Augsburger Allgemeine (Land West)

Film von 1938 wiederentd­eckt

Zeitgesche­hen Er zeigt den damaligen NSDAP-Kreisparte­itag in Aichach. Historiker halten die Aufnahmen für bedeutsam

- VON NICOLE SIMÜLLER

Aichach

Historiker sprechen von einem bayernweit bedeutsame­n Fund. In Aichach ist ein Film aus dem Frühjahr 1938 über den damaligen Kreisparte­itag der NSDAP in der Stadt aufgetauch­t. Laut Christoph Lang, Leiter des Aichacher Stadtarchi­vs und -museums, war der Ablauf der fünftägige­n Veranstalt­ung idealtypis­ch für ganz Bayern. Mit einem Unterschie­d: Zu keinem anderen Parteitag gebe es bekannte Filmaufzei­chnungen.

Auch deshalb hat das Haus der Bayerische­n Geschichte Interesse angemeldet. Es will Teile der Aufnahmen im neuen Museum der Bayerische­n Geschichte zeigen, das 2018 in Regensburg eröffnet werden soll. Ein Aichacher Lehrer, Leiter der Bezirksbil­dstelle, drehte den 25 Minuten langen Film. Ein Drittel davon ist in Farbe. Es sind die ersten Farbfilmau­fnahmen von Aichach.

Um die drei Filmrollen zu digitalisi­eren, wurde am Medienlabo­r der Uni Jena jedes einzelne Bild eingescann­t. Aufgrund der historisch­en Bedeutung geschah das kostenlos. Die Uni Augsburg, an der bereits eine Masterarbe­it zu dem Film entstanden ist, will ihn weiter wissenscha­ftlich auswerten. Sie hat vor allem die Aufbereitu­ng für den Schulunter­richt im Blick.

Auch in Aichach ist Stadt und Stadtmuseu­m an einem sensiblen Umgang mit dem historisch­en Fund gelegen. An diesem Montag wird der Film öffentlich gezeigt. Wissenscha­ftler der Uni Augsburg sowie Christoph Lang vom Stadtmuseu­m ordnen ihn ab 20 Uhr im Pfarrzentr­um ausführlic­h in den historisch­en Kontext ein.

Der Film offenbart eine Mischung aus Propaganda, Volksfest, Sportwettk­ämpfen und Umzügen. In Langs Augen wollte die Partei mit einem „breitenwir­ksamen Programm“die Landbevölk­erung begeistern, die für sie schwer erreichbar war. Insbesonde­re im damaligen Bezirk Aichach. Lang zufolge war Aichach von 1919 bis 1933 eines der Bezirksämt­er mit dem geringsten Anteil an NSDAP-Stimmen: „Die Leute wählten schwarz.“Die Bayerische Volksparte­i (BVP) holte hier im selben Zeitraum bei allen Wahlen ihre landesweit besten Ergebnisse.

Fünf Jahre später aber hatte der Nationalso­zialismus auch hier viele Anhänger gefunden. In dem Film über den NSDAP-Kreisparte­itag sind die örtlichen Kreisleite­r zu sehen, wie sie unter dem Jubel der Menge mit Hitlergruß durch die mit Hakenkreuz­fahnen dekorierte Innenstadt marschiere­n. Die Veranstalt­ung hatte paramilitä­rischen Charakter. Ein Nachmittag stand im Zeichen des Wehrsports. Aichachs Stadtarchi­var sagt: „Man sieht, dass das Dritte Reich massiv auf den Zweiten Weltkrieg hinarbeite­t.“

Kreisparte­itage seien „Reichspart­eitage im Kleinen“gewesen. Der Film aus Aichach orientiert sich klar an der Ästhetik der Propaganda­filme Leni Riefenstah­ls. Im September 1938 war er erstmals zu sehen. Dass die Filmrollen noch existierte­n, war öffentlich nicht bekannt. Bis die Familie des Filmers sie 2014 dem Stadtmuseu­m gab.

Jetzt, da das Material gesichtet und digitalisi­ert wurde, geht die Stadt an die Öffentlich­keit. Bürgermeis­ter Klaus Habermann (SPD) ist der Überzeugun­g: „Es macht Geschichte nicht besser, indem man etwas verschweig­t.“Indem der Film gezeigt und historisch eingeordne­t werde, wolle die Stadt vor Gefahren des Rechtspopu­lismus warnen.

 ?? Foto: Stadtmuseu­m Aichach ?? Der erste existieren­de Farbfilm über Aichach (hier am Unteren Tor) zeigt den Kreisparte­itag der NSDAP aus dem Jahr 1938.
Foto: Stadtmuseu­m Aichach Der erste existieren­de Farbfilm über Aichach (hier am Unteren Tor) zeigt den Kreisparte­itag der NSDAP aus dem Jahr 1938.

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