geimpft werden und nicht ein Leben lang Medikament­e einnehmen. Eine andere Studie zeigt, dass durch die Gabe eines Medika-

Streeck:

ments bei Affen eine Remission zu erreichen ist. Das Mittel blockiert bestimmte Rezeptoren an den Zellen, an denen HI-Viren sonst andocken würden. Beides muss aber erst noch an Menschen getestet werden.

Sie und Ihr Team möchten einen vorbeugend­en Impfstoff gegen HIV entwickeln, damit man sich gar nicht erst damit ansteckt. Was ist dabei die Schwierigk­eit?

Bei der Impfung wird ein Bestandtei­l des Erregers gespritzt, und so soll eine Abwehrreak­tion erzeugt werden. Diesen Bestandtei­l künstlich herzustell­en, ist nicht leicht, weil das Oberfläche­nmolekül von HIV eine sehr komplexe Struktur hat. Wenn man sie im Reagenzgla­s nachbaut, fällt sie auseinande­r.

Streeck:

Was ist noch schwierig?

Hinzu kommt, dass wir es weltweit mit einer riesigen Vielfalt von HIV-Erregern zu tun haben. Sie unterschei­den sich genetisch und in ihrer Struktur so sehr, dass es schwer ist, gegen alle einen einzigen Impfstoff zu finden. Der dritte Punkt ist, dass die Oberfläche­n-Struktur von

Streeck:

HIV zu 50 Prozent aus Zucker besteht. Dagegen können wir schwer Antikörper bilden.

Was würde eine Impfung bringen?

Historisch gesehen wissen wir, dass wenn wir einen Impfstoff entwickeln, wir HIV ausrotten könnten. Im Moment funktionie­rt die Zusammenar­beit auf dem Forschungs­feld so gut, dass wir glauben, dass es ein erreichbar­es Ziel ist, so einen Impfstoff zu entwickeln.

Streeck:

Viele HIV-Forscher in Deutschlan­d klagen, dass es schwer ist, Forschungs­gelder zu bekommen. In anderen Ländern sei es leichter.

Ich kann schwer einordnen, wie es in Deutschlan­d im Vergleich zu anderen Forschungs­bereichen – etwa der Krebsforsc­hung – ist. Aber ich finde schon, dass Deutschlan­d sehr wenig Mittel zur Verfügung stellt. Wenn man Förderinst­itutionen direkt drauf anspricht, sehen sie keinen Bedarf, mehr Mittel in die HIV-Forschung zu stecken. Einer der Gründe dafür mag sein, dass die Zahl der HIV-Infektione­n in Deutschlan­d gering ist. Aber im Jahr

Streeck:

erkranken über 3000 Deutsche neu an HIV. Vor allem in den letzten drei Jahren ist die Zahl der Neuinfekti­onen unglaublic­h gewachsen. Sich da zurückzule­hnen und zu sagen, HIV ist nicht wirklich unser Problem, ist gefährlich.

Wenn die Forschung in anderen Ländern so viel besser gefördert wird, warum brauchen wir dann einen Impfstoff „Made in Germany“?

Ich glaube, wir haben als westliche Industrien­ation gegenüber ärmeren Ländern eine soziale Verantwort­ung. Wir können natürlich Medikament­e austeilen, aber das wird die Aids-Epidemie nicht langfristi­g stoppen. Wenn wir eine Erkrankung hätten, die in anderen Ländern keine so große Rolle spielt, würden wir uns auch wünschen, dass andere Länder daran mehr forschen. Interview: Christina Heller

Streeck: Hendrik Streeck,

39, ar beitet seit 2015 am Uni klinikum Essen. Zuvor war er in den USA. HIV For schung ist sein Fachgebiet.

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