Augsburger Allgemeine (Land West)

Zug fährt mit Baby los, Mutter vor der Tür

Protest Augenzeugi­n am Bahnhof in Bobingen findet: Nun reicht es. Sie fordert Taten

- VON PITT SCHURIAN

Bobingen Monika Stadelmann ist auch am Tag danach noch geschockt von dem Erlebten: „Ich kann mir vorstellen, wie sich eine Mutter fühlt, wenn sich eine Tür zwischen ihr und ihrem Baby schließt und ein Zug damit wegfährt.“Für sie ist diese Szene nur eine von vielen, die sie am Bahnhof von Bobingen empört. Statt Reden wünscht sie sich Taten. Der Bahnhof gehöre endlich barrierefr­ei umgebaut. Das hat sie erlebt: Monika Stadelmann will wieder einmal mit dem Zug nach Augsburg. Der fährt werktags in Bobingen um 10.12 Uhr von Gleis 4 ab. Sie fährt also mit dem Auto zum Bahnhof, steigt am Gleis 1 die Treppe hinunter, geht durch die Unterführu­ng, steigt zu Gleis 2 und 3 hinauf. Am dortigen Bahnsteig steigt sie eine Stufe hinunter und geht über die Schienen von Gleis 3 zum Gleis 4. Monika Stadelmann hat einen Fensterpla­tz mit freiem Blick über den ganzen Bahnhof. Es hat noch Zeit bis zur Abfahrt. Sie ist fast alleine im Zug. Da erscheint am Bahnsteig 1 eine Frau mit Kinderwage­n. Monika Stadelmann sieht: Die Frau tut sich offenkundi­g schwer damit, die Stufen hinunterzu­kommen. Nur noch ihr Oberkörper ist inzwischen in dem Abgang zu sehen, da spricht sie scheinbar mit jemandem. Bald darauf tauchen Frau und Kinderwage­n am Gleis 3 wieder auf. Ein Mann hilft tragen und geht dann weg. Frau und Kinderwage­n nehmen den Weg über Gleis 3 und gelangen schließlic­h in den Zugbereich, der Fahrrädern und Kinderwage­n Platz zum Abstellen bietet. Monika Stadelmann: „Die Frau ist dunkelhäut­ig, vermutlich Afrikaneri­n. Sie schaute auf die Streifenka­rte in der Hand. Vermutlich hat sie in all der Aufregung vergessen, sie zu entwerten.“Sie huschte den Gang nach vorne zur Kanzel des Lokführers. Kurz danach kam sie zurückgela­ufen, sprang durch die Tür hinaus zum Bahnsteig von Gleis 3 und steckte die Streifenka­rte in den Entwerter. Da schloss sich die Tür und der Zug fuhr los. Die Augenzeugi­n hatte noch immer alles im Blick: „Die Frau draußen schrie und klopfte gegen die Zugwand und ich schrie auch wie am Spieß,“berichtet sie. Der Zug hält, die Tür geht auf, die Mutter steigt ein. „Wir waren beide noch voll aufgeregt. Wir sahen uns an und waren beide erleichter­t. Ich hätte nicht gewusst, was ich mit dem Säugling hätte machen sollen, wie wir wieder zu der Mutter gekommen wären,“sagt Monika Stadelmann. Stadelmann will niemandem eine Schuld zuweisen. Ihr geht es um etwas anderes: „Die ganzen Umstände an diesem Bahnhof sind untragbar.“Sie habe auch schon andere Szenen beobachtet. „Eine alte Frau mit Rollator, alleine oben am Treppenabg­ang zur Unterführu­ng. Und keiner da, der ihr helfen könnte.“Oder jemand, der am Vorbau des Fahrdienst­leiters bettelnd steht, um Gehör zu finden. „Da hängen fünf Zettel, dass man ja nicht rein darf, dass man wegbleiben soll, dass es keine Auskunft gibt, dass kein Geld gewechselt wird. Was machen die den ganzen Tag da drin?“fragt sich Monika Stadelmann.

Sie ist sauer auf die Bahn und sie weiß nichts über die Tochterges­ellschafte­n mit unterschie­dlichen Zuständigk­eiten. Es muss sie auch nicht interessie­ren, was die Stadt, der Landkreis, der Freistaat oder der AVV damit zu tun haben: „Ich möchte nur als einfache Frau und Bahnkundin einmal sagen dürfen, dass ich für jede Fahrt eine Menge zahle und dass ich das Hinhalten unmöglich finde. Die Bahn leistet hier keinen Service, keinerlei Hilfe.“

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Monika Stadelmann

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