Augsburger Allgemeine (Land West)
Trump trifft erste Richtungsentscheidungen
USA Der Wahlsieger kündigt an, kriminelle Migranten zügig auszuweisen. Die Besetzung einer künftigen Schlüsselposition im Weißen Haus zeigt, dass der künftige Präsident auch gemäßigte Kräfte zum Zuge kommen lässt
Washington
Knapp eine Woche nach seinem überraschenden Wahlsieg hat Donald Trump eine erste Richtungsentscheidung getroffen. Der designierte US-Präsident hat eine zügige Abschiebung von bis zu drei Millionen illegalen Einwanderern nach seinem Amtsantritt angekündigt. Ausgewiesen werden sollten „Kriminelle, Bandenmitglieder, Drogendealer“, sagte Trump in einem Interview mit dem Sender CBS. Schätzungen zufolge leben in den USA elf Millionen Menschen ohne Papiere.
Nun treibt Trump wichtige Personalentscheidungen voran. Am späten Sonntagabend deutscher Zeit teilte er mit, dass er den Chef der Republikanischen Partei, Reince Priebus, zum Stabschef im Weißen Haus ernannt habe. Von der Besetzung dieser Schlüsselposition war ein Hinweis darauf erwartet worden, ob Trump einen eher gemäßigten Kurs steuern oder seine rechtspopulistische Linie aus dem Wahlkampf beibehalten will.
Mit Priebus scheint er sich für die gemäßigte Richtung entschieden zu haben. Der 44-Jährige ist als eine Art Generalsekretär der Regierungspartei in Washington sehr gut vernetzt und könnte die enge Abstimmung zwischen dem Weißen Haus und den von den Republikanern beherrschten Parlamentskammern Senat und Repräsentantenhaus sicherstellen. Der Stabschef – zweitwichtigster Mann im Weißen Haus – kontrolliert den Zugang zum Präsidenten und bestimmt die politische Agenda der Regierung mit.
Mitglieder der Parteiführung und auch Trumps einflussreicher Schwiegersohn Jared Kushner hatten sich Medienberichten zufolge zuvor für Priebus ausgesprochen.
Im Rennen als Stabschef war Trumps Wahlkampf-Direktor Steve Bannon. Der 62-jährige Journalist und Chef der rechtspopulistischen Website Breitbart News war der Architekt des stark populistischen Kurses von Trump. Bannon soll jetzt sein Chefstratege und Berater werden, teilte der künftige Präsident weiter mit. Trump: „Steve und Reince sind hoch qualifizierte Führungspersönlichkeiten, die gut in unserer Kampagne zusammengearbeitet und uns zu einem historischen Sieg geführt haben.“
In New York, Chicago und Los Angeles gingen erneut mehrere tausend Menschen auf die Straße, um gegen Trump zu protestieren. Seit dem Wahltag mehren sich Berichte über zum Teil gewalttätige Attacken von Trump-Anhängern auf AfroAmerikaner, Hispanier und Frauen. Auch Übergriffe gegen Trump- Wähler werden gemeldet. Trumpkritische Demonstranten fordern, die formelle Wahl Trumps durch das Wahlmännerkollegium am 19. Dezember noch zu verhindern. In einer Online-Petition rufen mehr als drei Millionen Amerikaner die Wahlmänner auf, die unterlegene Kandidatin Hillary Clinton statt Trump zu wählen; die Petition hat jedoch keine Chance auf Verwirklichung. Einige Medien und Beobachter spekulieren, Gegensätze zwischen Trump und der Republikanischen Partei könnten innerhalb kurauch zer Zeit ein Amtsenthebungsverfahren gegen den neuen Präsidenten zur Folge haben. Danach favorisiert die Parteiführung den designierten Vizepräsidenten Mike Pence. Einige Gruppen, die den neuen Präsidenten noch verhindern wollen, bereiten sich auf lange politische und rechtliche Auseinandersetzungen vor. Für den Tag der Amtseinführung des neuen Staatschefs am 20. Januar sind mehrere Großdemonstrationen geplant, wie die New York Times meldete.
Bei einigen Trump-Wählern, die vom designierten Präsidenten schnelle und einschneidende Veränderungen erwarten, wurden am Wochenende bereits Zeichen von Ungeduld sichtbar. Die New York Times berichtete, Arbeiter in einer von der Schließung bedrohten Fabrik in Indianapolis verlangten von Trump die rasche Umsetzung von Wahlversprechen. Auch vor diesem Hintergrund kann die Ankündigung des Wahlsiegers, rasch Migranten abzuschieben, gesehen werden.
Überraschend offen äußerte sich Senator Bernie Sanders, der in den Vorwahlen der Demokraten gegen Hillary Clinton verloren hatte, über eine Zusammenarbeit mit dem Wahlsieger: Er wolle mit Trump zusammenarbeiten, falls sich der neue Präsident für die Belange kleiner Leute einsetze. In der New York Times schrieb Sanders, er werde abwarten, welche Vorschläge Trump auf den Tisch legen werde. Die Amerikaner hätten den Status quo in Wirtschaft, Politik und Medien satt.
Für Aufsehen sorgte gestern ein Treffen Trumps mit dem britischen Brexit-Wortführer Nigel Farage. Das Gespräch am Samstag sei sehr produktiv gewesen, sagte Conway zu Reportern. „Sie haben über die Freiheit und das Gewinnen gesprochen und darüber, was das alles für die Welt bedeutet.“Farage hatte Trump im Wahlkampf unterstützt.
Über Twitter beschwor Trump die Amerikaner, ihre Gegensätze zu überwinden. „Wir werden geeint sein und siegen, siegen, siegen“, schrieb er. Zugleich deutete er in Interviews mit dem Wall Street Journal und dem Fernsehsender CBS die Abkehr von mehreren Wahlkampfpositionen an. So will er einige Teile der bei Konservativen verhassten Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama in Kraft lassen.
Seit dem Wahltag vermeiden Trump und seine Berater zudem Festlegungen auf Projekte wie den geplanten Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, eine der Hauptforderungen im Wahlkampf. Ähnliches gilt für die Ankündigungen, ein generelles Einreiseverbot für Muslime einzuführen und Millionen illegale Einwanderer abzuschieben.
Äußerst positiv äußerte sich Trump über seine Gegenkandidatin Clinton, die „sehr stark und sehr schlau“sei – im Wahlkampf hatte er die Strafverfolgung Clintons gefordert und die Politikerin als „Teufel“und „scheußliche Frau“bezeichnet. Clinton machte jetzt die Stellungnahmen der Bundespolizei FBI über ihre Mail-Affäre kurz vor der Wahl für ihre Niederlage gegen Trump verantwortlich.