Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Leitbild und viel Leidiges

Vergangenh­eitsbewält­igung Nachtrag zu einem Streit mit dem Ex-Außenminis­ter der DDR. Es ging auch um Finanzen der Kriegsgräb­erfürsorge

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„Die meisten kämpften im Bewusstsei­n, ihre nationale Pflicht zu erfüllen. Viele machten sich schuldig. Andere konnten sich entziehen. Wenige leisteten Widerstand.“Dies sind Kernsätze eines „Leitbildes“zum Zweiten Weltkrieg, das der Volksbund Deutsche Kriegsgräb­erfürsorge jetzt nach zweijährig­er, teils strittiger Debatte verabschie­det hat. In diesen Grundsätze­n heißt es zur deutschen Vergangenh­eit weiter: „Wir stellen uns der deutschen Geschichte: Im Ersten Weltkrieg mit seinen Folgen lag der Ursprung einer Epoche exzessiver Gewalt und totalitäre­r Diktaturen, die im Zweiten Weltkrieg einen historisch­en Höhepunkt fand. Dieser Angriffskr­ieg des nationalso­zialistisc­hen Deutschlan­ds forderte Millionen Opfer, Soldaten und Zivilisten, und war Voraussetz­ung für beispiello­se Verbrechen bis hin zum Völkermord an den europäisch­en Juden. Damit stellt sich auch die Frage der persönlich­en Verantwort­ung unter den Bedingunge­n von Diktatur und Krieg. Pauschale Schuldzuwe­isungen verbieten sich.“

Schließlic­h wird in dem „Leitbild“zum Selbstvers­tändnis des Verbandes betont: „Wir suchen nach Wegen dialogisch­en Erinnerns… Wir tragen dazu bei, dass junge Menschen Erinnern und Gedenken selbststän­dig gestalten.“Mit der Annahme des Grundsatzp­apiers und dem Rücktritt des bisherigen Präsidente­n des Volksbunde­s, Markus Meckel – wir berichtete­n –, beendete die Organisati­on ein leidiges Kapitel ihrer jüngsten Geschichte. Meckel, der erst vor drei Jahren zum Vorsitzend­en gewählt worden war, kam mit seinem Rücktritt der sicheren Abwahl zuvor.

Das „Leitbild“war nur einer von mehreren Streitpunk­ten zwischen dem letzten Außenminis­ter der DDR und dem Volksbund. Meckel hatte beispielsw­eise darauf beharrt, deutlicher herauszust­ellen, dass es sich beim Zweiten Weltkrieg nicht nur um einen Angriffs-, sondern generell auch um einen rassistisc­h motivierte­n Vernichtun­gskrieg gehandelt habe. Eine klare Mehrheit wollte dagegen ein solches Urteil ausschließ­lich auf den Ostkrieg beschränkt wissen.

Der Landesvors­itzende des Volksbunde­s in Bayern, Wilhelm Weidinger, hob hervor, es sei nicht Aufgabe seiner Organisati­on, zu differenzi­eren, ob auf einem Friedhof auch Schuldige lägen. Man solle die Toten ruhen lassen. Es bringe nichts, wenn Schulklass­en recherchie­rten, ob auf einem Friedhof auch Angehörige der Waffen-SS begraben seien. Weidinger warf Meckel vor, er habe den Eindruck erweckt, es stünden im Volksbund Reformer gegen „ewig Gestrige“. Das sei völlig falsch.

Der Landeschef rügte ferner, der Ex-Minister habe öffentlich vor einem finanziell­en Kollaps der Organisati­on gewarnt, den er selbst heraufbesc­hworen habe. Beispielsw­eise seien von Meckel 25 neue Stellen geschaffen worden. Weidinger bekräftigt­e wörtlich: „Die Finanzen lassen sich in Ordnung bringen.“

Interimist­isch führt den Volksbund jetzt der ehemalige Generalins­pekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderh­an. Beobachter erwarten, dass er zum Nachfolger Meckels als Präsident gewählt wird.

Willi Naumann

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Foto: dpa Hatte keinerlei Rückhalt mehr im Volksbund: Minister a. D. Meckel.

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