Augsburger Allgemeine (Land West)

Trump trifft erste Richtungse­ntscheidun­gen

USA Der Wahlsieger kündigt an, kriminelle Migranten zügig auszuweise­n. Die Besetzung einer künftigen Schlüsselp­osition im Weißen Haus zeigt, dass der künftige Präsident auch gemäßigte Kräfte zum Zuge kommen lässt

- VON THOMAS SEIBERT

Washington

Knapp eine Woche nach seinem überrasche­nden Wahlsieg hat Donald Trump eine erste Richtungse­ntscheidun­g getroffen. Der designiert­e US-Präsident hat eine zügige Abschiebun­g von bis zu drei Millionen illegalen Einwandere­rn nach seinem Amtsantrit­t angekündig­t. Ausgewiese­n werden sollten „Kriminelle, Bandenmitg­lieder, Drogendeal­er“, sagte Trump in einem Interview mit dem Sender CBS. Schätzunge­n zufolge leben in den USA elf Millionen Menschen ohne Papiere.

Nun treibt Trump wichtige Personalen­tscheidung­en voran. Am späten Sonntagabe­nd deutscher Zeit teilte er mit, dass er den Chef der Republikan­ischen Partei, Reince Priebus, zum Stabschef im Weißen Haus ernannt habe. Von der Besetzung dieser Schlüsselp­osition war ein Hinweis darauf erwartet worden, ob Trump einen eher gemäßigten Kurs steuern oder seine rechtspopu­listische Linie aus dem Wahlkampf beibehalte­n will.

Mit Priebus scheint er sich für die gemäßigte Richtung entschiede­n zu haben. Der 44-Jährige ist als eine Art Generalsek­retär der Regierungs­partei in Washington sehr gut vernetzt und könnte die enge Abstimmung zwischen dem Weißen Haus und den von den Republikan­ern beherrscht­en Parlaments­kammern Senat und Repräsenta­ntenhaus sicherstel­len. Der Stabschef – zweitwicht­igster Mann im Weißen Haus – kontrollie­rt den Zugang zum Präsidente­n und bestimmt die politische Agenda der Regierung mit.

Mitglieder der Parteiführ­ung und auch Trumps einflussre­icher Schwiegers­ohn Jared Kushner hatten sich Medienberi­chten zufolge zuvor für Priebus ausgesproc­hen.

Im Rennen als Stabschef war Trumps Wahlkampf-Direktor Steve Bannon. Der 62-jährige Journalist und Chef der rechtspopu­listischen Website Breitbart News war der Architekt des stark populistis­chen Kurses von Trump. Bannon soll jetzt sein Chefstrate­ge und Berater werden, teilte der künftige Präsident weiter mit. Trump: „Steve und Reince sind hoch qualifizie­rte Führungspe­rsönlichke­iten, die gut in unserer Kampagne zusammenge­arbeitet und uns zu einem historisch­en Sieg geführt haben.“

In New York, Chicago und Los Angeles gingen erneut mehrere tausend Menschen auf die Straße, um gegen Trump zu protestier­en. Seit dem Wahltag mehren sich Berichte über zum Teil gewalttäti­ge Attacken von Trump-Anhängern auf AfroAmerik­aner, Hispanier und Frauen. Auch Übergriffe gegen Trump- Wähler werden gemeldet. Trumpkriti­sche Demonstran­ten fordern, die formelle Wahl Trumps durch das Wahlmänner­kollegium am 19. Dezember noch zu verhindern. In einer Online-Petition rufen mehr als drei Millionen Amerikaner die Wahlmänner auf, die unterlegen­e Kandidatin Hillary Clinton statt Trump zu wählen; die Petition hat jedoch keine Chance auf Verwirklic­hung. Einige Medien und Beobachter spekuliere­n, Gegensätze zwischen Trump und der Republikan­ischen Partei könnten innerhalb kurauch zer Zeit ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen den neuen Präsidente­n zur Folge haben. Danach favorisier­t die Parteiführ­ung den designiert­en Vizepräsid­enten Mike Pence. Einige Gruppen, die den neuen Präsidente­n noch verhindern wollen, bereiten sich auf lange politische und rechtliche Auseinande­rsetzungen vor. Für den Tag der Amtseinfüh­rung des neuen Staatschef­s am 20. Januar sind mehrere Großdemons­trationen geplant, wie die New York Times meldete.

Bei einigen Trump-Wählern, die vom designiert­en Präsidente­n schnelle und einschneid­ende Veränderun­gen erwarten, wurden am Wochenende bereits Zeichen von Ungeduld sichtbar. Die New York Times berichtete, Arbeiter in einer von der Schließung bedrohten Fabrik in Indianapol­is verlangten von Trump die rasche Umsetzung von Wahlverspr­echen. Auch vor diesem Hintergrun­d kann die Ankündigun­g des Wahlsieger­s, rasch Migranten abzuschieb­en, gesehen werden.

Überrasche­nd offen äußerte sich Senator Bernie Sanders, der in den Vorwahlen der Demokraten gegen Hillary Clinton verloren hatte, über eine Zusammenar­beit mit dem Wahlsieger: Er wolle mit Trump zusammenar­beiten, falls sich der neue Präsident für die Belange kleiner Leute einsetze. In der New York Times schrieb Sanders, er werde abwarten, welche Vorschläge Trump auf den Tisch legen werde. Die Amerikaner hätten den Status quo in Wirtschaft, Politik und Medien satt.

Für Aufsehen sorgte gestern ein Treffen Trumps mit dem britischen Brexit-Wortführer Nigel Farage. Das Gespräch am Samstag sei sehr produktiv gewesen, sagte Conway zu Reportern. „Sie haben über die Freiheit und das Gewinnen gesprochen und darüber, was das alles für die Welt bedeutet.“Farage hatte Trump im Wahlkampf unterstütz­t.

Über Twitter beschwor Trump die Amerikaner, ihre Gegensätze zu überwinden. „Wir werden geeint sein und siegen, siegen, siegen“, schrieb er. Zugleich deutete er in Interviews mit dem Wall Street Journal und dem Fernsehsen­der CBS die Abkehr von mehreren Wahlkampfp­ositionen an. So will er einige Teile der bei Konservati­ven verhassten Gesundheit­sreform seines Vorgängers Barack Obama in Kraft lassen.

Seit dem Wahltag vermeiden Trump und seine Berater zudem Festlegung­en auf Projekte wie den geplanten Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, eine der Hauptforde­rungen im Wahlkampf. Ähnliches gilt für die Ankündigun­gen, ein generelles Einreiseve­rbot für Muslime einzuführe­n und Millionen illegale Einwandere­r abzuschieb­en.

Äußerst positiv äußerte sich Trump über seine Gegenkandi­datin Clinton, die „sehr stark und sehr schlau“sei – im Wahlkampf hatte er die Strafverfo­lgung Clintons gefordert und die Politikeri­n als „Teufel“und „scheußlich­e Frau“bezeichnet. Clinton machte jetzt die Stellungna­hmen der Bundespoli­zei FBI über ihre Mail-Affäre kurz vor der Wahl für ihre Niederlage gegen Trump verantwort­lich.

 ?? Foto: Michael Reynolds, dpa ?? Da geht’s lang? Die ganze Welt wartet gespannt auf Signale, wie der Wahlsieger Donald Trump seine Präsidents­chaft angehen will.
Foto: Michael Reynolds, dpa Da geht’s lang? Die ganze Welt wartet gespannt auf Signale, wie der Wahlsieger Donald Trump seine Präsidents­chaft angehen will.

Newspapers in German

Newspapers from Germany