Augsburger Allgemeine (Land West)
Großrazzia gegen islamistische Terror-Werber
Sicherheit Hunderte Wohnungen durchsucht, auch in den Großräumen Augsburg und Ulm. Innenminister verbietet Salafisten-Verein
Berlin/München/Augsburg Mit einer Großrazzia in Bayern und neun weiteren Bundesländern ist die Polizei am Dienstagmorgen gegen radikale Salafisten und mutmaßliche Unterstützer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vorgegangen. Hunderte Polizisten durchsuchten gut 190 Wohnungen und Büros von Organisatoren und Anhängern der Vereinigung „Die wahre Religion“, die hinter den umstrittenen und jetzt verbotenen Koran-Verteilaktionen „Lies!“in deutschen Städten steht.
In Bayern waren insgesamt 240 Kräfte im Einsatz. Sie durchsuchten 34 Objekte, darunter drei Privatwohnungen in der Stadt Augsburg und zwei im Landkreis sowie darüber hinaus eine Wohnung in Donauwörth und vier im Kreis Neu-Ulm. Auch jenseits der Landesgrenze im Raum Ulm fanden vier Razzien statt. In Bayern stand die Polizei am frühen Morgen auch vor elf Objekten in Oberbayern, zwei in Oberfranken, zehn in Mittelfranken und einem in Unterfranken. Festgenommen wurde in Bayern niemand, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. „Das war aber auch nicht das Ziel.“Jedoch wurde Beweismaterial sichergestellt.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, der angebliche religiöse Zweck der Verteilaktionen sei nur vorgeschoben gewesen. „Tatsächlich war die verbotene Vereinigung jedoch ein Sammelbecken dschihadistischer Islamisten.“Salafisten vertreten einen am Koran orientierten, besonders konservativen Ur-Islam, lehnen westliche Demokratien ab und wollen eine Ordnung mit islamischer Rechtsprechung, der Scharia.
Am Morgen hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) „Die wahre Religion“und deren Koran-Verteilaktionen in Fußgängerzonen, die es auch in der Region gab, verboten. Er sprach von einem „klaren Signal“im Kampf gegen islamistischen Terror: „Für radikale, gewaltbereite Islamisten ist kein Platz in unserer Gesellschaft.“
Herrmann ergänzte: „Wir dulden nicht, dass Islamisten bei uns zu Hass, Gewalt und Intoleranz aufrufen. Wo immer Vereinsverbote möglich sind, werden wir auch davon Gebrauch machen.“Die Islamisten hätten Leute für den bewaffneten Dschihad („Heiliger Krieg“) in Syrien und im Irak rekrutiert. Mehrere Aktivisten im Zusammenhang mit „Lies!“-Ständen seien selbst dorthin gereist, um sich islamistischen Kriegsparteien anzuschließen. „Dem schieben wir nun einen Riegel vor.“
Schwerpunkte der Polizeieinsätze, die um 6.30 Uhr begannen, waren Hessen mit knapp 65 Durchsuchungen sowie Bayern und Nordrhein-Westfalen mit jeweils fast 35 Polizeiaktionen. Außerhalb Bayerns fanden Razzien auch in Büros statt, in Baden-Württemberg und Hamburg lagen Durchsuchungsbeschlüsse auch gegen jeweils einen Moschee-Verein vor.
Die Behörden halten die Vereinigung „Die wahre Religion“für verfassungswidrig und gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet. Anführern und Sympathisanten wirft der Verfassungsschutz vor, den Dschihad und Terroranschläge zu verherrlichen. Zudem habe die Vereinigung ein bundesweites Rekrutierungs- und Sammelbecken für Dschihadisten aufgebaut. Rund 140 junge Islamisten seien nach einer Radikalisierung durch „Lies!“in die Kampfgebiete des Islamischen Staats gereist, sagte de Maizière. „Das mussten wir unterbinden.“Dem Minister zufolge zählt „Die wahre Religion“mehrere 100 Mitglieder. Vielfach seien ihnen Verbotsverfügungen ausgehändigt worden. Über Drahtzieher oder weitere Menschen im Visier der Ermittler wollte der Minister keine Angaben machen.