Augsburger Allgemeine (Land West)
Erst ein Gesamtkonzept
Dinkelscherben
Bald könnte wieder Leben in den Bahnhof Dinkelscherben einkehren. Die beiden Wohnungen über dem ehemaligen Wartesaal stehen seit 2008 leer. Nun könnten sie saniert und an anerkannte Flüchtlinge vermietet werden. Der Architekt Gunther Wild hat dazu in der vergangenen Marktratssitzung ein Konzept vorgestellt. Die Vorteile: Der Gemeinde käme die Sanierung sehr günstig. Und es könnte sehr schnell gehen.
Die Dinkelscherber diskutieren seit Jahren, was mit dem Bahnhofsgelände passieren soll. Große Teile stehen leer, sind abgesperrt – alles in allem wenig ansehnlich. 2013 hat die Gemeinde den Bahnhof und den Parkplatz gekauft, vergangenes Jahr auch das Maischberger Areal daneben – insgesamt gut 9500 Quadratmeter. Ideen für das Gelände gibt es viele, ein fertiges Konzept noch nicht. Im Gespräch sind Gastronomie, Praxen oder Wohnungen; einen Investor, der dort einen großen Lebensmitteloder Baumarkt errichtet, will man dagegen nicht. Bei der Sanierung und/oder Neubebauung soll Geld aus der staatlichen Städtebauförderung helfen. Die übernimmt bis zu 40 Prozent der förderfähigen Kosten.
Nun gibt es allerdings ein neues Programm, das für die Kommune wesentlich lukrativer ist. Damit sollen leer stehende Gebäude saniert und darin Wohnungen für anerkannte Flüchtlinge eingerichtet werden. Die Gemeinde bekommt dafür eine extrem hohe Förderung. Im konkreten Fall hieße das: Die beiden Wohnungen im ersten und zweiten Stock des Bahnhofes aus dem 19. Jahrhundert könnten für knapp 400 000 Euro saniert werden – und die Gemeinde müsste nur 77000 Euro zahlen. Die beiden Vier-Zimmer-Wohnungen hätten jeweils gut 100 Quadratmeter und könnten von Flüchtlingsfamilien mit zwei bis drei Kindern bezogen werden. Es wäre auch möglich, auf den zwei Stockwerken insgesamt vier kleinere Wohnungen einzurichten. Dann müssten allerdings Wände versetzt werden, die Kosten würden auf fast 500 000 Euro steigen. Weil es bei dem Programm um eine möglichst kostensparende Sanierung geht, würde die Förderstelle bei Kosten von einer halben Million wohl nicht zustimmen, betonte Wild. Realistisch sind also eher zwei große Wohnungen. Die Sanierung würde sehr schnell gehen: Im August könnten die Wohnungen bezugsfertig sein.
Für das Geld vom Freistaat gibt es allerdings Voraussetzungen: In den ersten sieben Jahren dürfen nur anerkannte Flüchtlinge in die Wohnungen ziehen. Den Preis (etwa 4,20 Euro pro Quadratmeter) legt das Landratsamt fest, die Miete zahlt die Arbeitsagentur. Dinkelscherben könnte so etwa 11000 Euro im Jahr einnehmen. Später dürfen die Räume frei vermietet werden – allerdings müssen sie insgesamt 25 Jahre lang als Wohnungen genutzt werden.
Viele Gemeinderäte begrüßten das Konzept. Sie sahen vor allem zwei Vorteile: eine schnelle und sinnvolle Nutzung für den Bahnhof und geringe Kosten für die Gemeinde. Die Integrationsbeauftragte Evi Madalenko-Stuhler (UW14) betonte, Wohnraum für anerkannte Flüchtlinge werde dringend benötigt. Sie müssen aus den Asylunterkünften ausziehen, finden aber oft keine Wohnung. Allerdings sei der Bedarf an kleineren Appartements viel größer, denn es gebe deutlich mehr Einzelpersonen als Familien. Mehrere Räte sprachen sich deshalb für eine Mischlösung aus: mit einer großen Wohnung auf der einen und zwei kleinen Wohnungen auf der anderen Etage. Ob dies allerdings den Kostenrahmen für die Förderung sprengen würde, konnte Planer Wild nicht sagen. Skeptisch war unter anderem Tobias Mayr (CSU). Er betonte, man müsse vor einer Entscheidung das Gesamtgelände betrachten: „Nicht, dass man sich was verbaut.“Außerdem kenne er auch viele heimische Familien, die genauso eine Wohnung suchen. „Da wird uns die Bevölkerung schon fragen: Warum kann ich nicht in diese Wohnung rein?“
Das Thema soll nun noch einmal in der Dezembersitzung besprochen werden. Schon jetzt ist klar: Das Erdgeschoss des Bahnhofs bleibt erst mal unberührt. Da ist erst eine Nutzungsänderung nötig. Die Gemeinde hat dafür sogenannte Entwidmung bei der Bahn beantragt. Wie lange diese dauern wird, sei aber unklar, sagte Bürgermeister Edgar Kalb.
Es gibt viele gute Argumente dafür, in dem leer stehende Bahnhof von Dinkelscherben Wohnungen für anerkannte Flüchtlinge einzurichten. Aber es gibt auch viele Alternativen. Deshalb muss sich der Gemeinderat gut überlegen, ob er das neue Förderprogramm tatsächlich nutzen will. Und vor allem braucht er ein Gesamtkonzept für das große Gelände in der Ortsmitte.
Natürlich ist das Angebot, dass der Staat bis zu 90 Prozent der Wohnungssanierung zahlt, für die Gemeinde verlockend. Den Bürgervertretern im Gemeinderat sollte aber klar sein: Egal, ob der Freistaat oder der Markt zahlt, letztendlich kommt das Geld – stolze 400 000 Euro für zwei Wohnungen – immer vom Steuerzahler.
Bevor sich der Rat für die Flüchtlingswohnungen entscheidet, sollte er zumindest einen groben Plan haben, was mit dem Rest des Geländes passieren soll. Sonst könnten die Wohnungen womöglich die weitere Entwicklung blockieren. Sie müssen nämlich 25 Jahre lang fürs Wohnen genutzt werden – ansonsten müsste die Gemeinde die großzügigen Zuschüsse zurückzahlen. Im schlimmsten Fall hat Dinkelscherben später zwei schöne Wohnungen und drum herum ein riesiges verfallenes Areal. Zunächst aber bleiben viele Fragen: Wäre es nicht besser, mehrere kleinere Wohnungen einzurichten? Sind Wohnungen direkt an der Bahnstrecke überhaupt sinnvoll? Und sollte das alte Gebäude nicht auch energetisch saniert werden? Für all das gibt es zwar nicht solche satten Zuschüsse vom Staat, nachdenken sollte man darüber aber trotzdem.