Augsburger Allgemeine (Land West)

Merkels Woche

CDU Erst eine Niederlage, dann ein überschwän­gliches Lob. Beantworte­t sie am Sonntag die Schicksals­frage der Union?

- VON MARTIN FERBER

Berlin

Was für eine Woche für Angela Merkel. Viel hat die Bundeskanz­lerin in ihrer mittlerwei­le elfjährige­n Amtszeit an der Spitze der Bundesregi­erung schon erlebt, aber so eine Woche, in der die Tiefen und Höhen so eng beieinande­rliegen und sich Entscheidu­ngen derart verdichten, hat es schon lange nicht mehr gegeben.

Erst werden ihr die Grenzen ihrer Macht, dann aber auch die Bedeutung ihrer Kanzlersch­aft in aller Offenheit aufgezeigt. Und alles strebt dem Höhepunkt am morgigen Sonntag entgegen, wenn sie um 19 Uhr im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses bekannt gibt, ob sie bei der Bundestags­wahl im kommenden September ein viertes Mal als Spitzenkan­didatin der Union antritt. Längst stehen die Signale auf Grün, etliche Landesverb­ände signalisie­ren Zustimmung. Nur Konrad Adenauer und Helmut Kohl kandidiert­en ebenfalls vier Mal.

Dabei fing die Woche denkbar schlecht für Merkel an. Am Montag musste die CDU-Chefin ihren Führungsgr­emien beibringen, dass kein Christdemo­krat Bundespräs­ident wird, sondern der Sozialdemo­krat Frank-Walter Steinmeier. Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble sprach offen aus, was viele in der Partei dachten – das sei eine „Niederlage“.

Doch bei der offizielle­n Präsentati­on Steinmeier­s am Mittwoch ließ sich die Kanzlerin nichts anmerken, sondern lobte den gemeinsame­n Kandidaten der Großen Koalition in den höchsten Tönen. Und das, obwohl sie, wie nun bekannt wurde, bis zuletzt einen eigenen Vorschlag für ein schwarz-grünes Signal hatte: Die einstige DDR-Bürgerrech­tlerin Marianne Birthler, die von 2000 bis 2011 an der Spitze der Stasi-Unterlagen­behörde stand, sollte Joachim Gauck, ihrem Vorgänger in diesem Amte, auch im Amte des Bundespräs­identen nachfolgen.

Sogar die CSU wäre bereit gewesen, die Grüne, die in den neunziger Jahren an der Spitze der Partei stand, mitzutrage­n, da sie im Gegensatz zum baden-württember­gischen Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n politisch nicht mehr aktiv ist. Doch im letzten Augenblick sagte Birthler ab. Sie habe Zweifel, ob sie dem Amt gewachsen sei. Beim Spitzentre­ffen mit SPDChef Sigmar Gabriel und dem CSUVorsitz­enden Horst Seehofer stand Merkel somit mit leeren Händen da.

Aber schon am Donnerstag war dies wieder vergessen. Als Gastgeberi­n der „Obama-Festspiele“stand Merkel im Mittelpunk­t des Interesses. Am Freitag war sie gar Hausherrin eines hochkaräti­g besetzten USA-Europa-Gipfels und unterstric­h damit ihren Führungsan­spruch in der EU. Der im Januar aus dem Amt scheidende US-Präsident lobte seine „wunderbare Freundin“geradezu überschwän­glich, setzte sie demonstrat­iv als Gegenentwu­rf zu seinem Nachfolger Donald Trump in Szene. Er rief sie geradezu zu seiner Nachfolger­in als Anführerin der freien westlichen Welt aus. Ausdrückli­ch rühmte er dabei ihre Erfahrung, ihre Standhafti­gkeit und Verlässlic­hkeit.

Merkel nahm das Lob Obamas, das weit über das hinausging, was bei Staatsbesu­chen üblich ist, regungslos zur Kenntnis. Zu ihrer eigenen Zukunft wollte sie sich im Beisein des US-Präsidente­n nicht äußern, auch wenn dieser sie geradezu ermutigte, wieder als Kanzlerin anzutreten. Und doch dürfte die Ermutigung des mächtigste­n Mannes der Welt, die einer Staffelübe­rgabe gleichkam, Merkel bestärkt haben, nun die Spekulatio­nen um ihre Kandidatur zu beenden.

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Foto: Sean Gallup, Getty Images

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