Augsburger Allgemeine (Land West)

„Hütet Euch vor leichtsinn­igem Geschlecht­sverkehr!“

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Krieg ist Krieg, aber ein Mann ist ein Mann. Auf diesen Nenner lässt sich ein – angesichts des täglichen Leidens und Sterbens – scheinbar eher nebensächl­iches Problem aller am Krieg beteiligte­n Armeen bringen. Wie lässt sich der Sexualtrie­b zigtausend­er Männer beherrsche­n, die nun zum Teil schon seit Jahren weg von zu Hause sind? Dabei ist es natürlich weniger die Sorge um Sitte und Moral, die die Militärs umtreibt, sondern die Angst vor der Ausbreitun­g ansteckend­er Geschlecht­skrankheit­en – und damit eine Schwächung der Truppe.

Von den im August 1914 knapp 10,5 Millionen wehrpflich­tigen Männern zwischen 17 und 45 Jahren dienten im Dezember desselben Jahres bereits fünf Millionen. Parallel mit dem Schwinden der Hoffnung auf ein schnelles Ende des Krieges verstummen darum bald auch die Appelle an die Enthaltsam­keit im Feld. Wenn die Soldaten schon Grundbedür­fnisse haben, die sie stillen wollen, so müsse das zumindest einigermaß­en kontrollie­rt geschehen, dies war die pragmatisc­he Schlussfol­gerung der Befehlshab­er. Kurz: Die Prostituti­on erlebt in diesen Kriegstage­n eine wohl ungekannte Blüte. In Front- und Etappenbor­dellen sollten die Männer ihr Triebleben verrichten können – unter strenger medizinisc­her Aufsicht und entwürdige­nden Bedingunge­n für die Prostituie­rten und ihre Kunden. Offiziere und Befehlshab­er wollen da nicht außen vor bleiben und lassen sich in separaten Etablissem­ents, streng getrennt von den Mannschaft­en bedienen. Doch die Prostituti­on prosperier­t nicht nur an der Front.

Die sich immer mehr zuspitzend­e Versorgung­skrise in der Heimat zwingt auch viele Kriegerfra­uen in die Gelegenhei­tsprostitu­tion. Die Folge: Auch dort breiten sich Geschlecht­skrankheit­en aus, nicht wenige Krieger stecken sich sogar erst während ihres knappen Heimaturla­ubs an. So drängend wird das Problem, dass sogar im Reichstag darüber diskutiert wird, wie die Volksgesun­dheit angesichts der vielen Erkrankten bewahrt werden könne.

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