Augsburger Allgemeine (Land West)
„Der Helmut Kohl wird nie Kanzler werden. Ihm fehlen die charakterlichen, die geistigen und die politischen Voraussetzungen.“
wechseln. Auch Waigel will einen Rechtsrutsch keinesfalls mittragen. „Dann hätte ich lieber mit der Politik aufgehört“, sagt er heute.
Die Stimmung beginnt bereits zu kippen, da macht Strauß einen entscheidenden Fehler. Fünf Tage nach dem Kreuther Beschluss will er die skeptische Junge Union auf seine Seite holen. In einem WienerwaldLokal im Münchner Stadtteil Laim verliert er allerdings vollkommen die Beherrschung, wettert gegen die „politischen Pygmäen der CDU, diese Zwerge im Westentaschenformat, diese Reclam-Ausgaben von Politikern“. Auch sein Intimfeind bekommt eine volle Breitseite ab. „Der Helmut Kohl wird nie Kanzler werden, er ist total unfähig dazu. Ihm fehlen die charakterlichen, die schlägt ein wie eine Bombe und schadet Strauß massiv.
Kohl lässt seinen Kontrahenten ins Leere laufen – und triumphiert kühl. 23 Tage nach der sagenumwobenen Nacht im Bierstüberl nimmt die CSU ihren Trennungsbeschluss zurück. Doch obwohl die Partei objektiv betrachtet eine Niederlage erlitten hat, weht der damals geborene „Geist von Kreuth“bis heute durch das Tegernseer Tal. Und bis heute gehört die Erzählung zu den beliebtesten Lagerfeuergeschichten der CSU. „Mythen haben ja etwas Schönes an sich – vor allem, weil sie in der Erinnerung immer noch schöner werden“, sagt Theo Waigel mit einem Augenzwinkern. Dass er damals gegen Strauß Position bezog, hat seiner Karriere übrigens nicht geschadet.
Als der Übervater der CSU zwölf Jahre später stirbt, übernimmt Waigel sein Erbe als Parteivorsitzender und wird bald darauf auch Bundesfinanzminister. Sein Chef: ein gewisser Helmut Kohl. Er ist eben doch noch Kanzler geworden.