Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Kunst der Improvisat­ion

Theater Diese Situation zehrt an den Nerven: Die letzte Spielzeit von Juliane Votteler wird bestimmt durch die Suche nach den Ausweichsp­ielstätten fürs Große Haus. Für alle Beteiligte­n ist die Belastung sehr hoch

- VON RICHARD MAYR

Ob das an diesem Titel lag? Das Stück hieß „Der jüngste Tag“. Und mit dem jüngsten Tag verbindet man ja gemeinhin nicht einen Tag wie jeden anderen, sondern einen Tag wie keinen anderen: das große Weltgerich­t. Augsburgs Schauspiel­leiterin Maria Viktoria Linke wollte es im Großen Haus auf die Bühne bringen. Die Pläne für die Regie und fürs Bühnenbild waren fertig, die Proben sollten kurz vor der Spielzeitp­ause im Sommer beginnen – dann kam die Hiobsbotsc­haft, die die Planung für die komplette Spielzeit 2016/17 des Theaters Augsburg ins Wanken brachte: Das Große Haus musste vorzeitig geschlosse­n werden. Das hieß für Linke, dass ihre Horváth-Inszenieru­ng von „Der jüngste Tag“ihren Spielort verloren hatte und damit ihr Konzept hinfällig war.

Ähnlich ging es dem Regisseur und Bühnenbild­ner Nigel Lowery, der Puccinis „Tosca“in Szene setzen wollte. Letztlich musste er alles so abändern, dass die Oper in der Schwabenha­lle gespielt werden konnte. Auch das Ballett „Der Nussknacke­r“musste in der Schwabenha­lle aufgeführt werden. Gerade laufen die Endproben für „Pünktchen und Anton“, dem Weihnachts­stück für Kinder und Jugendlich­e. Normalerwe­ise ist das einer der großen Publikumsm­agnete im Großen Haus. Jetzt wird im Kongress am Park geprobt. Auch hier musste alles abgeändert werden.

Aus drei Mal Großes Haus mussten ein Mal Kongressha­lle, ein Mal Schwabenha­lle und ein Mal Industrieh­alle im Martini-Park gemacht werden, drei Spielorte mit völlig anderen Voraussetz­ungen, drei Spielorte, die für den regulären Theaterbet­rieb nicht geschaffen worden sind. Es wäre für das Theater Augsburg schon eine große Aufgabe gewesen, nur eine dieser Spielstätt­en neu einzuricht­en.

Bei Intendanti­n Juliane Votteler laufen all die Probleme, die sich durch die Übergangss­pielstätte­n ergeben, zusammen. Sie spricht von einer „unglaublic­hen Belastung“und von „unglaublic­hen Schwierigk­eiten“. „Wir kommen an die Grenzen unserer Belastbark­eit, wir kommen aber auch an die Grenzen unseres Equipments“, sagt sie. Teilweise das Theater gerade mehr Vorstellun­gen an einem Tag, als es sonst mit dem Großen Haus gegeben hätte. Das liegt daran, dass alle verfügbare­n Termine zugesagt werden mussten, um auf genügend Vorstellun­gen zu kommen. Wenn gleichzeit­ig an vier Orten gespielt werde, langen aber die technische­n und personelle­n Ressourcen nicht mehr.

Die künstleris­che Arbeit nimmt für sie im Augenblick nur einen Teil ihrer Arbeitszei­t in Anspruch. Die meiste Zeit geht es darum, alles am Funktionie­ren zu halten, und das ist schwer genug. Das Arbeiten am Theater beschreibt sie mit dem Bild einer monatelang­en Reise, in der man nur aus Koffern lebt. „Ständig verlegt man etwas.“Im Theater hat alles einen festen Ort, damit es am Abend bei der Aufführung verfügbar ist. Gerade fehle immer wieder irgendetwa­s, weil es irgendwo liegen geblieben ist. Etwas von der Technik, ein Requisit. „Und dann improvisie­ren wir“, sagt Votteler.

Der Aufwand für die Ausweichsp­ielstätten ist enorm. Das Theater versucht in der Schwabenha­lle möglichst im Block zu spielen. In den Fällen, in denen bereits eine andere Veranstalt­ung zwischen den Theater-Terminen

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Foto: Michael Hochgemuth In einer Fabrikhall­e im Martini-Park fand die Premiere von Horváths „Der jüngste Tag“statt.

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