Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Beruf des Metzgers hat sich gewandelt

Interview Und nicht nur der. Vieles im Handwerk hat mit den Vorstellun­gen der Jugendlich­en oft nichts mehr zu tun. Dies sagt Kammerpräs­ident Hans-Peter Rauch. Warum mit Flüchtling­en die Nachwuchsn­ot nicht behoben werden kann

-

Herr Rauch, Sie sind Metzgermei­ster. Hand aufs Herz: Verstehen Sie nicht auch ein wenig die Jugendlich­en, die nicht Metzger lernen möchten?

Nein, ich kann das nicht verstehen. Gerade wenn man wie ich in so einem Beruf tagtäglich mit Begeisteru­ng aktiv ist, kann man dies nicht nachvollzi­ehen. Wir haben hier ein Riesenprob­lem: Viele unserer Berufe vor allem im Lebensmitt­elhandwerk – wie etwa auch die Bäcker – leiden unter einem zu schlechten Image. Die Jugendlich­en haben falsche Vorstellun­gen. Meinen Beruf des Metzgers beispielsw­eise verbinden viele nur mit dem Töten der Tiere.

Hans-Peter Rauch:

Aber als Metzger muss ich Tiere töten. Das sind keine falschen Vorstellun­gen.

Aber das Schlachten ist doch nur ein kleiner Teil meiner Arbeit. Davon einmal abgesehen, wenn niemand mehr Tiere tötet, gibt es auch keine Schnitzel und keine Wurst. Wir können nun mal nicht die Tiere zu Tode streicheln oder warten, bis sie von sich aus sterben. Was mich ärgert, ist, dass die Vielfalt des Metzgerber­ufes komplett unter den Tisch fällt. Metzger sind – ebenso übrigens wie Fachverkäu­fer in Fleischere­ien und Bäckereien – heute zunehmend Ernährungs­berater. Ich arbeite mit unserer Metzgerei in Waltenhofe­n im Allgäu außerdem stark im Catering. Da ist Kreativitä­t und Organisati­onskunst gefragt.

Rauch:

Doch mittelstän­dische Familienme­tzgereien, wie Sie eine führen, gibt es immer weniger.

Das hat aber auch damit zu tun, dass es immer weniger Fachperson­al gibt. Und der Strukturwa­ndel macht den Mittelstän­dlern zu schaffen: Die meisten Kunden gehen immer noch aus Gewohnheit zum Discounter. Gleichzeit­ig wollen immer mehr Menschen Produkte und Fleisch aus der Region und die Sicherheit regionaler Hersteller – das passt alles nicht zusammen.

Rauch:

Bleiben wir bei dem gravierend­en Nachwuchsm­angel im Handwerk.

Bei uns in Schwaben ist es noch nicht so schlimm. Wir verbuchen jetzt im Herbst immerhin ein Plus von einem Prozent. Das heißt, wir haben eine stabile Entwicklun­g.

Rauch:

Mit einem Prozent können Sie doch nicht zufrieden sein. Außerdem beklagen Sie ständig, dass viele Ihrer Betriebe keine passenden Auszubilde­nden finden und viel zu viele Jugendlich­e lieber studieren als eine Lehre machen.

Diese Entwicklun­g ist falsch und wir müssen mit noch mehr Aufklärung gerade über die enormen Karriere- und Verdienstc­hancen im Handwerk den Trend umkehren. Ich sehe auch Anzeichen für so eine Trendwende, und in Anbetracht des demografis­chen Wandels ist die Situation bei uns gar nicht so schlecht: Es bewerben sich wieder mehr junge Leute für eine Lehre im Handwerk. Auch beobachten wir, dass die jungen Chefs in unseren Handwerksb­e

Rauch:

trieben gute Überzeugun­gsarbeit bei der Jugend leisten. Das sind dicke Bretter, die wir hier bohren. Schließlic­h wurde den Menschen viele Jahre lang vorgesagt, dass nur Akademiker gute Berufschan­cen haben. Dies stimmt aber nicht.

Die Bemühungen der Betriebe und der Kammer scheinen aber nicht auszureich­en. Längst ist zu hören, dass viele Ihrer Unternehme­n Aufträge kaum abarbeiten können, weil ihnen Fachkräfte fehlen. Kunden warten teilweise sehr lange auf einen Handwerker.

Das stimmt: Fachkräfte fehlen. Und ich bin sicher: Wenn die Entwicklun­g so weitergeht, werden sich in vier bis fünf Jahren die guten Handwerker aussuchen können, was sie verdienen möchten. Das werden die Verbrauche­r zu spüren bekommen. Auch waren die Aufstiegsc­hancen selten besser als jetzt: Allein bei uns in Schwaben stehen rund 5000 Betriebe zur Übergabe an, weil die Chefs älter als 60 Jahre sind.

Rauch:

Und wie viele Lehrstelle­n konnten im schwäbisch­en Handwerk nicht besetzt werden?

Mehr als 1000.

Rauch:

Mit Flüchtling­en kann diese Not an jungen Leuten offensicht­lich auch nicht behoben werden: Der Zentralver­band des Deutschen Handwerks klagt, dass die Integratio­n viel länger dauert und viel schwierige­r ist als angenommen.

Bei der Integratio­n von Flüchtling­en sehen wir große Probleme: Es sind auch viele Analphabet­en unter den Flüchtling­en. Auch haben viele Jugendlich­e einen klaren Auftrag

Rauch:

von zu Hause, schnell Geld zu schicken. An einer dreijährig­en Ausbildung haben sie daher oft wenig Interesse. Dennoch sind viele unserer Handwerksb­etriebe nach wie vor bereit, Flüchtling­e auszubilde­n.

Es ist von vielen Unternehme­n in der Region zu hören, dass junge Flüchtling­e entgegen der Verspreche­n aus der Politik mitten in der Ausbildung abgeschobe­n werden. Von der von Ihnen ja auch geforderte­n Regelung „3+2“, dass also die Jugendlich­en mindestens im Zeitraum ihrer dreijährig­en Lehre und im Anschluss noch zwei Jahre sicher im Land lernen und arbeiten dürfen, kann offenbar keine Rede mehr sein. Beobachten Sie dies auch?

Ja, leider wird in Bayern das Bundesinte­grationsge­setz sehr eng ausgelegt. Teilweise werden die Jugendlich­en über Nacht aus dem Betrieb geholt. Aber oft können sie ja gar nicht abgeschobe­n werden, aber arbeiten dürfen sie auch nicht. Das heißt, die jungen Menschen sitzen dann untätig herum, was große Gefahren birgt. Dabei würden sie bei unseren Betrieben eine solide Ausbildung bekommen. Das Problem für uns als Kammer ist auch: Wenn ein Betrieb einmal erlebt hat, dass ihm ein Flüchtling einfach wieder aus dem Unternehme­n abgezogen wird, obwohl in ihn ja Geld und Engagement investiert wurden, stellt diese Firma keinen Flüchtling mehr ein. Das ist umso bedauerlic­her, weil viele unserer Betriebe hier mit viel Herzblut dabei sind und oft Familiener­satz sind. Doch wir können vor dem Hintergrun­d des politische­n Flüchtling­skurses in Bayern unseren Betrieben ehrlicherw­eise nicht mehr empfehlen, Flüchtling­e anzustelle­n. Die Politik müsste hier endlich für die versproche­ne Sicherheit sorgen.

Rauch:

Wie viele Flüchtling­e haben Sie bereits in Ausbildung gebracht?

Etwa 300 sind derzeit in Einstiegsq­ualifizier­ungen und Ausbildung­en. Man darf hier auch nicht vergessen, wieviel Geld im Spiel ist. Hier droht eine Verschwend­ung finanziell­er Mittel.

Rauch:

Wieviel Geld hat die Handwerksk­ammer für Schwaben in die Integratio­n von Flüchtling­en schon investiert?

Rauch:

Wir haben sechs Mitarbeite­r und drei Projekte – alles wird zwar stark gefördert, aber an Eigenmitte­ln kommen schnell 200000 bis 300000 Euro im Jahr zusammen.

Sie sind seit 2014 Präsident der Handwerksk­ammer für Schwaben. Was wollen Sie noch bewegen?

Dass ich etwas bewegen kann, ist mir besonders wichtig. Vor allem arbeite ich daran, dass die Wertschätz­ung für unsere handwerkli­chen Berufe steigt. Auch die Wertschätz­ung für handwerkli­che Leistung. Da gilt es dicke Bretter zu bohren. Dies bin ich aber auch durch meine Arbeit im Kreis- und Gemeindeta­g gewohnt. Vor allem will ich erreichen, dass Unternehme­r wieder wertgeschä­tzt werden.

Rauch:

Weil Sie die Erfahrung machen, dass junge Leute diese Verantwort­ung zunehmend scheuen?

Ja, ich beobachte, dass junge Menschen es nicht mehr für erstrebens­wert halten, einen eigenen Betrieb zu haben, auszubilde­n. Dazu haben auch die zunehmende Bürokratis­ierung und die Gesetze beigetrage­n, die Unternehme­r schnell an den Rand der Illegalitä­t treiben. Die Politik hat viel zu sehr das Wohl der Großbetrie­be und der Konzerne im Blick. Nur in Krisen erinnert sie sich gerne daran, dass der Mittelstan­d das Rückgrat unserer Wirtschaft­skraft ist. Das muss sich ändern. Auch vergisst die Politik leider gerne, wie viele Ehrenamtli­che bei uns im Handwerk aktiv sind.

Rauch:

Wen meinen Sie genau?

Rund 4000 Personen sind ehrenamtli­ch für die Kammer tätig, davon sind rund 1850 Prüfer. Das sind Meister und Gesellen, die neben ihren Aufgaben in den Betrieben in unserem Haus dafür sorgen, dass der Nachwuchs gut ausgebilde­t wird. Dieser ehrenamtli­che Einsatz führt aber in unserer Gesellscha­ft und in der Politik leider ein Schattenda­sein.

Interview: Daniela Hungbaur

Rauch:

O

Hans-Peter Rauch ist seit Juli 2014 Präsident der Handwerksk­ammer für Schwaben. Der gelernte Metzgermei­ster führt zusammen mit seiner Schwester einen Familienbe­trieb in Waltenhofe­n im Oberallgäu, wo der 54-Jährige zusammen mit seiner Frau lebt. Rauchs Sohn Patrick ist ebenfalls Metzgermei­ster und arbeitet bereits im familiären Betrieb mit.

Zur Person

 ?? Foto: Maurizio Gambarini, dpa ?? Ein Metzger muss heute zunehmend Ernährungs­berater sein. Schwabens Handwerksp­räsident Hans-Peter Rauch bedauert, dass die Vielfalt vieler Handwerksb­erufe nicht erkannt wird.
Foto: Maurizio Gambarini, dpa Ein Metzger muss heute zunehmend Ernährungs­berater sein. Schwabens Handwerksp­räsident Hans-Peter Rauch bedauert, dass die Vielfalt vieler Handwerksb­erufe nicht erkannt wird.
 ?? Hans-Peter Rauch, Präsident der Handwerksk­ammer für Schwaben und Metzgermei­ster ??
Hans-Peter Rauch, Präsident der Handwerksk­ammer für Schwaben und Metzgermei­ster

Newspapers in German

Newspapers from Germany