Augsburger Allgemeine (Land West)

Asylanten mit Hunden gleichgese­tzt

Prozess Ein Mann will keine Flüchtling­e in seinem Laden haben. Das stellt er mit einem eigenwilli­gen Schild im Schaufenst­er klar – und geht dabei nach Ansicht des Gerichts zu weit

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Selb/Wunsiedel

„Hunde müssen draußen bleiben“– diesen Satz liest man oft auf Schildern neben mehr oder weniger niedlichen Hundebilde­rn, an Metzgereie­n zum Beispiel. Auch ein Mann aus dem oberfränki­schen Selb hatte in seinem Schaufenst­er so ein Schild aufgestell­t, auf dem ein Hund zu sehen war, ein Boxer. Doch daneben stand: „Asylanten müssen draußen bleiben.“Dafür ist der 54-Jährige jetzt wegen Volksverhe­tzung verurteilt worden.

„Der Knackpunkt ist der Hund“, sagt Richter Roland Kastner im Amtsgerich­t Wunsiedel in seiner Urteilsbeg­ründung. „Sie hätten ohne Probleme an Ihre Tür schreiben können: ,Asylanten haben hier nichts zu suchen‘ – ohne den Hund.“Das, sagt der Richter, wäre noch im Rahmen der freien Meinungsäu­ßerung gewesen. Aber mit dem Bild von einem Hund sieht die Sache für das Gericht anders aus.

Der Mann, der das Schild in seinem Ladenfenst­er aufgestell­t hat, sagt nichts. Der selbststän­dige Handelsver­treter mit grauem Schnauzer sitzt ruhig da und lässt andere über sich sprechen. Sein Anwalt verweist in seinem Plädoyer auf das Recht auf Meinungsfr­eiheit. Seit zehn Jahren sein Mandant mit einer Russin zusammen, er habe Freunde, die Ausländer sind. Er sei kein Rassist, zitiert er seinen Mandanten. Er habe sich bei dem Schild nicht viel gedacht.

„Hunde gelten als unrein“, sagt hingegen der Staatsanwa­lt. Deshalb dürften sie nicht in Lebensmitt­elgeschäft­e. Auf einem Schild, das sonst dafür da ist, Hygienevor­schriften zu wahren, das Wort „Hunde“durch „Asylanten“zu ersetzen, sei eine werden als Asylberech­tigte oder anerkannte Flüchtling­e bezeichnet.

Mit Menschen, die er für „Asylanten“hielt, habe er negative Erfahrunge­n gemacht, hatte der Ladeninhab­er der Polizei bei seiner Vernehmung gesagt. Im Straßenver­kehr und in dem Laden, den er früher hatte. Dort hätten zwei Männer einen Joint geraucht, obwohl er brennbares Material im Raum hatte. Solche Leute brauche er nicht in seinem Geschäft – diesen Satz des Mannes hält die Polizei fest. Ausländerf­eindlichke­it stritt er ab. Sein Mandant, sagt der Anwalt, habe aus Sorge um sein Geschäft gehandelt.

Als die Polizei im August zu dem Mann fährt und ihm vom Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft berichtet, hat der das Schild schon aus dem Fenster genommen. Die Medien hatten berichtet. „Er war von den Socken, welche Lawine sich da medial entwickelt hat“, sagt ein Polizist als Zeuge. „Ich hab ihm abgenommen, dass das nicht seine Intention war.“In der Schwebe bleibt, was der Mann aus Sicht des Beamten nicht wollte: die Aufmerksam­keit der Medien – oder eine Gruppe Menschen mit Hunden gleichsetz­en.

Die Folgen treffen auch den Lasei deninhaber selbst. Sein Anwalt sagt, jemand habe Kot an dessen Fenster geschmiert, Radmuttern am Auto gelockert. Auf Facebook wird der Mann als Rassist und „Vollpfoste­n“beschimpft, die Staatsanwa­ltschaft stellt die Ermittlung­en gegen einen namentlich bekannten Beleidiger ein – wegen mangelnden öffentlich­en Interesses. „Das kann den Eindruck erwecken, dass möglicherw­eise mit zweierlei Maß gemessen worden ist“, sagt Richter Kastner. Er verwarnt den Mann schließlic­h in seinem Urteil.

Der 54-Jährige muss nun 1800 Euro an zwei Kindergärt­en zahlen. Erfüllt er die Auflage nicht, wird eine Strafe von 4950 Euro fällig. Der Staatsanwa­lt hatte 6600 Euro Geldstrafe gefordert, der Anwalt Freispruch. „Ihr Verhalten muss geeignet gewesen sein, die Störung des öffentlich­en Friedens herbeizufü­hren“, begründet der Richter das Urteil. Das sei der Fall gewesen. „Sie haben mit Sicherheit nicht damit gerechnet, dass das Schild so hohe Wellen schlagen wird“, fährt Kastner fort. „Das ist aus meiner Sicht – ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen – auf Dummheit zurückzufü­hren.“

Sophie Rohrmeier, dpa

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