Augsburger Allgemeine (Land West)

VW baut mehr als jede sechste Stelle ab

Auto Das Unternehme­n will in Deutschlan­d bis zu 23 000 Arbeitsplä­tze streichen. Weshalb Experte Ferdinand Dudenhöffe­r Reformen für überfällig hält und was die Vorgänge für Audi bedeuten

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg

Für den größten deutschen Autobauer VW haben sich in der letzten Zeit die Probleme geballt. Nicht nur der Diesel-Skandal lastet auf dem Unternehme­n. In der Kernmarke VW fielen die Gewinne zuletzt mau aus. Und das Thema Elektromob­ilität verursacht hohe Investitio­nskosten. Jetzt legte VW ein massives Sparprogra­mm vor: In den nächsten Jahren sollen weltweit in der Kernmarke VW bis zu 30000 Arbeitsplä­tze wegfallen – die meisten in Deutschlan­d, wo Volkswagen bis zu 23 000 Stellen streichen will. Dies ist mehr als jede sechste Stelle. Das Unternehme­n hat hierzuland­e rund 120 000 Mitarbeite­r.

VW erhofft sich Einsparung­en von 3,7 Milliarden Euro pro Jahr ab 2020, davon allein drei Milliarden in Deutschlan­d. Das Wichtigste für die VW-Mitarbeite­r: Betriebsbe­dingte Kündigunge­n werden bis Ende 2025 ausgeschlo­ssen, sagte Betriebsra­tschef Bernd Osterloh. VW setzt auf Fluktuatio­n und Altersteil­zeit. Im Gegenzug will VW in die Elektromob­ilität investiere­n und vom Her- zum „Mobilitäts­dienstleis­ter“werden. Der Autobauer setzt dafür 3,5 Milliarden Euro ein und will 9000 neue Stellen schaffen.

Für Auto-Fachmann Ferdinand Dudenhöffe­r kommen die Einschnitt­e nicht überrasche­nd. Sie seien eine Folge der „Ineffizien­z von VW seit zehn Jahren“, sagte der Professor der Universitä­t DuisburgEs­sen unserer Zeitung. „Der VWKonzern war in der Vergangenh­eit so aufgestell­t, genauso viel Fahrzeuge wie Toyota herzustell­en, nur mit doppelt so viel Leuten.“Im gesamten VW-Imperium inklusive Marken wie Audi, Skoda oder Seat arbeiten heute weltweit über 600000 Beschäftig­te.

Der Diesel-Skandal hat nach Ansicht Dudenhöffe­rs die Lage bei VW noch verschärft. Experten schätzen, dass Volkswagen die Affäre am Ende über 30 Milliarden Euro kosten kann. „Ohne die Diesel-Affäre würde VW aber auch nicht so in Richtung Elektroant­rieb gehen“, meint Dudenhöffe­r. Er sieht die Diesel-Krise als heilsamen Schock. „Sonst wäre VW gegen die Wand gefahren.“Ob das Sparprogra­mm aber ausreicht, lasse sich schwer sagen. „Es bleiben viele Risiken“, warnt Dudenhöffe­r. Die Diesel-Affäre scheint sich auf Benziner auszuweite­n. Und in den USA droht der künftige Präsident Donald Trump mit wirtschaft­licher Abschottun­g. Die wichtigste Frage für unsere Region aber ist, was das Sparprogra­mm für den Ingolstädt­er Autobauer Audi bedeutet.

Bei Audi betont man, dass es sich allein um ein Programm der Marke Volkswagen handelt. Doch auch bei Audi gab es zuletzt Einsparung­en: „Wir haben das Programm Speed up ins Leben gerufen, um Abläufe im gesamten Unternehme­n effiziente­r zu machen“, berichtet AudiSprech­er Jürgen De Graeve. Verschiede­ne Bauprojekt­e seien versteller schoben worden. Darunter bekanntlic­h der Bau des Entwicklun­gszentrums „IN-Campus“in Ingolstadt, das tausend neue Stellen versprach. Zudem steige Audi aus der Langstreck­enweltmeis­terschaft aus. Audi hat in Ingolstadt 44072 Mitarbeite­r, davon 18700 in der Produktion. Auch diese machen sich nun Gedanken um ihre Jobs.

Audi-Betriebsra­tschef Peter Mosch forderte kürzlich, die Beschäftig­ungssicher­heit für die Audianer über 2018 hinaus zu verlängern. „Die Gespräche über eine Verlängeru­ng der Beschäftig­ungsgarant­ie laufen“, sagte dazu gestern der Audi-Sprecher. Wie also sieht die Zukunft für Audi aus – lange eine Ertragsper­le im Konzern? Aus Sicht Dudenhöffe­rs müssen sich auch die Ingolstädt­er weiterentw­ickeln: „Audi schwächelt in letzter Zeit und ist vom Absatz und der Ertragskra­ft her nicht mehr so stark wie vor drei oder vier Jahren.“

Wie VW selbst das Steuer herumreiße­n will, lesen Sie auf der Wirtschaft. Und Stefan Stahl vertritt dort die Meinung, dass VW den Preis für seine Reformfaul­heit zahlt.

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„VW zahlt den Preis für die Ineffizien­z seit zehn Jahren.“ Ferdinand Dudenhöffe­r

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