Augsburger Allgemeine (Land West)

In künstliche­n Paradiesen

Rausch und Kreativitä­t Um die Inspiratio­n voranzutre­iben, haben vor allem Literaten seit dem 19. Jahrhunder­t mit Drogen experiment­iert. Ob das den künstleris­chen Fähigkeite­n zugute kam? Die Wissenscha­ft hat ihre Zweifel

- VON JULIA SEWERIN

Drogen und Künstler – landläufig wird damit die Pop- und Rockmusik in Verbindung gebracht. Die meisten denken an Janis Joplin, Jimi Hendrix oder an die Rolling Stones. Dabei geht die historisch­e Linie viel weiter zurück. Vom deutschen Dichter Friedrich Schiller (1759– 1805) etwa ist bekannt, dass er faule Äpfel in seiner Schublade lagerte und sich an der Ausdünstun­g des Ethylens, einer Vorstufe des Trinkalkoh­ols, beim Schreiben berauschte. Das jedenfalls verriet seine Frau Charlotte in einem Brief an Goethe.

Ein anderer, der mit Rauschmitt­eln seine Fantasie zu beflügeln suchte und diese Erfahrung auch in seinen Werken festhielt, war der Schriftste­ller Charles Baudelaire (1821–1867), einer der bedeutends­ten französisc­hen Lyriker der Moderne und Dichter der Dekadenz des französisc­hen Bürgertums. Um zu verstehen, warum Baudelaire zu Rauschmitt­eln griff, ist ein Blick auf in Berlin die Wirkung von Haschisch und notierte seine Gedankengä­nge in seinem Werk „Über Haschisch“. Er schreibt: „Man geht die gleichen Wege des Denkens wie vorher. Nur sie scheinen mit Rosen bestreut.“Später weicht aber auch er von der positiven Assoziatio­n ab.

Dass Rauschmitt­el für das kreative Schaffen oder das Erschaffen von etwas Neuem relevant sind, verneint der Kreativitä­tsforscher Rainer Holm-Hadulla, Professor an der Universitä­t Heidelberg und Facharzt für Psychiatri­e und Psychother­apie. Holm-Hadulla beschreibt mehrere Phasen der Kreativitä­t. Eine davon ist die Ideenfindu­ng, die einzige Phase, in der Drogen beim kreativen Schaffen helfen könnten, sagt er. Die sei aber relativ unwichtig, weil der Mensch sowieso ständig Ideen produziere. „Auch bei Alkoholund Drogenkons­umenten entstehen kreative Leistungen, dann aber zumeist nicht wegen, sondern trotz des Konsums“, sagt Holm-Hadulla.

 ?? Foto: akg-images ?? Charles Baudelaire war selbst Konsument von Drogen und schrieb darüber. Das postume Porträt des französisc­hen Dichters schuf Frantisˇek Kupka 1907.
Foto: akg-images Charles Baudelaire war selbst Konsument von Drogen und schrieb darüber. Das postume Porträt des französisc­hen Dichters schuf Frantisˇek Kupka 1907.

Newspapers in German

Newspapers from Germany