Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Kunst der Improvisation
Theater Diese Situation zehrt an den Nerven: Die letzte Spielzeit von Juliane Votteler wird bestimmt durch die Suche nach den Ausweichspielstätten fürs Große Haus. Für alle Beteiligten ist die Belastung sehr hoch
Ob das an diesem Titel lag? Das Stück hieß „Der jüngste Tag“. Und mit dem jüngsten Tag verbindet man ja gemeinhin nicht einen Tag wie jeden anderen, sondern einen Tag wie keinen anderen: das große Weltgericht. Augsburgs Schauspielleiterin Maria Viktoria Linke wollte es im Großen Haus auf die Bühne bringen. Die Pläne für die Regie und fürs Bühnenbild waren fertig, die Proben sollten kurz vor der Spielzeitpause im Sommer beginnen – dann kam die Hiobsbotschaft, die die Planung für die komplette Spielzeit 2016/17 des Theaters Augsburg ins Wanken brachte: Das Große Haus musste vorzeitig geschlossen werden. Das hieß für Linke, dass ihre Horváth-Inszenierung von „Der jüngste Tag“ihren Spielort verloren hatte und damit ihr Konzept hinfällig war.
Ähnlich ging es dem Regisseur und Bühnenbildner Nigel Lowery, der Puccinis „Tosca“in Szene setzen wollte. Letztlich musste er alles so abändern, dass die Oper in der Schwabenhalle gespielt werden konnte. Auch das Ballett „Der Nussknacker“musste in der Schwabenhalle aufgeführt werden. Gerade laufen die Endproben für „Pünktchen und Anton“, dem Weihnachtsstück für Kinder und Jugendliche. Normalerweise ist das einer der großen Publikumsmagnete im Großen Haus. Jetzt wird im Kongress am Park geprobt. Auch hier musste alles abgeändert werden.
Aus drei Mal Großes Haus mussten ein Mal Kongresshalle, ein Mal Schwabenhalle und ein Mal Industriehalle im Martini-Park gemacht werden, drei Spielorte mit völlig anderen Voraussetzungen, drei Spielorte, die für den regulären Theaterbetrieb nicht geschaffen worden sind. Es wäre für das Theater Augsburg schon eine große Aufgabe gewesen, nur eine dieser Spielstätten neu einzurichten.
Bei Intendantin Juliane Votteler laufen all die Probleme, die sich durch die Übergangsspielstätten ergeben, zusammen. Sie spricht von einer „unglaublichen Belastung“und von „unglaublichen Schwierigkeiten“. „Wir kommen an die Grenzen unserer Belastbarkeit, wir kommen aber auch an die Grenzen unseres Equipments“, sagt sie. Teilweise das Theater gerade mehr Vorstellungen an einem Tag, als es sonst mit dem Großen Haus gegeben hätte. Das liegt daran, dass alle verfügbaren Termine zugesagt werden mussten, um auf genügend Vorstellungen zu kommen. Wenn gleichzeitig an vier Orten gespielt werde, langen aber die technischen und personellen Ressourcen nicht mehr.
Die künstlerische Arbeit nimmt für sie im Augenblick nur einen Teil ihrer Arbeitszeit in Anspruch. Die meiste Zeit geht es darum, alles am Funktionieren zu halten, und das ist schwer genug. Das Arbeiten am Theater beschreibt sie mit dem Bild einer monatelangen Reise, in der man nur aus Koffern lebt. „Ständig verlegt man etwas.“Im Theater hat alles einen festen Ort, damit es am Abend bei der Aufführung verfügbar ist. Gerade fehle immer wieder irgendetwas, weil es irgendwo liegen geblieben ist. Etwas von der Technik, ein Requisit. „Und dann improvisieren wir“, sagt Votteler.
Der Aufwand für die Ausweichspielstätten ist enorm. Das Theater versucht in der Schwabenhalle möglichst im Block zu spielen. In den Fällen, in denen bereits eine andere Veranstaltung zwischen den Theater-Terminen