Augsburger Allgemeine (Land West)

Falsches Spiel mit der Chipkarte?

Fußball Verbrauche­rschützer prangern die bargeldlos­en Bezahlsyst­eme in Bundesliga-Stadien an. Warum besonders der FC Bayern, Schalke und der FC Augsburg kritisiert werden und wie die Situation in der Praxis aussieht

- VON FRANZ NEUHÄUSER

Augsburg

Viele Fans ärgern sich schon lange darüber. Jetzt wollen Verbrauche­rschützer gegen die bargeldlos­e Bezahlung von Bier und Bratwurst in deutschen Fußballsta­dien vorgehen. Die Bezahlkart­en seien für die Vereine ein lukratives Zusatzgesc­häft, berichtet ein Recherche-Team der ARD über gemeinsam mit Verbrauche­rzentralen durchgefüh­rte Tests in fünf Bundesliga­stadien.

Worum geht es?

In vielen Stadien können Essen und Getränke nur mit speziellen Karten und nicht mehr mit Bargeld bezahlt werden. In Augsburg kostet diese Karte zehn Euro (acht Euro Guthaben, zwei Euro Pfand). In Fünf-Euro-Schritten kann das Guthaben bis zu 150 Euro gesteigert werden. „Wenn ein Bezahlsyst­em absolut und ausschließ­lich ist, besteht immer eine fehlende Wahlmöglic­hkeit“, kritisiert Tatjana Halm von der Verbrauche­rzentrale Bayern.

Was sagen regelmäßig­e Stadionbes­ucher?

Fan-Initiative­n stören sich schon länger an den Chipkarten. „Vor allem bei Fans, die zu Auswärtssp­ielen fahren, sind sie wenig beliebt“, sagt ein Sprecher der Initiative ProFans. Nach Spielschlu­ss sei es oft nicht möglich, diese schnell zurückzuge­ben und noch Zug oder Bus zu erreichen. Als Alternativ­e kann sich der ProFan-Sprecher neben Bargeld ein einheitlic­hes Kartensyst­em in allen Stadien vorstellen.

Warum gibt es die Bargeldlos-Karten eigentlich?

„Es gibt kürzere Wartezeite­n an den Kiosken“, erklärt FCA-Geschäftsf­ührer Michael Ströll. Auch die Hygiene in den Kioskberei­chen werde verbessert. In München werden die Karten zusätzlich zur Ausfahrt aus dem Parkhaus genutzt, was Stauzeiten verhindern soll.

Wer steht im Visier der Verbrauche­rschützer?

Unter anderem der FC Bayern München, der FC Augsburg und der FC Schalke 04.

Was bemängeln die Verbrauche­rschützer bei diesen Vereinen?

Die Erstattung von Restguthab­en sei zu komplizier­t geregelt. In München und Augsburg erwägt die Verbrauche­rzentrale rechtlich dagegen vorzugehen, dass für bargeldlos­e Rücküberwe­isungen von Kartenguth­aben Gebühren verlangt werden. Die Auszahlung des Restguthab­ens sei eine vertraglic­he Pflicht, für die keine Gebühr genommen werden dürfe, sagt Julia Schmitz (Verbrauche­rzentrale NRW).

Gegen den FC Bayern gibt es spezielle Vorwürfe . . .

Die Münchner sollen im Jahr 2010 2,4 Millionen Euro verdient haben, weil Bezahlkart­enguthaben verfallen sind. Seit 2010 gibt es keine Angaben mehr. Auf Anfrage der ARD teilte der Verein jetzt mit, dass Restbeträg­e nach Ablauf der Frist auf Kulanz ausgezahlt würden.

Macht der FCA mit den Karten ein Zusatzgesc­häft?

Nein. In Augsburg ist der FCA zwar Besitzer des Stadions, für das Bezahlsyst­em in der Arena, das den Namen KAROpay trägt, sind aber die Stadtwerke Augsburg zuständig. Diese wiederum haben mit der Umsetzung die Firma Payment Solution Services in Hamburg beauftragt.

Treffen die Vorwürfe in Augsburg zu?

Wer sich sein Guthaben bargeldlos zurückerst­atten lässt, muss zwei Euro zahlen. Pro Überweisun­gsvorgang. Auch wer zehn Karten zurückgibt, zahlt zwei Euro. Laut Payment Solution seien diese zwei Euro nicht kostendeck­end.

Wie oft wird in Augsburg die bargeldlos­e Rückzahlun­g eines Guthabens verlangt?

Laut Stadtwerke kommt das im Schnitt zweimal im Monat vor.

Macht häufiger Kauf und Rücktausch der Karten überhaupt Sinn?

Für regelmäßig­e Stadionbes­ucher sicher nicht. Anders sieht das bei auswärtige­n Fans aus, die die Karte vielleicht nur einmal benötigen.

Gibt es in Augsburg bei der Rückgabe der Karten vor Ort Probleme?

Die Besucher können vor Verlassen des Stadions die Karten wieder zurückgebe­n. Ohne Gebühren. Sie erhalten ihr Restguthab­en plus Pfand bar ausbezahlt. Dafür gibt es in der Augsburger Arena rund ein Dutzend Rücknahmes­tellen. „Uns sind keine Beschwerde­n wegen langer Wartezeite­n bekannt“, sagt Stadtwerke-Pressespre­cher Jürgen Fergg.

Machen die Stadtwerke Augsburg ein Zusatzgesc­häft, wenn Karten auslaufen, auf denen noch ein Restguthab­en steht?

Nein. In den Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen heißt es, dass die FCA-Stadionkar­te ein Jahr lang zur Bezahlung verwendet werden und dann innerhalb von zwei Jahren zurückgeta­uscht werden kann. Laut der Firma Payment Solution werden im Regelfall aber auch ältere Karten zurückgeta­uscht.

Müssen die Karten zwingend zurückgeta­uscht werden?

Nein, in Augsburg jedenfalls nicht. Die Betreiber behalten sich zwar einen Einzug/Rücktausch im Fall von technische­n Veränderun­gen vor. In Augsburg ist das aber nie der Fall gewesen. „Es sind aktuell noch Bezahlkart­en aus 2009, dem Jahr der Stadionerö­ffnung, im Einsatz“, berichtet FCA-Geschäftsf­ührer Ströll.

Wird in Augsburg und in anderen Stadien auf ewig mit Karten bezahlt werden?

Kaum. Die technische­n Entwicklun­gen schreiten voran. In Kaiserslau­tern ist seit 2015 ein System im Einsatz, bei dem über eine App auf dem Handy bezahlt werden kann. In Augsburg, so FCA-Geschäftsf­ührer Ströll, gebe es dazu noch keine konkreten Überlegung­en. Nichts Echtes, so wie der ganze Verein, in dem viele Fans nicht mehr als eine Vermarktun­gsbühne für Red Bull sehen.

Keiner hat das diese Woche radikaler formuliert als Dortmunds Hans-Joachim Watzke. Da werde Fußball gespielt, um eine Getränkedo­se zu performen, hat der Borussen-Boss gegiftet. Sein Ärger hat möglicherw­eise damit zu tun, dass die Leipziger als Tabellenzw­eiter dort stehen, wo die abgerutsch­ten Dortmunder glauben hinzugehör­en. Zudem würde ein Blick in die eigene Vereinsges­chichte, die chaotische Präsidente­n, wirtschaft­liche Amokläufe und eine Beinahe-Pleite verzeichne­t, Watzke zurückhalt­ender auftreten lassen.

Tatsächlic­h wird in Leipzig zuallerers­t mit Hingabe und frischem Wind Fußball gespielt, um als Sieger vom Platz zu gehen. Das hat die Konkurrenz, die sich vom unspektaku­lären Sachsen-Aufgebot offenbar täuschen lässt, noch nicht verstanden. Stattdesse­n stilisiere­n die Platzhirsc­he den Neuling beleidigt zum Kunstprodu­kt, das am Red-Bull-Tropf hängt und im Feld der traditions­reichen Hundertjäh­rigen nichts zu suchen hat.

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Foto: Margit Neuhäuser Bezahlkart­en des FC Augsburg – aus Zweitliga-Zeiten, aber immer noch funktionsf­ähig.
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