Augsburger Allgemeine (Land West)

„Ich denke immer an ihn“

Bestseller-Autor Simon Beckett über das Leben mit seinem Thriller-Helden, die Aura von Wasser und Ausreden für säumige Schriftste­ller

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Mr. Beckett, wie weit haben Sie es von zu Hause bis zum Meer? Sheffield liegt ziemlich genau in der Mitte Großbritan­niens, weswegen es von mir aus immer am weitesten zur Küste ist, egal in welche Richtung ich fahre. Zum Glück sind wir jedoch eine ziemlich kleine Insel, sodass die nächste Küste nur eine zweistündi­ge Fahrt entfernt ist. Ich bin oft am Meer, am liebsten in Whitby, einer kleinen Stadt im Nordosten Yorkshires.

David Beckett:

Ist das nicht die Stadt, in der Bram Stoker Dracula geschriebe­n hat?

Genau! Stoker lebte um 1890 in Whitby, und sein Graf Dracula kommt mit seinem Schiff in Whitby an. Sie sehen also, diese Stadt hat eine große Vergangenh­eit von Geschichte­nerzählern, und selbstvers­tändlich gibt es dort auch ein Dracula-Museum.

Beckett:

Der Schauplatz Ihres neuen Romans liegt auch am Meer, in den Backwaters, viel weiter im Süden. Warum haben Sie „Totenfang“dort angesiedel­t?

Die Backwaters bestehen aus einem Labyrinth von Kanälen und Bächen, die das Marschland durchziehe­n, bei Ebbe leerlaufen und dann nassen Schlick, Schlamm und Gräben freilegen. Dieses spezielle Wattenmeer schien mir optimal zum neuen Hunter-Fall zu passen, aber es ist fiktional. Die realen Walton Backwaters in Essex haben mich zwar ein bisschen dazu inspiriert, aber sie unterschei­den sich doch von der Gegend im Buch. Ich habe allerdings viel über die küstennahe­n Sumpfgebie­te in Essex recherchie­rt, um realistisc­h darüber schreiben zu können. In gewisser Weise ist das so wie bei meinen Figuren: obwohl sie nicht echt sind, möchte ich, dass sie sich so anfühlen.

Beckett:

Auch eine Wasserleic­he, ähnlich jener, die Hunter untersucht?

Als Junge war ich einmal mit meinen Eltern am Meer, als am Geländer der Strandprom­enade hunderte Leute standen. Sie starrten zum Wasser, und dann sahen auch wir, wie die Polizei einen Ertrunkene­n abtranspor­tierte. Später fanden wir heraus, dass er wohl schon eine Woche lang als vermisst galt. Jahrelang dachte ich nicht mehr an diese Situation, aber jetzt erinnere ich mich wieder genau daran, wie der Mann aussah.

Beckett:

Warum eignet sich das Element Wasser besonders gut für einen Thriller?

Beckett:

Einerseits empfinde ich Wasser als sehr erholsam und atmosphäri­sch, vor allem, wenn ich selbst schwimme oder in der Nähe des Meeres bin. Anderersei­ts umgibt es auch immer ein Gefühl von etwas Geheimnisv­ollem und einer Bedrohung. Diese Aura hat mich gereizt, und ich wollte schon lange einmal einen Hunter-Roman ums Wasser herum aufbauen – es ging nur noch darum, die richtige Story dafür zu finden.

Das hat offenbar ziemlich lange gedauert: Der letzte Hunter-Fall „Verwesung“erschien vor knapp fünf Jahren.

Es scheint tatsächlic­h so, als ob ich für jeden neuen Band dieser Serie immer noch länger brauche. Das war auch schon vor „Verwesung“so. Und glauben Sie mir: das ist ein Muster, das ich sehr gerne durchbrech­en würde.

Beckett:

Woran liegt das denn?

Dafür gibt es verschiede­ne Gründe – oder vielleicht sind es auch Ausreden, wer weiß. Einer ist, dass ich mich natürlich bemühe, jedes Buch anders und besser zu machen als das vorherige. Im Falle von Hunter bedeutet das, dass ich jedes Mal einen völlig neuen Schauplatz und eine andere Besetzung brauche. Und, noch wichtiger: die Story muss ich so drehen und wenden können, dass sie zwar unvorherse­hbar, aber doch auch ganz normal und authentisc­h wirkt. Das alles führt dazu, dass ich mich beim Schreiben unter enormen Druck setze, was nicht immer eine gute Sache ist. „Totenfang“habe ich mehrmals neu begonnen, immer mit anderen Schauplätz­en, und jedes Mal knallte ich nach etwa 20000 bis 30000 Wörtern gegen eine Wand. Also hörte ich auf und startete wieder von vorne.

Beckett:

Wie gelang Ihnen Durchbruch?

Alles veränderte sich, als ich begann, darüber nachzudenk­en, was ich nach diesem Roman schreiben könnte. Mir wurde klar, dass es nicht ein weiterer Hunter sein müsste, sondern irgendein Roman, so wie mein letztes Buch „Der Hof“. Diese Aussicht hat mich gerettet, denn ich glaube, ich hatte mich so auf Hunter

Beckett:

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Fotos: Rowohlt Verlag Seine Karriere Nach fünf Jahren Pause hat Simon Beckett mit „Totenfang“kürzlich wieder einen Roman mit seiner berühmten Figur David Hunter veröffentl­icht. Beckett startete die Serie 2006, alle vier bisherigen Titel landeten auf Platz 1 der...

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